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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Kopernĭkus

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Kopernikus

jeder Kettenfaden liegt auf größern Strecken frei als bei der Leinwandbindung. Durch dieses Freiliegen der Fäden erhält das Gewebe eine weiche, lockere Beschaffenheit, wie sie in vielen Fällen erwünscht ist, indem sie z. B. den Faltenwurf begünstigt und das für manche Zwecke notwendige Aufsaugen größerer Flüssigkeitsmengen gestattet; außerdem ist dadurch eine große Mannigfaltigkeit in der Konstruktion der Gewebe ermöglicht. Die Bindungen stoßen entweder zusammen und bilden so eine fortlaufende Reihe (K. im engern Sinn), oder sie liegen, wie beim Atlas (s. d.), in größern Abständen voneinander über die Fläche zerstreut.

Der geringste K. ist der dreifädige, dreibindige oder dreiteilige, bei welchem zu einer Bindung je drei Fäden gehören. Da die schräg laufenden parallelen Streifen, welche durch die zwischen den Bindungen frei liegenden Fäden entstehen, auf der einen Seite durch den Einschlag, auf der andern durch die Kette gebildet werden, sind je nach der Feinheit, Farbe u. s. w. derselben die beiden Seiten des Stoffs im Aussehen verschieden. Je weiter die Bindungslinien auseinander, je mehr Fäden mithin frei liegen, desto lockerer, folglich auch desto weniger haltbar wird das Gewebe, weshalb der eigentliche K. selten mehr als achtfädig, gewöhnlich nur vier- oder fünffädig erzeugt wird.

Im atlasartigen K. schieben sich die Fäden über die Bindungen und verdecken diese, wodurch das Gewebe auf der einen Seite nur Kette, auf der andern nur Einschlag zeigt und aus der erstern, da zu der Kette besseres Garn verwendet wird, vorzüglich glatt und glänzend erscheint. In der Art des K. gewebte Zeuge, bei welchen Schuß- und Kettenfadenmaterial auf beiden Seiten der Ware gleichförmig verteilt sind, werden zweiseitiger oder beidrechter K., auch Doppelköper genannt. Geköperte Stoffe sind z. B. Croisé, Tibet, Merino, Satin, Englisch Leder, Drell, Barchent, Serge, Zanella, Bombasin; doch werden Köpergewebe aus allen Materialien der Textilindustrie hergestellt.

Kopernĭkus, Nikolaus, oder Coppernicus, wie er sich selbst schrieb, der Begründer der neuern Astronomie, geb. 19. Febr. 1473 zu Thorn, wo sein Vater Niklas Koppernigk, aus Krakau gebürtig und aus Frankenstein in Schlesien stammend, sich als Großhändler niedergelassen hatte. Auf der Schule seiner Vaterstadt vorbereitet, studierte K. seit 1491 in Krakau, 1495‒1500 in Bologna die Rechte, wurde 1497 in das ermländische Domkapitel aufgenommen und begab sich 1500 nach Rom, wo er astron. Vorträge hielt. Nach einem kurzen Aufenthalt in der Heimat 1501 studierte er noch in Padua Medizin, erwarb sich 1503 zu Ferrara die Insignien eines Doctor decretorum und lebte seit 1506 sechs Jahre im Schlosse zu Heilsberg als Berater des Bischofs Watzelrode von Ermland. Hier gelangten seine kosmischen Ideen zu festerer Gestaltung, und damals ließ K. eine lat. Übersetzung der Episteln des Theophylactus Simocatta in Krakau erscheinen. Nach dem Tode des Bischofs begab sich K. nach Frauenburg, dem Sitze seines Domstifts, wo er den größten Teil seines spätern Lebens zubrachte, mit astron. Forschungen und der Ausarbeitung seines Systems beschäftigt. Von 1516 bis 1520 wohnte er auf dem Schlosse zu Allenstein, um die Verwaltung der Ländereien des Domstifts zu leiten, und 1523 wurde er Generaladministrator der Diöcese. Von 1522 bis 1529 war er zu den preuß. Landtagen deputiert, um bei der Regulierung des zerrütteten Münzwesens mitzuwirken; zwei Denkschriften von ihm über die Reform der Landesmünze sind erhalten. Auch war K. als Arzt thätig. Eine spät entstandene Sage ist es, daß er Wasserleitungen in Preußen angelegt habe. K. starb im Mai 1543 und ist in der Domkirche zu Frauenburg (s. d.) begraben.

