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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Leo (Päpste)

L. VI., wegen seiner Gelehrsamkeit der Philosoph oder der Weise genannt (886-912), geb. 1. Sept. 866 als Sohn des Kaisers Basilius I., folgte seinem Vater, dem Begründer der macedon. Dynastie, 29. Aug. 886 auf den Thron. Er vermochte das Reich gegen die es bedrängenden Bulgaren, Sarazenen und Russen nicht zu sichern und kämpfte ohne Erfolg gegen sie. 911 schloß er mit dem russ. Fürsten Oleg einen Handelsvertrag. L. war ein ausschweifender und unfähiger Despot. Er starb 11. Mai 912. L. verfaßte sog. "Oracula", Weissagungen über die Geschicke zukünftiger Kaiser von Konstantinopel (vgl. Legrand, Les oracles de Léon le Sage, Par. 1875) und eine Strategie und Taktik (hg. von J. W. von Bourscheid, 5 Tle., Wien 1777-81). Als Ordner des Zunftwesens in Byzanz ist er durch das von Nicole aus einem Genfer Codex publizierte "Λέοντοζ τον σοφον τό έπαρχικὁν βιβλίον. Le livre du préfet on édit de l'empereur Léon le sage sur les corporations de Constantinople" (Genf 1893) bekannt geworden. - Vgl. Köchly, Selecta quaedam ex ineditis Leonis tacticis capita (Zür. 1854); Popov, Kaiser L. VI. der Weise und seine Regierung in kirchengeschichtlicher Hinsicht (russisch, Mosk. 1892).

Leo, Name von 13 Päpsten:

L. I., der Große (440-461), ebenso bedeutend als Kirchenlehrer wie als Kirchenfürst, wahrscheinlich in Toscana geboren, seit 420 in Rom, sehr angesehen und namentlich gegen die Pelagianer (s. d.) thätig, war der erste röm. Bischof, der den Anspruch auf das Papsttum, d. h. auf den Primat Roms über alle andern Bischöfe durch die Nachfolge der Apostel dogmatisch begründete und in vielen Streitigkeiten praktisch zur Geltung brachte. Auf dem Konzil zu Chalcedon 451 präsidierten seine Legaten, und seine "Epistola ad Flavianum", den Bischof von Konstantinopel, wurde als Grundlage des kirchlichen Bekenntnisses angenommen. In seinem Streite mit dem Bischof Hilarius (s. d.) von Arelate erwirkte er 445 von Kaiser Valentinianus III. ein freilich nur im Abendlande gültiges Gesetz, das den apostolischen Stuhl zur höchsten gesetzgebenden und richterlichen Gewalt der ganzen Kirche machte. Ferner gelang es ihm, die afrik. Kirche der geistlichen Oberhoheit Roms zu unterwerfen und die illyrische im Gehorsam zu erhalten. In scharfer Weise verfolgte er die Häretiker, namentlich die Manichäer (s. d.) und die Priscillianisten (s. Priscillian). Als 452 Attila Rom bedrohte, wählte Valentinianus III. L. zu seinem Gesandten, um mit Attila über den Frieden zu unterhandeln, den er auch zu stande brachte. Als jedoch 455 der Vandale Genserich Rom überfiel und es plündern ließ, vermochte er nur zu erlangen, daß die Stadt nicht angezündet wurde. Papst Benedikt XIV. setzte ihn unter die Kirchenlehrer, und die Kirche verehrt ihn als Heiligen. Sein Gedächtnistag ist der 11. April. Seine Werke, bestehend in 96 Predigten, 141 Briefen und einigen Abhandlungen, wurden hg. von Quesnel (2 Bde., Lyon 1700) und von P. und H. Ballerini (3 Bde., Vened. 1755-57); eine neue Ausgabe der Briefe ist in den "Monumenta Germaniae" begonnen worden. Eine Übersetzung der Predigten lieferte Wilden (in der "Bibliothek der Kirchenväter", Kempten 1876), der Briefe Wenzlowsky (in den "Briefen der Päpste", Bd. 4, 5, ebd. 1878). - Vgl. Arendt, L. der Große und seine Zeit (Mainz 1835); Perthel, Papst L.s I. Leben und Lehren (Jena 1343); Saint Chéron, Histoire du pontificat de St. Léon (2 Bde., Par. 1846); Böhringer, Die Kirche Christi und ihre Zeugen, Bd. 12: Die Väter des Papsttums (2. Aufl., Stuttg. 1879).

