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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Lippe (Fluß) - Lippe (Fürstentum)

Lippe, rechter Zufluß des Rheins in der preuß. Provinz Westfalen, entspringt am westl. Fuße des Lippischen Waldes (s. d.) aus zwei Quellen, von welchen die nördliche bei dem Dorfe Schlangen, die südliche bei Lippspringe in 141 m Höhe entsteht. Sie fließt in westl. Richtung und mündet, 255 km lang, bei Wesel. Der Fluß hat flache, oft überschwemmte Ufer, an der Mündung 65 m Breite, wird bei Neuhaus flößbar und ist von Lippstadt abwärts vermittelst 1-2 Schleusen schiffbar. Eine Kanalisierung der untersten Strecke von Dorsten bis Wesel ist geplant. In ihrem obersten Laufe nimmt die L. links die Alme (mit der Altena), später die Aasse und rechts die Stever auf.

Lippe, zum Unterschiede von dem Fürstentum Schaumburg-Lippe (s. d.) zuweilen Lippe-Detmold genannt, ein zum Deutschen Reiche gehöriges Fürstentum, seinem Flächengehalt nach der 17., seiner Einwohnerzahl nach der 18. Bundesstaat, bildet, abgesehen von kleinen Exklaven (Lipperode, Stift Kappel, Bauernschaft Grevenhagen), ein abgerundetes Ganzes, das auf drei Seiten von der preuß. Provinz Westfalen (Reg.-Bez. Minden) und im O. von dem preuß. Reg.-Bez. Cassel, der waldeckschen Grafschaft Pyrmont und Teilen der Provinz Hannover umschlossen wird, und hat einen Flächenraum von 1215,2 qkm. (S. die Karte: Hannover, Schleswig-Holstein, Braunschweig und Oldenburg, beim Artikel Hannover.)

Oberflächengestaltung, Bewässerung. Das berg- und waldreiche Land wird von dem von SO nach NW. streichenden Teutoburger Wald, hier auch Lippischer Wald (s. d.) genannt, durchzogen. Eine Naturmerkwürdigkeit bildet die unweit des Städtchens Horn belegene, unter dem Namen der Externsteine (s. d.) bekannte Felspartie. Die auf der nördl. Seite des Teutoburger Waldes entspringenden Flüsse (Werre mit Bega und Salze, Exter, Kalle und im SO. die Emmer) strömen der Weser, die auf 7-8 km im N. die Grenze des Landes bildet, im SW. die Nebenflüsse der Lippe dem Rhein zu. Die Ems hat ihren Ursprung in der Nähe der westl. Landesgrenze.

Bevölkerung. L. hatte 1880: 120 216, 1885: 12 3212, 1890: 128 495 (62 978 männl., 65 517 weibl.) E., d. i. 106 E. auf 1 qkm und eine Zunahme 1885-90 von 5283 Personen (4,3 Proz.). Auf die Wohnplätze von 2000 und mehr Einwohner kamen 25,4 Proz. der Gesamtbevölkerung. Dem Religionsbekenntnis nach waren 123 111 Evangelische, 4332 Katholiken, 58 andere Christen, 989 Israeliten; 130 Personen waren Reichsausländer; geboren waren 117 040 in L., 11 167 in andern Staaten des Deutschen Reichs und 288 im Ausland. Die Zahl der Geborenen betrug (1892) 4723, darunter 178 Totgeborene, die der Eheschließungen 1110, der Gestorbenen 2676. 1895 wurden 134 617 66 143 männl., 68 474 weibl.) E. gezählt, d. i. eine Zunahme seit 1890 um 6122 Personen (4,65 Proz.).

Land- und Forstwirtschaft, Bergbau. Hauptbeschäftigung der Bewohner ist die Landwirtschaft, obwohl der Boden des Landes nicht übermäßig fruchtbar ist. Wichtig ist die Viehzucht, und fettes Rindvieh, Schweine und Schafe nebst Wolle bilden einen beträchtlichen Ausfuhrartikel. Das Fürstentum gehört zu den holzreichsten Gebieten Deutschlands. In den Laubwaldungen (meist Eichen und Buchen), die an zwei Siebentel der Gesamtbodenfläche bedecken, wird ein ansehnlicher Hochwildstand an Hirschen und Rehen gehegt. Eigentlicher Bergbau fehlt gänzlich. Doch liefert die Saline zu Salzuflen Salz über den Bedarf. Die kohlensauren Mineral-, insbesondere Schwefelquellen zu Meinberg werden seit dem 18. Jahrh. benutzt.

