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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Leberegel; Leberegelseuche; Leberentzündung

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Leberegel – Leberentzündung

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Leberechinococcus'

und veröden. – Vgl. Langenbuch, Der L. und seine Chirurgie (Stuttg. 1890).

Leberegel, s. Saugwürmer.

Leberegelseuche, Egelseuche, Leberfäule, eine Krankheit der Schafe und anderer Wiederkäuer, hervorgerufen durch Masseneinwanderung eines parasitischen Wurms, des Leberegels (s. Saugwürmer), die besonders in Europa, Nordamerika und neuerdings auch in Australien beobachtet wird. Bei davon befallenen Tieren beginnt die Krankheit mit einer Entzündung der Leder, darauf tritt etwa nach 6–10 Wochen die sog. Bleichsucht auf, die Tiere magern ab, werden blutarm, verlieren ihre Freßlust und ihre Wolle geht leicht aus. Dieses Stadium führt bereits öfters zum Tod, der fast ausnahmslos das Ende des dritten Stadiums der sog. Auszehrung bildet, bei der zufolge der unter Einfluß des Parasiten enorm erweiterten und verkalkten Gallengänge die Lebersubstanz fast vollkommen schwindet. In England nimmt man an, daß durchschnittlich jährlich etwa eine Million Schafe an der L. zu Grunde gehen.

Leberentzündung (Hepatitis), eine Leberkrankheit, die in sehr verschiedenen Formen anftritt, je nachdem nur der Bauchfellüberzug der Leber, oder nur die größern Gallenwege, oder das eigentliche Lebergewebe von der Entzündung befallen werden. Man unterscheidet gewöhnlich folgende nach Ursache, Verlauf und Ausgang verschiedene Formen:

1) Die Entzündung des serösen Überzugs der Leber (Perihepatitis), welche entweder Teilerscheinung einer allgemeinen Bauchfellentzündung ist, oder für sich als Folge einer traumatischen oder mechan. Schädlichkeit (Schlag, Stoß, Druck der Lebergegend) auftritt; besonders häufig wird sie bei Frauen durch den anhaltenden übermäßigen Druck fester Unterrockbänder und Schnürleiber veranlaßt, und führt bei ihnen oft zu einer beträchtlichen Verdickung der Leberkapsel oder zur Bildung einer tiefen Querfurche auf der Oberseite der Leber (sog. Schnürleber), wodurch natürlich auch die physiol. Funktionen der letztern mehr oder minder beeinträchtigt werden. Die hauptsächlichsten Symptome dieser Krankheit sind stechende Schmerzen in der Lebergegend, die bei Druck, Niesen, Husten und Tiefatmen heftiger werden; mitunter sind auch Fieber, Appetitlosigkeit, Erbrechen und andere Verdauungsstörungen vorhanden. Die Behandlung besteht in der Entfernung aller einengenden Kleidungsstücke, ruhigem Verhalten, kalten Umschlägen auf der Lebergegend und milden Abführmitteln; bei schwerern Fällen ist die Behandlung dieselbe wie bei der Bauchfellentzündung.

