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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Kirchenordnungen - Kirchenpatronat
strina-Stil. Die freiere Weise, welche Stimmen und Instrumente gleichmäßig anwendet und auch in der Wahl der Texte weit ungebundener sich bewegt, begann um 1600, also unmittelbar nach Palestrinas und Lassus' Tode. Diese Kunstmusik über kirchliche Texte hat vielfach nur noch den einzelnen Text für sich im Auge, nicht mehr denselben als Teil der Liturgie und überhaupt nicht mehr den kirchlichen Kultus. Man pflegt daher von diesen Werken wohl zu sagen, sie seien nicht K., sondern nur Musik in der Kirche; es sind wesentlich Konzertstücke über kirchliche, biblische oder allgemein religiöse Texte. Den Höhepunkt dieser Entwicklung der begleiteten K. bilden die Kantaten und Passionsmusiken Joh. Seb. Bachs (s. d.) und die Oratorien G. F. Händels (s. d.). Aus neuerer Zeit sind hervorzuheben die kirchlichen Werke von Mozart, Beethoven, Cherubini, Berlioz, FranzLiszt, Friedrich Schneiderund Friedrich Kiel. (S.Kantate, Konzert.) Die erste umfassende Geschichte der italienischen K. schrieb G. Masuto, Della musica sacra in Italia (Vened. 1891). - Vgl. auch Kämmerle, Encyklopädie der evangelischen K. (Gütersloh 1883 fg.).
Kirchenordnungen, Gesetze, durch welche die Verhältnisse der einzelnen evang. Kirchen rechtlich geregelt werden. Nach der Reformation erließen in Deutschland die Landesobrigkeiten in der damals üblichen Weise der Landesgesetzgebung für ihre Gebiete K.; diese haben daher den Charakter von Landesgesetzen. Ihren Inhalt bilden gewöhnlich Bestimmungen über Lehre und Gottesdienst (s. Agende), Besetzung der Kirchenämter und Organisation des Kirchenregiments, über Ehesachen und Schule, Verwaltung der Kirchengüter, Armenpflege u. s. w. Nachdem Nördlingen, Stralsund, das Herzogtum Preußen und einige andere Gebiete bereits K. erhalten hatten, wurde für weitere der 1528 von Melanchthon unter Luthers Mitwirkung verfaßte "Unterricht der Visitatoren an die Pfarrherren im Kurfürstentum zu Sachsen" maßgebend; namentlich folgte ihm Bugenhagen in feinen K. für Braunschweig (1528), Hamburg (1529), Lübeck (1531), Pommern (1535) und Schleswig-Holstein (1542). Diesen Bugenhagenschen K. wurden dann wieder neue nachgebildet. Für eine andere Gruppe von K. war die auch mit Benutzung jenes "Unterrichts" gearbeitete Visitationsordnung des Markgrafen Georg von Brandenburg (1528) bestimmend, so namentlich für die Nürnberger (1533), die für Mecklenburg 1540 und für Brandenburg 1552 übernommen wurde und als Quelle für eine ganze Reihe anderer K. diente. Spätere K. entstanden zum Teil aus der Verarbeitung mehrerer frühern. Auf reform. Seite waren gewissermaßen vorbildlich die Züricher Prädikantenoronung von 1532 und Les Ordonnances ecclésiastiques de l’Église de Genève von 1541. Insbesondere gehört diese letztere zu den Quellen der Discipline ecclésiastique des églises réformées de France von 1559, die in ihrer erweiterten Form von 1660 auch für die Französisch-Reformierten in Preußen eingeführt wurde (1689) und für sie noch gegenwärtig gültig ist. - Unter den neuern K. hat die rheinisch-westfälische von 1835, die mit den Zusätzen von 1853 noch jetzt Rechtskraft besitzt, für die kirchliche Verfassungsentwicklung in Deutschland besondere Wichtigkeit erlangt. Auf Grund älterer K. verfaßt und eine Verschmelzung der Konsistorial- mit der Presbyterial-Synodalverfassung darstellend, hat sie dem Streben nach Neuordnung der Kirchenverfassung, das die deutschen evang. Landeskirchen jahrzehntelang bewegte, vielfach als Richtschnur und den neuen deutschen Kirchenverfassungen mehr oder weniger als Anhalt gedient. Die königlich preuß. Militär-Kirchenordnung von 1832 mit ihren Abänderungen und Zusätzen enthält die Vorschriften für das Kirchenwesen in der preuß. Armee.
