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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Kredibilität - Kreditanstalten
Kredibilität (neulat.), Glaubwürdigkeit.
Kredit (lat. creäitum, das Geglaubte, Anver-
traute), das Vertrauen, daß eine Person, welcher
Werte veräußert werden, die hinausgeschobene
Gegenleistung oder die versprochene Erstattung
gleicher Werte, wie beim Darlehn, seiner Zeit
leisten werde; dann auch das aus diesem Ver-
trauen hervorgegangene Schuldverhältnis. Der K.
kann durch ein besonderes Unterpfand gestützt
werden (Realkredit, s. d.), oder er ist bedingt
durch die persönliche Eigenschaft des Schuldners,
seine wirtschaftlichen Aussichten oder seine notorisch
günstigen Vermögensverhältnisse (Personalkre-
dit). Das Unterpfand ist entweder ein unbeweg-
liches Vermögensobjekt, eine Hypothek (s. d.), und in
diesem Falle erscheint der K. als Hypothekar-,
Grund- oder Bodenkredit, wobei wirtschaftlich
wieder die Unterscheidung von landwirtschaftlichem
und städtischem Bodenkredit von Bedeutung ist; oder
der Schuldner stellt ein bewegliches Pfandobjekt,
ein Faustpfand, wodurch der sog. Lombardkredit
(s. Lombard und Lombardgeschäft) entsteht, der be-
sonders sür den Waren- und Effektenverkehr Wich-
tigkeit hat. Der Personalkredit wird auf Grund
mündlichen oder schriftlichen Übereinkommens, ins-
besondere mittels Schuldverschreibungen (Wechseln,
Schuldscheinen u. s. w.) gewährt und erscheint na-
mentlich im Handel als "Buch- oder Kontokorrent-
kredit, Wechselkredit u. s. w.
Die Motive, welche Kreditgeber und Kreditnehmer
bei Eingehung des Geschäfts leiten, können sehr
verschiedenartig sein; namentlich die Beweggründe
des letztern sind für die wissenschaftliche Klassifikation
der Kreditgeschäfte wichtig. Hervorzuheben ist der
K. im geschäftlichen Verkehr zu produktiven Zwecken
(Produktivkredit), zu dem auch der Handels-
kredit zählt. Im Unterschied hiervon ist der Kon-
sumtivkredit (s. d.) ein K., der mit der Produk-
tion des Schuldners nicht zusammenhängt, sondern
ihm die Befriedigung seiner laufenden Bedürfnisse
gestattet; bei Vermögensauseinandersetzungen tritt
der Abfindungskredit ein.
Die eigentliche Bedeutung des K. für die
Volkswirtschaft liegt in dem Umstände, daß er
Kapital und Nutzgüter in die Hand derjenigen bringt,
die sie besser verwerten und verwenden können als
die bisherigen Eigentümer. Der K. befördert ferner
die Kapitalbildung, indem er es ermöglicht, daß
auch folche Perfonen ständige Nutzungen aus einem
Kapital ziehen können, die es selbst nicht zu ver-
werten im stände sind; auch würden viele Kapitalien
allein zu klein sein, um selbständig zur Erziclung
eines Ertrags verwendet werden zu können und
müssen daher im Wege des K. (z. B. durch Spar-
kassen und Depositenanstalten) erst gesammelt wer-
den. Der K. ermöglicht den steten Fortgang der
Produktion und schützt die zeitweilig mittellose
Arbeitskraft vor Entbehrung und Verderben. In
gewissem Sinne gewährt der K. somit Abhilfe gegen
mancherlei Härten und Unvollkommenheiten einer
auf das Privateigentum basierten Gesellschafts-
ordnung. Auch trägt er zur sittlichen Hebung des
Volks bei, indem er zur Sparsamkeit, Vorsicht, ge-
schäftlichen Treue und Pünktlichkeit mahnt, ohne
welche der K. auf die Dauer nicht haltbar ist. That-
sächlich ist der Kreditverkehr ein unentbehrliches
Glied einer fortgeschrittenen Volkswirtschaft. Seine
wachsende Bedeutung und namentlich die zuneh-
mende Verdrängung der direkten Mitwirkung des
baren Geldes im Großverkehr mit Hilfe zweckmäßig
eingerichteter Kreditanstalten und Kreditpapiere
(s. Clearing-House, Giroverkehr) läßt von einem
Zeitalter der Kreditwirtschaft fprechen, die an
Stelle der reinen Geldwirtfchaft (s. d.) tritt, gleich-
wie diese seiner Zeit die Naturalwirtschaft (f.d.) ab-
gelöst hat. Neben dem Privatkredit hat übrigens in
der neuern Zeit auch der öffentliche und besonders
der Staatskredit eine großartige Ausdehnung
gewonnen. (S. Anleihen, Staatsschulden.)