L. II. (682-683), ein Sicilianer, bestätigte die durch das sechste ökumenische Konzil zu Konstantinopel ausgesprochene Verdammung der Monotheleten (s. d.) und verbesserte den Gregorianischen Gesang. Sein Gedächtnistag ist der 28. Juni.

L. III. (795-816), ein Römer, mußte 799 vor seinen Gegnern zu Karl d. Gr. nach Paderborn flüchten und kehrte unter fränk. Schutz nach Rom zurück. Als Karl d. Gr. darauf 800 selbst nach Rom kam, wurde er 25. Dez. 800 von L. zum röm. Kaiser gekrönt. In dem Streit über die Aufnahme des Filioque in das Nicänische Glaubensbekenntnis entschied sich L. gegen dasselbe. Gedächtnistag: 12. Juni. Seine Briefe finden sich bei Jassé, Regesta pontificum romanorum (2 Tle., Lpz. 1881-85). - Vgl. Faber, De Leone III. (Tüb. 1798).

L. IV. l847-855), ein Römer, Benediktinermönch, dann Kardinalpresbyter, suchte erst nach zweieinhalb Monaten die kaiserl. Bestätigung seiner Wahl nach. Von den Sarazenen beständig bedroht, erfocht er im Bunde mit den unterital. Städten über dieselben 849 den Seesieg bei Ostia, befestigte die Stadt Rom, erweiterte sie durch einen neuen Stadtteil: die sog. Leoninische Stadt (s. d.), und gründete an Stelle des zerstörten Centumcellae die Stadt Leopolis (später Civitavecchia). Gedächtnistag: 17. Juli.

L. V., erwählt 903, regierte nur 40 Tage, wurde von dem Presbyter Christophorus zur Abdankung gezwungen und starb 6. Dez. im Gefängnis.

L. VI. (928-929) und L. VII. (936-939) lebten in den stürmischen Zeiten der Theodora (s. d.) und Marozia (s. d.).

L. VIII. (963-965), vorher röm. Archivdirektor, wurde von Kaiser Otto I. an Stelle Johanns XII. zum Papst erhoben und konnte seine Würde nur unter fortwährenden Kämpfen behaupten. Unter L.s Namen sind zwei offenbar unechte Bullen überliefert, durch die er dem Kaiser das Recht erteilt, den Papst zu wählen und die Bischöfe zu investieren, und ihm die Schenkungen Pippins und Karls d. Gr. zurückgiebt.

L. IX. (1049-54), vorher Bruno, Erzbischof von Toul, aus dem Geschlecht der elsäss. Grafen von Egisheim, wurde durch den Einfluß Heinrichs III., seines Verwandten, Dez. 1048 zu Worms als Papst gewählt, ließ sich aber in Rom nochmals (12. Febr. 1049) durch Klerus und Volk wählen und dann erst weihen. Er begann auf Hildebrands (s. Gregor VII.) Rat den energischen Kampf gegen Simonie und Ehe der Geistlichkeit und auf den Synoden zu Rom (1049 und 1051), Reims, Mainz (1049), Vercelli, Sipontum (1050) und Mantua (1052) führte er selbst den Vorsitz. Im Kampfe mit den Normannen wurde er gefangen genommen (1053) und erst wieder freigelassen, nachdem er ihnen den Besitz ihrer Lande bestätigt hatte. Unter L. begann auch der zur definitiven Trennung führende Streit mit der Griechischen Kirche (s. d.). Er starb 19. April 1054. Von ihm sind noch Briefe, Predigten und Dekretalen vorhanden. - Vgl. Hunkler, L. und seine Zeit (Mainz 1851); Spach, St. Léon,le pape alsacien (Par. 1864); Delarc, Un pape alsacien (ebd. 1876); Brucker, L'Alsace et l'eglise au temps de Léon IX (Straßb. 1889); Bröcking, Die franz. Politik Papst L.s IX. (Stuttg. 1891).