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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Lippe (Fürstentum)

155 Gemeinden. Hauptstadt ist Detmold. Der Etat für 1893 ergiebt eine Einnahme von 1 103 659 M., eine Ausgabe von 1 134 577 M.; die Schuld betrug (Ende 1891) 810 398, das Vermögen 852 500 M.

Als oberste kirchliche Behörde wirkt ein Landeskonsistorium. An der Spitze der reform. Geistlichkeit stehen der Generalsuperintendent zu Detmold; die luth. Geistlichkeit vertritt ein Konsistorialrat. 1877 hat die evang. Landeskirche eine Synodalverfassung erhalten. Zum deutschen Heere stellt das Land das Füsilierbataillon des 6. westfäl. Infanterieregiments Graf Bülow von Dennewitz Nr. 55. Als gemeinschaftliches Ehrenzeichen für L. und Schaumburg-Lippe bestand das lippische Ehrenkreuz (s. d.); seit 1890 verleiht jedes der beiden Fürstentümer einen Hausorden für sich. Das Wappen zeigt in Silber eine rote fünfblätterige Rose mit goldenem Kelch, die Landesfarben sind Gelb-Rot.

^[Abb.]

Geschichte. Das jetzige Fürstentum L., das seinen Namen von dem Flusse L., den schon Tacitus Luppia nennt, erhalten hat, war in ältester Zeit von Cheruskern bewohnt, deren Fürst Arminius im Teutoburger Walde 9 n. Chr. die Legionen des röm. Statthalters Varus schlug. (S. Arminius.) Später bildete L. einen Teil des Sachsenlandes. In den Kriegen zur Unterwerfung der Sachsen schlug Karl d. Gr. bei Thiatmelli (Detmold) die vorletzte Entscheidungsschlacht. Als Landbezeichnung kommt L. urkundlich zuerst 1123 vor in dem Namen eines Bernhard de Lippia. Dessen Neffe, Bernhard II., als Feldherr Heinrichs des Löwen berühmt, erbaute Lippstadt. 1322 erwarb Simon I. wahrscheinlich durch Kauf den Hauptteil der Grafschaft Schwalenberg und 1399 Simon III. (1360-1410) die Grafschaft Sternberg. Noch wichtiger waren die Erwerbungen im Norden und Westen, die aber im 14. und 15. Jahrh. durch Erbteilungen, Familienzwist und Beteiligung an blutigen Fehden, namentlich der Soester, wieder verloren gingen. Simon V. (1511-36) nannte sich 1528 zuerst Graf und wurde 1529 als Reichsgraf bestätigt. Der heutige Bestand des Landes bildete sich im 16. Jahrh. Bernhard VIII. (1536-63) trat 1556 mit der Bevölkerung zur luth. Konfession über. Sein Sohn Simon VI. führte die reform. Konfession ein, die seitdem vorwiegt. Er teilte, obwohl schon Simon III. 1368 durch das pactum unionis das Erstgeburtsrecht eingeführt hatte, 1613 sein Land unter seine drei Söhne, von denen der älteste, Simon VII., die Hauptlinie Lippe-Detmold fortführte, der zweite, Otto, die brakische und der dritte, Philipp, nach Erwerbung der Grafschaft Schaumburg die Schaumburger oder Bückeburger Linie stiftete. (S. Schaumburg-Lippe.) Nach Aussterben der Linie Brake 1709 wurden die andern Linien beide 1748 als erbberechtigt anerkannt. Von der Hauptlinie zweigten sich dann noch die Nebenlinien Lippe-Biesterfeld (s. d.) und Lippe-Biesterfeld-Weißenfeld ab.