Diese bedeutende Entwicklung des K. steht nicht
ohne belangreiche Schattenseiten da. Er ver-
stärkt die Macht des ohnehin Starken, der nunmehr
nicht bloß über die eigenen ausgedehnten Mittel,
sondern auch über fremdes Kapital verfügt, und
macht den Schwachen Vergleichsweife noch schwächer;
er verleitet zu unbedachten Auslagen und Unter-
nehmungen und giebt zu ausgedehntem Betrug
und Schwindel Anlaß; er gewährt die Gelegenheit
zu Ausbeutung und Wucher u. s. w. Die auch in
Deutschland so verbreitete Borgwirtschaft im Klein-
verkehr läuft großenteils auf unwirtschaftlichen K.
hinaus; die langen Kreditfristen im kaufmännifchen
Verkehr gefährden die Solidität des Geschäfts-
lebens. Wie in einem künstlichen Mechanismus
treten in dem großartig entwickelten Kreditverkehr
der Neuzeit öfters Reibungen und Störungen ein,
was zu bedenklichen Erschütterungen der Volks-
wirtschaft führen kann (f. Handelskrisen). Gegen-
über den Ausartungen des K. ist die Gesellschaft
übrigens nicht wehrlos; die Nachteile des K. zu be
kämpfen dient namentlich ein geeignetes Kredit-
recht, welches eine schleunige Erledigung der Schuld-
klagen, die Antragung von Arresten, eine schnelle
Durchführung vonZwangsvollstreckungen undSub-
hastationen sichert, den saumseligen oder gewissen-
losen Schuldner hinlänglich streng behandelt, aber
auch unnötigen Härten des Gläubigers oder der
wucherischen Ausbeutung (f. Wucher) einen Damm
setzt. Um längere Kreditierungen auszuschließen,
hat sich die Einführung kurzer Verjährungsfristen
wirksam erwiesen. Wichtig sind auch alle genossen-
schaftlichen Veranstaltungen zum Zweck der Kredit-
beschaffung für die mittlern und untern Stände
(s. insbesondere Darlehnskassenvereine und Vor-
schuh- und Kreditvereine). Um die gedeihliche Wirk-
samkeit des K. zu erhalten und zu steigern, ist eine
gute Organisation desselben notwendig; ihre Haupt-
träger sind die Banken (s.d.).
Vgl. Nebemus, Der öffentliche K. (2. Aufl.,
Karlsr. 1829); Knies, Der K. (2 Bde., Verl. 1876
-79); Ad. Wagner in "Schönbergs Handbuch der
polit. Ökonomie", Bd. 1 (3. Aufl., Tüb. 1890).
Kreditanstalten, größere, von Aktiengefellschaf-
ten, Geno^enschaften oder öffentlichen Körperfchaf-
ten, auch wohl vom Staate selbst betriebene Ge-
schäftsunternehmungen, welche die Vermittelung und
Erleichterung des Kredits zum Zwecke haben. Hier-
her gehören vor allem die Banken (s. d.), und zwar
sowohl die auf das Bedürfnis von Handel und In-
dustrie berechneten wie auch die Bodenkreditbanken
(s.d.) und die sog. Or"äit8 modilierg (s.d.). Zu den
genossenschaftlichen K. gehören die auf dem Princip
der Solidarhaft beruhenden Vorschuß- und Kreditver-
eine (s. d.) nach dem Schulze-Delitzschschen System,
die Raiffeisenschen Darlehnskassenvereine (s. d.) und
die auf Gegenseitigkeit begründeten Landschaften
(s. d.). Öffentliche, vom Staate oder den Gemeinden
errichtete und verwaltete K. sind namentlich die
Artikel, die man unter K vermißt, sind unter C aufzusuchen.