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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Lippe (Graf Leopold zur) - Lippen

Todestage des Fürsten veröffentlicht, an demselben Tage traf Prinz Adolf ein und übernahm die Regentschaft. Die Rechtsgültigkeit dieser Verordnung wurde jedoch vom Landtag bestritten und nach dem plötzlichen Tode des Kabinettsministers von Wolffgramm auch von der Regierung nicht mehr festgehalten. Nach langen Verhandlungen kam endlich das Gesetz vom 24. April 1895 zu stande, durch welches Prinz Adolf als Regent anerkannt wurde, und zwar bis zur Entscheidung der Thronfolgefrage, die mit der Regentschaftsfrage in enger Verbindung steht. Gegen die Erbfolge der nächsten agnatischen Linie, der von Lippe-Biesterfeld, hatte nämlich die Linie Schaumburg-Lippe Einspruch erhoben und eine Instanz, vor welcher der Streit zum Austrag zu bringen wäre, fehlte. Der Landtag erwirkte nun von der Regierung die Zusage, die Regelung der Thronfolgefrage auf reichsgesetzlichem Wege und zwar durch das Reichsgericht herbeizuführen. Die Regierung that die nötigen Schritte, drang jedoch beim Bundesrate nicht durch. Gegenwärtig besteht die Aussicht, daß ein Schiedsgericht, bestehend aus dem König von Sachsen und einer Anzahl von Mitgliedern des Reichsgerichts, zu stande kommt. Nach Entscheidung der Sache würde gemäß jenem Gesetze vom 24. April 1895 der Thronerbe die Regentschaft übernehmen.

Vgl. Schickedanz, Das Fürstentum Lippe-Detmold, geographisch-statistisch und geschichtlich (Hildesh. 1830); Falkmann, Beiträge zur Geschichte des Fürstentums L. (Bd. 1-5, Detm. 1847-87; Bd. 1, 2. Aufl. 1857); Preuß und Falkmann, Lippische Regesten (Bd. 1 u. 2, ebd. 1860-03); Weerth und Anemüller, Bibliotheca Lippiaca (ebd. 1886). Über die Frage der Erbfolge vgl. Zachariä und Zoepfl, Zwei Rechtsgutachten, die Ebenbürtigkeitsfrage im fürstl. und gräfl. Hause L. betreffend (Heidelb. 1875); H. Schulze, Aus der Praxis des Staats- und Privatrechts (Lpz. 1876); Laband, Die Thronfolge im Fürstentum L. (Freib. i. Br. 1891); Kahl, Die Thronfolge im Fürstentum L. (Münch. 1892); F. Köhler, Geschichte des fürstl. lippischen Wappens (Detm. 1893); E. H. W. Meyer, Teilungsverbot, Anerbenrecht und Beschränkung der Brautschätze beim bäuerlichen Grundbesitze L.s (Berl. 1895); Laband, Der Streit über die Thronfolge im Fürstentum L. (ebd. 1896); Kahl, Ebenbürtigkeit und Thronfolgerecht der Grafen zur Lippe-Biesterfeld (Bonn 1896).

Lippe, Graf Leopold zur, der Linie Biesterfeld-Weißenfeld angehörend, preuß. Justizminister, geb. 19. März 1815 zu See bei Görlitz, war Oberstaatsanwalt zu Berlin, als er 17. März 1862 in dem Ministerium Hohenlohe zum Justizminister ernannt wurde. Während des Verfassungskonflikts unterdrückte L. jede liberale Regung unter den zu seinem Ressort gehörenden Beamten und suchte selbst die Urteile der Gerichtshöfe in polit. Prozessen zu beeinflussen. Durch diese Eingriffe rief er die erbittertste Opposition hervor, die namentlich bei dem durch willkürliche Heranziehung von Hilfsrichtern ermöglichten Obertribunalsbeschluß gegen die parlamentarische Redefreiheit zum lebhaften Ausdruck kam. Am 5. Dez. 1867 wurde L. durch Leonhardt ersetzt und trat nunmehr im Herrenhause als Gegner Bismarcks auf. Er starb 8. Dez. 1889 in Berlin.

