Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

89

Leo (Africanus) - Leo (Diakonus)

konfessionslosen Schule und neukirchlichen Gesetzgebung, in Ungarn wurde die Civilstandsgesetzgebung durchgeführt. In Belgien, dessen Klerus von L. im geheimen wegen seines Vorgehens gegen das neue Schulgesetz belobt, öffentlich vor der Regierung wegen seiner Haltung getadelt worden war, kam es 1880 zum Abbruch der diplomat. Beziehungen, die erst 1884 wiederhergestellt wurden. Frankreich gegenüber, wo die Jesuiten und alle nicht anerkannten Kongregationen durch die Dekrete vom 30. März 1880 ausgewiesen und den Ordensleuten 1884 der Unterricht in öffentlichen Schulen untersagt worden war, bewies L. trotzdem das größte Entgegenkommen und forderte alle Katholiken in einer Encyklika vom 16. Febr. 1892 auf, die Republik anzuerkennen. (S.Frankreich, Geschichte.) Die Beziehungen zu Rußland gestalteten sich zeitweilig günstiger, doch ohne zum erwünschten Ziele zu führen. Daraus, daß das Papsttum in dem Dreibund Italiens festeste Stütze sieht, ist wohl die Annäherung L.s an Rußland und Frankreich herzuleiten, denn dem Königreich Italien steht das Papsttum fast noch gerade so unversöhnlich wie vorher gegenüber, und die Beteiligung der gläubigen Katholiken an den polit. Wahlen ist nie von L. gestattet worden, wenn auch äußerlich das Verhältnis zwischen Vatikan und Kapitol etwas friedlicher geworden ist. Durch seine Einmischung in die irische Frage suchte L. sich (1882 und 1883) England zu verpflichten, und auch sonst hat er durch sein kluges diplomat. Vorgehen die unter seinem Vorgänger so bedrohte Lage der röm.-kath. Kirche gebessert. Besonders im Orient ist er fortgesetzt bemüht, den röm. Ritus zur Geltung zu bringen und die griech.-orthodoxe Kirche zur Unterwerfung unter Anerkennung der päpstl. Autorität zu bewegen.

Gleich in seiner ersten Encyklika, "Über die Übel der menschlichen Gesellschaft" (Ostern 1878), betonte L. die Notwendigkeit der weltlichen Herrschaft des Papstes. Wenn er auch dem Drängen eines Teiles seiner Umgebung, Rom zu verlassen, nicht nachgab, so wiederholte er doch von Zeit zu Zeit seine Klagen über den an dem Statthalter Christi begangenen Raub und über die Unerträglichkeit seiner Lage, begünstigte die in allen Ländern gehaltenen Katholikenversammlungen, die stürmisch die Wiederherstellung des Kirchenstaates verlangten, und verdammte die Schriften von Curci (s. d.), Tosti, Bonomelli (Bischof von Cremona), Toscanelli, Bonghi u. a., die sich für eine Versöhnung mit Italien aussprachen.

L. hat eine Reihe von Encykliken, meist selbstverfaßten Abhandlungen in elegantem Latein, veröffentlicht, so 1878 über die Socialisten, Kommunisten und Nihilisten, und über die maßgebende Autorität des heil. Thomas von Aquino in der Philosophie, woran sich 1880 die Veranstaltung einer neuen Ausgabe von dessen Werken und 1887 die Verdammung von 40 Sätzen des ital. Philosophen A. Rosmini anschloß, 1880 über die christl. Ehe, 1881 über die Staatsgewalt, 1883 über das Rosenkranzgebet, 1884 über die Freimaurerei, 1885 über die christl. Staatsverfassung, 1891 über die Arbeiterfrage, 1893 über das Bibelstudium, 1894 über die Anerkennung seines Primates. Dieses "oberhirtliche Testament" an alle Fürsten und Völker des Erdkreises richtet sich außer an die morgenländ. Christen insbesondere an die deutschen und engl. Protestanten. Durch ein Breve von 1886 bestätigte L. die Privilegien des Jesuitenordens. Durch eine Bulle organisierte er 1878 die bischöfl. Hierarchie in Schottland, 1880 in Ostindien und 1893 ernannte er Satolli zum päpstl. Delegaten in Nordamerika. Seinen mit viel Eifer betriebenen Unionsbestrebungen und Ausbreitungsversuchen traten in Deutschland der Evangelische Bund, in Amerika die American Protective Association, im Orient die Häupter der orthodoxen Kirche entgegen.

