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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Leo (Päpste)

L. X. (1513-21), geb. 11. Dez. 1475 zu Florenz, hieß Giovanni de' Medici und war der zweite Sohn Lorenzos de' Medici. Er erhielt in seinem siebenten Jahre die Tonsur und bald nachher eine Anzahl reicher Pfründen, Seine Studien machte er in Florenz und Pisa und ward 1492 Kardinal und päpstl. Legat in Toscana. Vom Papst Julius II. wurde er zum Statthalter von Perugia ernannt und 1511 unter dem Titel eines Legaten von Bologna an die Spitze des päpstl. Heers in der Heiligen Ligue wider Frankreich gestellt. Nach Julius' II. Tod wurde er im März 1513 zum Papst gewählt. Gegen Frankreich wußte er im Bunde zu Mecheln (5. April 1513) den deutschen Kaiser und die Könige von England und von Aragonien mit sich zu verbinden, und seine Heere warfen Frankreich und Venedig nieder. Als mit der Thronbesteigung Franz' I. 1515 neuer Krieg drohte, schloß L. mit dem jungen König zu Viterbo Frieden und beredete ihn zur Aufhebung der Pragmatischen Sanktion sowie zur Abschließung eines Konkordats, durch das die Früchte des Konstanzer und Baseler Konzils für Frankreich verloren gingen.

Um die Macht seines Hauses zu vergrößern, benutzte er 1516 einen Vorwand, den Herzog von Urbino zu entsetzen, und belehnte seinen Neffen Lorenzo mit dem Herzogtum. 1517 ließ er den Kardinal Petrucci, der einer Verschwörung gegen L.s Leben sich verdächtig gemacht hatte, erdrosseln; andere, deren Schuld nicht erwiesen war, wurden gefoltert, ihrer Würden entsetzt und verwiesen. Das Schisma wußte L. durch die 1513 wieder eröffnete Lateransynode zu beendigen. Seine Prachtliebe mußte seine Finanzen erschöpfen; um sich daher Geld zu verschaffen, besonders auch zur Vollendung der Peterskirche, ließ er der Christenheit Ablaßbriefe verkaufen. Dieser Mißbrauch gab den ersten Anstoß zur deutschen und schweiz. Reformation. Nach dem Tode Lorenzos vereinigte L. Urbino mit den päpstl. Besitzungen. Zur Unterdrückung der Macht Frankreichs in Italien schloß er 1521 einen Bund mit Karl V., um die Familie Sforza in Mailand wieder einzusetzen, und warb ein schweiz. Söldnerheer an. Nach Ausbruch des Krieges wurden Parma und Piacenza genommen und von dem Papst dem Kirchenstaate einverleibt; aber L. starb schon 1. Dez. 1521. L. war ein feingebildeter, mehr für Kunst und Wissenschaft als für Religion begeisterter Kirchenfürst. Die ersten Schritte Luthers Zur Kirchenreformation verlachte er zunächst als "Mönchsgezänk". Seine spätern Maßregeln zur Unterdrückung derselben blieben ohne Erfolg. - Vgl. Roscoe, Life and pontificate of L. X. (4 Bde., Liverp. 1805; neue Ausg., Lond. 1875; deutsch von Glaser, 3 Bde., Lpz. 1806-8); Ranke, Die röm. Päpste, Bd. 1 (Berl. 1834; 9. Aufl., Lpz. 1889); Leones X' regesta (hg. von Hergenröther, Freib. i. Br. 1884-88); Fr. Niti, Leone X et la sua politica (Flor. 1892).

L. XI., vorher Alessandro Ottaviano de' Medici, Erzbischof und Kardinal von Florenz, geb. 1535, zum Papst gewählt 1. April 1605, starb schon nach 27 Tagen.