In der Hauptlinie wurde von Simons VII. Nachkommen Simon Heinr. Adolf 1720 in den Reichsfürstenstand erhoben und Friedr. Wilh. Leopold 1789 von Kaiser Joseph II. in dieser Würde bestätigt. Nach dem Tode Leopolds (1802) führte dessen Gemahlin Pauline (s. d.) für ihren unmündigen Sohn Paul Alexander Leopold die Regierung in ausgezeichneter Weise. Die Fürstin trat 1807 dem Rheinbunde und später dem Deutschen Bunde bei. Sie schaffte die Leibeigenschaft und größtenteils die Fronen ab und verordnete die Unabsetzbarkeit der Staatsdiener. Paul Alexander Leopold übernahm 4. Juli 1820 die Regierung und führte eine neue landständische Verfassung ein, die 6. Juli 1836 als Landesgrundgesetz veröffentlicht wurde. 1842 wurde das braunschw. Kriminalgesetzbuch eingeführt, und das Land trat dem Deutschen Zollverein bei. Als sich im März 1848 die polit. Bewegung auch in L. geltend machte, genügte der Fürst durch Patent vom 9. März den Volkswünschen, und es kam eine Reihe von Gesetzen zu stande, die das Staatswesen in friedlicher Weise umgestalteten. Die Vollziehung eines erweiterten Wahlgesetzes und eines Gesetzes über die Rechte der Abgeordneten erfolgte 16. Jan. 1849. Der Fürst starb 1. Jan. 1851, ihm folgte sein Sohn Leopold (s. d.), der 26. März 1853 die Verfassung von 1836 wiederherstellte. Unter Beihilfe seines neuen Kabinettsministers, des vormaligen oldenb. Staatsrats Hannibal Fischer, wurden die seit 1849 zu stande gekommenen Gesetze aufgehoben und die Ausführung des Ablösungsgesetzes sowie im Juni 1854 die Zusammenberufung der alten Stände eingestellt. Im Jan. 1856 trat der preuß. Regierungsrat von Oheimb als Kabinettsminister ein, der, unter Beibehaltung des verfassungswidrigen Standpunktes, mit einseitigen Veränderungen in Kirche und Schule vorging. 1866 hielt sich der Fürst zu Preußen und trat dann dem Norddeutschen Bunde bei. Nach Abschluß der 1. Okt. 1867 in Kraft getretenen Militärkonvention mit Preußen wurde Oheimb entlassen und durch Heldman ersetzt, der die Regierung in ähnlichem Sinne weiter führte, bis ihm im April 1872 von Flottwell (s. d.) folgte. Am 8. Dez. 1875 starb Fürst Leopold; ihm folgte sein Bruder Woldemar (s. d.), der ein neues Wahlgesetz mit dem Landtage vereinbarte. Der erste Landtag wurde 11. Dez. 1876 eröffnet und beriet eine Reihe von liberalen Gesetzen. Der Errichtung des Hermannsdenkmals (s. d.) auf der Grotenburg bei Detmold im Aug. 1875, dem Bau der Eisenbahn Herford-Detmold und der Detmolder Ausstellung im Sommer 1881 verdankte das Land einen erheblichen wirtschaftlichen Aufschwung. 1895 wurde die Eisenbahn Detmold-Altenbeken, 1896 die Linie Lage-Lemgo eröffnet. Am 20. März 1895 starb Fürst Woldemar ohne Leibeserben. Sein einziger noch lebender Bruder, der nunmehrige Fürst Alexander, mit dessen Tode die Hauptlinie des Hauses erlöschen wird, ist geisteskrank. Es mußte also eine Regentschaft eintreten. Um für diesen Fall Vorsorge zu treffen, hatte Fürst Woldemar 1890 dem Landtage einen Gesetzentwurf vorlegen lassen, wonach der Fürst befugt sein sollte, für den Fall seines Ablebens einen Regenten zu ernennen. Dieser Entwurf wurde jedoch zurückgezogen, weil der Landtag die Einsetzung eines Regentschaftsrates, dem außer dem vom Fürsten zu ernennenden Regenten noch zwei Abgeordnete angehören sollten, verlangte. Fürst Woldemar ernannte nun durch Verordnung vom Okt. 1890 für den Fall seines Todes den Prinzen Adolf von Schaumburg-Lippe zum Regenten des Fürstentums. Diese Verordnung wurde am