Vgl. Äm. Jul. Richter, Die evangelischen K. des 16. Jahrh. (2 Bde., Weim. 1846); K. Snethlage, Die ältern Presbyterial-Kirchenordnungen der Länder Jülich, Berg, Cleve und Mark in Verbindung mit der neuen Kirchenordnung für die evang. Gemeinden der Provinz Westfalen und der Rheinprovinz (Lpz. 1837); die Ausgaben der letztgenannten K. von Bluhme-Hälschner (5. Aufl. von Kahl, Bonn 1891) und von Th. Müller (neu bearbeitet von Schuster, Berl. 1892); ergänzte Ausgabe der Militär-Kirchen- und Schulordnung des preuß. Staates (ebd. 1869).
Kirchenp., hinter der lat. Benennung naturgeschichtlicher Gegenstände, namentlich Hydroidpolypen und Moostierchen, Abkürzung für Gust. Heinr. Kirchenpauer (s. d.).
Kirchenpatronat, der Inbegriff von Rechten und Pflichten, welche einer Person bezüglich einer Kirche oder eines Amtes deshalb zustehen, weil sie die Kirche oder das Amt gestiftet und ausgestattet hat (area, exstructio, dotatio). Die Rechte bestehen wesentlich in dem Präsentationsrecht, d. h. der Befugnis, für das erledigte Kirchenamt dem Kirchenobern einen Kandidaten in Vorschlag zu bringen, in dem Rechte der Aufsicht über die Vermögensverwaltung (cura beneficii), in Ehrenrechten und der Befugnis, bei unverschuldeter Verarmung und mangels alimentationspflichtiger Verwandten dann, wenn die Stiftung reich ist, eine Alimentation aus dem Kirchenvermögen verlangen zu dürfen. Das Patronatsrecht kann einer bestimmten physischen Person (persönliches Patronatsrecht) zustehen oder dem jeweiligen Eigentümer eines Grundstücks (dingliches Patronatsrecht), sodaß es von diesem oder dem Nießbraucher, Erbpächter ausgeübt und mit dem Grundstücke selbst übertragen wird. Das letztere bildet die Regel, nach preuß. Recht spricht für den dinglichen Charakter die Vermutung. Das persönliche Patronatsrecht ist vererblich. Nur Christen können Patrone sein; das dingliche Patronatsrecht nichtchristl. Grundeigentümer ruht. Bei Christen aber ist laut ausdrücklicher Vorschrift des Westfälischen Friedens (Art. V, §§. 26, 31) die Verschiedenheit des Religionsbekenntnisses gleichgültig. In der evang. Kirche ist die kath. Einrichtung des K. beibehalten worden, und hier haben sich die Befugnisse des Patrons auch häufig mit den grundherrlichen völlig vermischt. Die Existenz eines landesherrlichen K. ist nach der Säkularisation des Jahres 1803 behauptet worden, um vermöge desselben dem Landesherrn die Befugnis zu vindizieren, in die Besetzungsrechte der säkularisierten Rechtssubjekte einzurücken. Gegenwärtig ist diese Lehre aufgegeben und allenthalben durch Vereinbarungen eine Regelung getroffen worden, in Bayern im Konkordat, in Württemberg und Baden durch Specialvereinbarungen, hier durchweg überwiegend zu Gunsten der Landesherren, während die preuß. Könige die Regelung der Streitfrage überwiegend zu Gunsten der Bischöfe und ihres freien Provisionsrechts (s. d.) gestatteten. Das K. ist eine Einrichtung des spätern
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