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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Lateiner

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Lateiner

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Lateau'

heit, erschienen an ihr sog. «Stigmata», d.h. Blutungen, zuerst an der Seite, dann an den Füßen und Händen, endlich an der Stirn und an der Schulter, die dann alle Freitage regelmäßig wiederkehrten. Damit verbanden sich bald stundenlange Verzückungen. Vom März 1871 an kam dazu ein wunderbares Fasten, wobei die Kranke angeblich außer der täglichen Kommunion keinerlei Nahrung zu sich nahm und keines Schlafes bedurfte. Diese Erscheinungen zogen jahrelang zahlreiche Besucher, namentlich auch aus der deutschen Geistlichkeit, nach Bois d’Haine. 1874 und 1875 beschäftigte sich auch die belgische mediz. Akademie mit der Sache; ihr Berichterstatter Warlomont sah in der L. eine reine Kranke und bestimmte ihre Krankheit als «stigmatische Neuropathie». Als im belg. Kulturkampf der Bischof Dumont von Tournai, der besondere Gönner der L., vom Papst als geisteskrank abgesetzt wurde, die Kranke sich aber für den Bischof gegen den Papst aussprach, wurde sie von den Ultramontanen fallen gelassen. Sie starb 25. Aug. 1883. – Vgl. Die Biographien auf gläubiger Seite von Rohling, Louise L., die Stigmatisierte von Bois d’Haine (1.–8. Aufl., Paderb. 1874); Majunke (Berl. 1874; 2. Aufl. 1875). – Dagegen: Johnen (kath. Arzt), Louise L. (Lpz. 1874); Schwann, Mein Gutachten über die Versuche an der stigmatisierten Luise L. (Köln 1875); Warlomont, Rapport médical sur la stigmatisée de Bois d’Haine (Brüss. 1875).

Lateiner (Latini), die Bewohner von Latium. Sie gehörten zu einem altitalischen, dem umbrisch-sabellischen Stamme zunächst verwandten Volksstamme, der in vorhistor. Zeit wahrscheinlich von Norden her nach Mittelitalien, namentlich nach Umbrien, Samnium, Picenum, das Sabellerland und Latium einwanderte und die dort ansässige Urbevölkerung (wahrscheinlich Ligurer) verdrängte.

Die spätere Sage bezeichnet den Kern des Volks mit dem (mythischen) Namen der Aboriginer als Ureinwohner; die Bewohner der Umgebung Roms werden auch Sikeler genannt. Zu den Aboriginern sollen Arkader unter Euander, sodann Trojaner unter Äneas gekommen und aus der Vereinigung dieser Elemente das Volk der L. entstanden sein, das diesen Namen von Äneas zu Ehren des Königs Latinus erhalten habe. Latinus selbst, den man von Faunus, Picus und Saturnus abstammen läßt (alten Nationalgottheiten, wie Janus, und gleich diesem später zu ältesten Königen Latiums umgedeutet), soll in Laurentum (nahe der Küste, zwischen Ostia und Lavinium) geherrscht, den Äneas (s. d.) gastlich aufgenommen und ihm seine Tochter Lavinia, nach der Äneas die von ihm als Sitz der Penaten gegründete Stadt Lavinium nannte, zur Gemahlin gegeben haben. Auf Äneas folgte nach der Sage sein Sohn Ascanius (s. d.). Dieser gründete Albalonga und verlegte dahin seinen Sitz und hatte zum Nachfolger seinen (nach andern des Äneas) Sohn Silvius. Von Albalonga aus soll dann auf dem Palatinischen Berge Rom (s. d.) gegründet worden sein.