Lippe-Biesterfeld und Lippe-Biesterfeld-Weißenfeld, Grafen und Edle Herren zur, zwei Nebenlinien des Lippe-Detmoldschen Hauses aus der Nachkommenschaft des Grafen Jobst Hermann (gest. 1678), des fünften Sohnes des Grafen Simon VII. zur Lippe-Detmold, welche sich in den ersten Generationen Grafen zur Lippe-Sternberg-Schwalenberg nannten. Sie stehen somit dem Erstgeburtsrechte zufolge zwischen den regierenden Linien zu Detmold und Bückeburg. Jobst Hermanns Enkel, Friedrich Karl August und Ferdinand Johann Ludwig, waren die Begründer der beiden noch blühenden Linien, verzichteten auf ihre großväterlichen Erbbesitzungen gegen Überweisung einer Geldrente und nannten sich seit 1762 nach ihren Gütern im Lippischen Biesterfeld und Weißenfeld. Das jetzige Haupt der Biesterfelder Linie ist Graf Ernst, geb. 9. Juni 1842. Das Haupt der Weißenfelder Linie ist Graf Ferdinand, geb. 6. Okt. 1844. Zu dieser Linie gehörte Graf Leopold zur Lippe (s. d.), der ehemalige preuß. Staatsminister, ferner ein in Österreich lebender, der kath. Konfession angehörender Zweig, dessen Haupt Graf Egmont zur Lippe (geb. 10. Mai 1841) ist.

Lippe Biesterfeld-Weißenfeld, Arminius Graf zur, Landwirt, geb. 15. Okt. 1825 in der Oberlößnitz bei Dresden, war 1872-79 ord. Professor in Rostock und wohnt seitdem auf seinem Gute Ober-Schönfeld bei Bunzlau. L. schrieb: "Die landwirtschaftliche Buchhaltung" (Lpz. 1858), "Der landwirtschaftliche Ertragsanschlag" (ebd. 1862), "Der Landwirt in Bezug auf Familie, Gemeinde, Kirche und Staat" (ebd. 1863), "Lehrbuch der allgemeinen Landwirtschaft nach F. G. Schulzes System" (mit Emminghaus, ebd. 1863), "Die rationelle Ernährung des Volks" (ebd. 1866), "Nährstofftabelle" (Ehrenfriedersd. 1869 und Berl. 1871), "Die Grundsätze der Züchtung für den kleinern Landwirt zusammengefaßt" (2. Aufl., Ehrenfriedersd. 1869), "Landwirtschaftliches Lesebuch" (2 Tle., Dresd. 1871-75) und ein "Landwirtschaftliches Herbarium" (Rostock 1876-77), "Die drei werbenden Faktoren der Landwirtschaft. Natur, Arbeit und Kapital" (Dresd. 1892).

Lippehne, Stadt im Kreis Soldin des preuß. Reg.-Bez. Frankfurt, am Wandelsee, in der Nähe des Klopp- und Bandinsees, an der Stargard-Cüstriner Eisenbahn, Sitz eines Amtsgerichts (Landgericht Landsberg) und Steueramtes, hat (1895) 4010 (1890: 3911) meist evang. E., Post, Telegraph; Eisengießerei, Maschinenbauanstalt, Ackerpflug- und Rohrgewebefabrik.

Lippen (Labia), die beiden fleischigen Ränder der Mundspalte des Menschen. Sie bestehen aus einer muskulösen Grundlage, dem kreisförmigen Schließmuskel des Mundes (musculus sphincter oris), der nach außen von der Gesichtshaut, nach innen von der Schleimhaut der Mundhöhle überzogen wird und durch seine Zusammenziehung den Verschluß der Mundhöhle bewirkt; außerdem nehmen an der Bildung der L. zahlreiche Blutgefäße, Nerven und kleine Schleimdrüsen teil. Beide L. sind in ihrer Mittellinie durch eine kleine Schleimhautfalte, das sog. Lippenbändchen (fremulum labii), mit dem Zahnfleisch verbunden. Durch ihre zahlreichen Nerven und ihre zarte Epithelialbedeckung besitzen die L. eine feine Tast- und Temperaturempfindung. Während beim Gesunden der Lippensaum infolge seines Reichtums an Blutgefäßen hochrot erscheint, besitzt er bei blutarmen und bleichsüchtigen Personen eine blasse, bei herz- und lungenkranken eine bläuliche Färbung.