Sein berühmtes Werk «De revolutionibus orbium coelestium», durch das die Umgestaltung der frühern Weltanschauung begründet worden ist, hatte K. im wesentlichen bereits um 1530 vollendet; er entschloß sich zu dessen Veröffentlichung jedoch erst kurz vor seinem Tode auf das Zureden seiner Freunde, des gelehrten Bischofs von Culm, Tiedemann Giese, und seines Schülers, des einstigen Genossen von Melanchthon in Wittenberg, Joachim Rheticus. Letzterer erhielt das Manuskript, das in Nürnberg unter seiner und Osianders Aufsicht gedruckt wurde; ein ganz unveränderter Abdruck erschien 1566 zu Basel; die dritte Ausgabe (Amsterd. 1617) ist mit erläuternden Anmerkungen versehen. Der zu Warschau 1854 besorgte Abdruck sollte beweisen helfen, daß K. der poln. Nation angehöre; es ist ihm deshalb auch eine poln. Übersetzung beigegeben. Die Ausgabe von 1873 (Berlin) wurde zur 3. Säkularfeier des Geburtstags von K. von dem Thorner Coppernicus-Verein veranstaltet. Eine deutsche Übersetzung (von C. Menzzer) hat ebenfalls der Coppernicus-Verein (Thorn 1879) veröffentlicht. K. entwickelt in seinem Werke mit mathem. Schärfe die Stellung der Erde im Weltsystem und beweist, daß die Sonne der Mittelpunkt sei, um den sich die Erde, gleich den übrigen Planeten, drehe (heliocentrisches Weltsystem, im Gegensatz zum geocentrischen des Ptolemäus). Die bisher verbreitete Annahme, daß K. seine kosmischen Anschauungen nur in hypothetischer Umhüllung überliefert habe, ist ein Irrtum, welcher durch die in der editio princeps von Osiander untergeschobene Vorrede hervorgerufen ist, in der allerdings aus Furcht die damals noch kirchlich anstößige Lehre der Erdbewegung als Hypothese bezeichnet ist. Luther und Melanchthon hatten sich jederzeit mit großer Entschiedenheit gegen die neue Lehre ausgesprochen. Die kath. Gelehrten waren geteilt; auch die offenen Gegner unter ihnen traten nicht entschieden auf, weil das Werk des K. durch die höchste Autorität gedeckt schien, es war dem Papst Paul Ⅲ. zugeeignet. Erst bei Gelegenheit der Galilei-Wirren (1616) wurde es auf den Index librorum prohibitorum gesetzt, aus welchem es 1757 durch einen Beschluß des Heiligen Officiums entfernt wurde; 1822 ward dann der Druck aller Werke, welche die Bewegung der Erde lehren, erlaubt.

Die erste ausführlichere Biographie von K. verfaßte, lediglich auf gedruckte Quellen gestützt, P. Gassendi (Par. 1654); sie blieb zwei Jahrhunderte hindurch die Grundlage aller spätern Lebensbeschreibungen. Erst in der neuesten Zeit ist durch archivalische Forschung Näheres über die Lebensverhältnisse von K. ermittelt worden; auf ihnen beruht die von Leopold Prowe verfaßte Biographie «Nicolaus Coppernicus» (2 Bde., Berl. 1883‒84), deren dritter Band (1884) die Urkunden enthält. Denkmäler wurden K. 1830 zu Warschau (von Thorwaldsen) und 1853 zu Thorn (von Tieck) errichtet; das letztere trägt die Inschrift: «Nicolaus Copernicus Terrae Motor, Solis Coelique Stator»; auf

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