Ein Schreiben von 1883 an die Kardinäle de Luca, Pitra und Hergenröther handelte über die Notwendigkeit einer Restauration der Geschichtswissenschaft und des Geschichtsunterrichts. Daran schloß sich die sehr dankenswerte Erleichterung der Benutzung der Bibliothek und des Archives im Vatikan für auswärtige Gelehrte. L. selbst hat sich bis in die neueste Zeit als Dichter lat. Hymnen bekannt gemacht.

Am 31. Dez. 1887 beging L. sein 50jähriges Priester-, 19. Febr. 1893 sein 50jähriges Bischofsjubiläum.

L.s Allokutionen u. s. w. sind in folgenden Ausgaben erschienen: Sämtliche Rundschreiben des Heiligen Vaters L. (2 Sammlungen, Freib. i. Br. 1881, 1887), Leonis P. XIII. Allocutiones, Epistolae ect. (2 Bde., Brügge 1887), Leonis P. M. Epistolae encyclicae, constitutiones et epistolicae literae (Tur. 1892). - Ferner sind zu erwähnen: Leonis XIII carmina collegit atque italice interpretatus est Jer. Brunellius (Udine 1883); Inschriften und Gedichte, deutsch von E. Behringer (Regensb. 1887). - Vgl. de Waal, Papst L.s XIII. Leben (Münst. 1878); Bonghi, Leone XIII (Città di Castello 1884); O'Reilly, L. XIII. (Köln 1887); Brecht, Papst L. XIII. und der Protestantismus (2. Aufl., Barm. 1891); Weinand, L. XIII., seine Zeit, sein Pontifikat und seine Erfolge (2. Aufl., Köln 1892); Schlichter, Unsers Heiligen Vaters Papst L.s XIII. Leben (Münst. 1892); Galland, Papst L. XIII. Ein Lebensbild (2. Aufl., Paderb. 1893); T'Serclaes, Le pape Léon XIII (2 Bde., Lille 1894); Passerini, Leone XIII ed il suo tempo (Tur. 1895); Ricard, Léon XIII (Lille 1895).

Leo Africanus, arab. Schriftsteller, geb. gegen Ende des 15. Jahrh, wahrscheinlich zu Granada, hieß mit seinem arab. Namen Alhasan ibn Mohammed Alwazzân. Er durchzog fast ganz Nord- und einen Teil von Mittelafrika, Arabien, Persien, Syrien, Armenien und die Tatarei, wurde 1517 bei der Insel Dscherba (Tripolis) von Piraten gefangen und geriet an den Hof des Papstes Leo X., wo er zum Christentum übertrat. L. lebte nun mit einem päpstl. Gehalt abwechselnd zu Rom und Bologna. 1526 war er noch am Leben. Für die Kulturgeschichte des nordafrik. Islam von großer Wichtigkeit ist seine ursprünglich in arab. Sprache verfaßte "Beschreibung von Afrika", die nach der eigenen Handschrift des Verfassers in Ramusios "Raccolta" (Bd. 1, Vened. 1550) gedruckt wurde (lateinisch von J. Florianus, Antw. 1556; 2 Bde., Leid. 1632; französisch von Jean Temporal, Antw. und Lyon 1556; deutsch von Lorsbach, Bd. 1, Herborn 1805). Weniger Wert besitzt der (ursprünglich gleichfalls arabisch verfaßte) von Hottinger (Zür. 1664) herausgegebene "Tractatus de vitis philosophorum arabum". Auch ein arab.-span. Wörterbuch des L. ist handschriftlich erhalten.

Leo Diakonus, byzant. Schriftsteller, war Begleiter des Kaisers Basilius II. (976-1025) auf seinen langwierigen Feldzügen gegen die Bulgaren, und beschrieb die byzant. Geschichte der J. 959-975