L. XII. (1823-29), vorher Annibale della Genga, geb. 1760 zu Genua (nach andern zu Genga), war vor seiner Erhebung auf den päpstl. Stuhl als Nuntius Pius' VII. in Augsburg und Köln vielfach thätig. 1807 sandte ihn Pius an Napoleon I. nach Paris, dann 1814 bei der Restauration in Frankreich an Ludwig XVIII. 1816 wurde er Kardinal und 28. Sept. 1823 Papst. Er verdammte schon in seiner Antrittsbulle die Freimaurerei und die Bibelgesellschaften, gab den Jesuiten das frühere Kollegium zurück (1824), schrieb (1825) ein Jubeljahr aus und ordnete dabei das Gebet um Ausrottung der Ketzer an. L. starb 10. Febr. 1829. - Vgl. Köberle, Rom unter den letzten drei Päpsten und die zweite Reformation in Deutschland. Bd. 1: L. XII. und der Geist der röm. Hierarchie (Lpz. 1846); Brosch, Geschichte des Kirchenstaates, Bd. 2 (Gotha 1881).

L. XIII., vorher Gioacchino Pecci, aus altem Adelsgeschlecht, Papst seit 3. März 1878, geb. 2. März 1810 in Carpineto bei Anagni, wurde von seinem achten Jahre an mit seinem Bruder Joseph im Jesuitenkolleg in Viterbo erzogen und studierte im Collegium Romanum in Rom. 1832 erhielt Pecci den theol. Doktorgrad und trat dann in die Accademia dei nobili eccesiastici ein. 1837 wurde er päpstl. Hausprälat und 31. Dez. zum Priester geweiht, 1838 päpstl. Delegierter in der Provinz Benevent, 1841 zu Perugia, 1843 Erzbischof von Damiette in partibus und päpstl. Nuntius in Brüssel, 1846 Erzbischof von Perugia, 1853 unter Pius IX. Kardinal und 1877 Kardinal-Camerlengo. Nach dem Tode Pius' IX. 20. Febr. 1878 zum Papst gewählt und 3. März als L. XIII. gekrönt, wurde er vielfach, da er in Perugia mit den Behörden gut ausgekommen war und für einen Mann liberaler Richtung galt, als "Friedenspapst" begrüßt. Mit Energie und Umsicht beseitigte L. zunächst mancherlei Mißstände in der päpstl. Hofhaltung und in der Verwaltung der Finanzen. Sein Streben war in der That auf Wiederherstellung des Friedens und auf Versöhnung mit den Staatsgewalten gerichtet, aber er opferte diesem Zwecke nicht das Geringste von den päpstl. und kirchlichen Ansprüchen, wußte vielmehr durch kluges Diplomatisieren und unter der Gunst der Zeitumstände Vorteile zu gewinnen, namentlich in Preußen (s. d. und Deutschland und Deutsches Reich, Geschichte), wo er für Wiederbesetzung der erledigten preuß. Bischofssitze nach den Wünschen der Regierung sorgte. 1885 übernahm er die Vermittlerrolle im Streit des Deutschen Reichs mit Spanien wegen der Karolinen (s. d.), verlieh Bismarck den Christusorden in Brillanten, gestand schließlich die Anzeigepflicht für die vakanten Pfarreien zu und ließ sich 1887 sogar herbei, die Reichstagswahlen im Sinne der Regierung zu beeinflussen und auf die Abstimmungen des Centrums bezüglich des Septennats bestimmend einzuwirken. Die Regierung gestattete nun auch die Rückkehr mehrerer Orden, insbesondere der Schulschwestern; nur in Abwehr der Jesuiten blieb sie fest und wahrte die staatliche Schulaufsicht. Durch Wiedereröffnung der Priesterseminare, Genehmigung zahlreicher Ordensniederlassungen, Übertragung der Schulaufsicht an Geistliche und viele andere im stillen gewährte Vergünstigungen traten dann noch manche derartige Verbesserungen im Sinne des Papstes ein. Von den guten Beziehungen zu Deutschland zeugte auch der Besuch, den Kaiser Wilhelm II. 12. Okt. 1888 bei seiner Anwesenheit in Rom dem Papst abstattete, und den er 23. April 1893 mit der Kaiserin wiederholte. Beidemal fuhr der Kaiser von der preuß. Gesandtschaft beim Heiligen Stuhle aus nach dem Vatikan.

Nicht ganz so glücklich verliefen die Verhandlungen mit andern Staaten. Österreich blieb bei seiner