In Bezug auf die bäuerlichen Güter und die etwa 30 Rittergüter gilt die Unteilbarkeit oder das Anerbe- und Majoratsrecht, so daß die nachgeborenen Kinder von dem elterlichen Grundbesitz keinen Naturalanteil, sondern nur eine Geld- oder Allodialabfindung erhalten. Daher kommt es, daß jährlich an 15 000, meist den Heuerlingen oder Einliegern angehörige Arbeiter ihre Heimat verlassen, um sich über Deutschland hinaus bis nach Dänemark, Norwegen und Schweden zu verbreiten und besonders in Ziegeleien ihren Unterhalt zu verdienen.

Industrie, Handel, Verkehrswesen. Die Garnspinnerei und Leinweberei sind als Nebengewerbe verbreitet, aber in neuerer Zeit durch die Maschinenarbeit sehr herabgedrückt. Fabriken und größere Gewerbsanlagen giebt es nur wenige. Der Handel ist ebenfalls ohne Bedeutung. Die Linien Herford-Detmold-Altenbeken und Hannover-Altenbeken der Preuß. Staatsbahnen durchziehen das Land. Eine Bahnlinie Lage-Lemgo-Hameln ist im Bau. Holz, Leinwand, Garn, Wolle, Getreide, Schlachtvieh, Stärke, Cigarren und Tabak, Meerschaumwaren (Lemgo) und Bier bilden Ausfuhrartikel. Die Landeskreditanstalt (Leihkasse genannt) ist 1782 gegründet.

Unterrichtswesen. Es bestehen 2 fürstlich evang. Gymnasien (Detmold und Lemgo), eine städtische Realschule (Salzuflen), ein Landesseminar mit Taubstummenschule (Detmold), 8 Rektorschulen, 2 höhere und 3 andere Mädchenschulen, 120 evang., 10 kath. und 8 israel. Elementar- und mehrere Gewerbeschulen; ferner eine Irrenanstalt (Brake) und ein Landkrankenhaus (Detmold).

Verfassung und Verwaltung. Das Fürstentum ist eine konstitutionelle, im Mannsstamm des lippischen Hauses erbliche Monarchie und 18. Aug. 1866 dem Norddeutschen Bunde beigetreten. Nach der Verfassung vom 6. Juli 1836, mit Abänderungen vom 8. Dez. 1867 und 3. Juni 1876, besteht der Landtag aus 21 Abgeordneten, von denen je 7 von den nach Steuerstufen in 3 Klassen geteilten Wählern in direkter, geheimer Wahl auf 4 Jahre gewählt werden. Zur Wahlberechtigung sind 25, zur Wählbarkeit 30 Lebensjahre erforderlich. Das Land bildet einen Reichstagswahlkreis (Abgeordneter Riekehof-Böhmer, konservativ). Die höchste Landesbehörde ist das Kabinettsministerium. Die Verwaltung der Forsten ist seit 1855 einer besondern Forstdirektion übertragen. Zum Zweck der Verwaltung, die von dem Regierungskollegium ausgeübt wird, ist das Land in vier Verwaltungsämter eingeteilt. Die sieben Städte (Barntrup, Blomberg, Detmold, Horn, Lage, Lemgo, Salzuflen) haben eigene Verwaltung und Polizei, die durch die Städteordnung vom 17. April 1886 geregelt sind. Seit 1869 ist das Domanium als fürstl. Fideïkommiß von dem Landeshaushalt völlig getrennt und wird von der fürstl. Fideïkommißverwaltung und Rentkammer verwaltet. Die Rechtspflege wird ausgeübt durch das Landgericht Detmold (s. d.); die höhere Instanz ist nach dem Vertrag vom 4. Jan. 1879 das preuß. Oberlandesgericht in Celle (s. d.).

Das Land zerfällt in 13 Ämter: Blomberg, Brake, Detmold, Hohenhausen, Horn, Lage, Lipperode, Örlinghausen, Schieder, Schötmar, Schwalenberg, Sternberg und Barntrup, Barenholz, mit insgesamt