2) Die chronische fibröse oder interstitielle L., auch Lebercirrhose genannt (Hepatitis diffusa chronica interstitialis, Cirrhosis hepatitis), eine eigentümliche schleichend verlaufende Entzündung des Lebergewebes, bei welcher die Leberzellen infolge einer abnormen Massenzunahme und Neubildung des Bindegewebes nach und nach zum großen Teil zu Grunde gehen und die ganze Leber schließlich zusammenschrumpft und auf ihrer Oberfläche nicht mehr glatt, sondern mit zahllosen höckerigen oder körnigen Hervorragungen bedeckt ist (sog. granulierte Leber oder Schuhzweckenleber). Die schließlichen Folgen dieser Leberkrankheit, welche übrigens nur vermittelst der Perkussion mit Sicherheit erkannt wird, sind Magenkatarrh und hochgradige Ernährungsstörungen, Abmagerung, Milzschwellung ↔ und Bauchwassersucht, an welcher die Kranken gewöhnlich binnen Jahresfrist zu Grunde geben. Auf dem stark angeschwollenen Bauch der Kranken finden sich oft um dem Nabel herum stark geschlängelte dicke blaue Blutadern (sog. Medusenhaupt, Caput Medusae), durch welche, da die Cirkulation in der Leber gehemmt ist, ein Teil des Blutes auf Umwegen den Zugang aus den untern Extremitäten zum Herzen zu gewinnen sucht. Unter den Ursachen der Lebercirrhose, welche am häufigsten zwischen dem 30. und 50. Lebensjahre vorkommt, steht der Mißbrauch stark alkoholischer Getränke (Branntwein, starker Weine und Biere) obenan, weshalb die Krankheit vielfach auch geradezu als Säuferleber (engl. Gin drinkers liver) bezeichnet wird; doch kommt die interstitielle L. gelegentlich auch unter andern Umständen vor. Die Behandlung kann nur in den ersten Stadien des Leidens durch völlige Entziehung der alkoholischen Getränke, einfache, milde Kost, fleißige Körperbewegung und milde Abführmittel dem Krankheitsprozeß Einhalt thun; in den spätern Stadien sind alle Mittel nutzlos.

3) Die eiterige L. oder der Leberabsceß (Hepatitis suppurativa), eine in den gemäßigten Klimaten seltene, dagegen in den Tropenländern häufigere Form der L., welche in der Regel zur Bildung von bohnen- bis hühnereigroßen Eiterhöhlen oder Abscessen führt. Als Ursachen dieser gefährlichen Krankheit werden mechan. Schädlichkeiten (Druck, Stoß, Fall auf die Lebergegend), der Mißbrauch spirituöser Getränke und scharfer, fetter, übermäßig gewürzter Speisen angeführt; mitunter entstehen Leberabscesse auch nach schweren Verletzungen mit nachfolgender Venenentzündung und Verjauchung sowie nach bösartigen Ruhranfällen mit ausgedehnterm geschwürigem Zerfall der Darmschleimhaut, indem hierhei von den verjauchenden Stellen septische Stoffe durch den Blutstrom in die Leber gelangen und in dieser pyämische Entzündungen erregen. (S. Embolie.) Die Krankheit beginnt immer mit hohem Fieber, Schüttelfrost, heftigen, nach der rechten Schultergegend ausstrahlenden Schmerzen in der Lebergegend, wozu sich hier eine schmerzhafte, anfangs harte, späterhin schwappende Geschwulst gesellt; bisweilen ist auch Gelbsucht vorhanden. Die eiterige L. führt häufig durch Erschöpfung und die eintretende Eitervergiftung des Blutes zum Tode; nur wenn der Eiterherd nach der äußern Haut oder nach dem Darm oder der Brusthöhle durchbricht, erfolgt nach meist monatelangem schmerzhaftem Siechtum Genesung. Die Behandlung erfordert in den ersten Stadien der Krankheit kalte, in den spätern warme Umschläge auf die Lebergegend, milde Abführungsmittel und eine reizlose, leicht verdauliche Diät; sobald sich Anzeichen finden, daß sich ein Eiterherd gebildet bat, muß dieser auf operativem Wege entleert werden.

4) Die syphilitische L. (Hepatitis syphilitica) giebt sich durch tiefe narbenartige Furchen der Leberoberfläche und ein eigentümliches gelapptes Ansehen der Leber, häufig auch durch erbsen- bis walnußgroße, scharf umschriebene weißliche Knoten (Syphilome) der Lebersubstanz zu erkennen, die sich im spätern Verlauf in eine gelbliche käsige Masse verwandeln und schließlich einschrumpfen und vernarben; sie ist immer ein Symptom der tertiären Syphilis (s. d.) und führt häufig unter den Erscheinungen der Bauchwassersucht zum Tode. Die Behandlung erheischt eine antisyphilitische Kur.

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 4.