Der Name Latium erscheint in der ältesten röm. Zeit auf eine kleine Landschaft beschränkt. Im Gebirge gegen N. waren die Sabiner, gegen NO. die kleinen Völker der Äquer (oberhalb Präneste) und der Herniker die Nachbarn der Latiner, gegen S. waren es die Volsker. Die Bevölkerung zerfiel in viele kleinere Gemeinden, welche in offenen Weilern wohnten, innerhalb ihrer Feldmark ↔ aber eine wohlummauerte Burg (arx) als Zuflucht bei feindlichen Angriffen hatten. Solche Orte waren außer den schon genannten: Aricia, Lanuvium, Tibur (jetzt Tivoli), Tusculum (unweit des heutigen Frascati), Gabii, Präneste (jetzt Palestrina) u.a. Die einzelnen Gemeinden schlossen sich zu Eidgenossenschaften oder Städtebünden zusammen; der bedeutendste dieser Bünde war der, an dessen Spitze Albalonga bis zu seiner Zerstörung (angeblich durch den röm. König Tullus Hostilius) stand; er bestand aus 30 kleinen Republiken der Prisci Latini (Altlateiner), wie sie sich im Gegensatz zu den später in ursprünglich nicht lat. Städten angesiedelten latinischen Gemeinden nannten. Zu den ältesten Städten letzterer Art gehören Veliträ (jetzt Velletri), Norba, Circei, Ardea. (S. die Nebenkarte zur Karte: Das Alte Italien, beim Artikel Italien.)

Der oberste Magistrat war nach dem Aufhören der königl. Herrschaft ein Diktator. Rom selbst, das, obwohl es durch den Hauptbestandteil seiner Bewohnerschaft dem lat. Volke angehörte, lange dem Bunde feindselig gewesen war, schloß sich nach der Zerstörung von Alba demselben an; thatsächlich übte es dadurch eine Art von Oberherrschaft über Latium aus, die jedoch mit dem Sturze des Königtums aufhörte. Ein neuer Bund kam 493 v.Chr. durch den röm. Konsul Spurius Cassius zu stande, und ihm schlossen sich 486 auch die Herniker an. Beide fielen von Rom ab, als dieses durch den Andrang der Gallier 387 v.Chr. dem Untergang nahe gebracht worden war, und nahmen eine feindliche Stellung gegen Rom ein, bis 358 die Herniker unterworfen, mit den L. aber die alten Bundesverhältnisse erneuert wurden. Als indes 341 Rom das Verlangen der L., daß einer der röm. Konsuln ein L. sei, zurückwies, erhoben sich diese zum Krieg, der von Livius und andern röm. Historikern, die den alten lat. Bund als ein Unterthanenverhältnis auffassen, irrig als Empörung dargestellt wird. Doch schon 340 wurden die L., denen sich die Volsker und Capuaner angeschlossen hatten, bei Trifanum aufs Haupt geschlagen, und 338 waren alle Städte Latiums unterworfen. Dieselben wurden nun teils in das volle röm. Bürgerrecht aufgenommen, teils wurden sie Municipien, oder endlich bestanden sie, wie Tibur und Präneste, als selbständige, aber von Rom in Form eines Bündnisses abhängige Staaten fort. In den Volskerstädten Antium und Anxur (von den Römern Tarracina genannt) wurden röm. Kolonien angelegt, welche die Landschaft vom Meere abschlossen. Das Gebiet der Volsker und das der südlich von diesen seßhaften Aurunker wurde, wie es auch mit dem Lande der Äquer und Herniker geschehen war, mit zu Latium geschlagen und dieses dadurch bis über den Fluß Liris (jetzt Garigliano) erweitert, wo der Berg Massicus (jetzt Mondragone) die Grenze gegen Campanien bildete. Im Gegensatze zu dem alten Latium nannte man dieses Latium adiectum oder novum.

Die Unterworfenen bildeten ein bestimmtes Ganzes, das die Benennung Nomen Latinum erhielt; dadurch, daß sie einzelne Vorrechte, namentlich das Recht des Handelsverkehrs und der Testamentserbfolge nach röm. Rechte, das Commercium, hatten, schieden sie sich von den eigentlichen ital. Bundesgenossen (Socii), mit denen sie zu Kriegsdienst und Abgaben verpflichtet waren, und von den Fremden (Peregrini) überhaupt. 90 v Chr., nach dem Marsischen Kriege, erhielten sämtliche L. das

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 993.