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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Livland - Livno

Tarent 272 v. Chr. röm. Gefangener, wurde Sklave und später Freigelassener des Marcus Livius Salinator, dessen Kinder er unterrichtete. Er verfaßte in einer noch rauhen und ungebildeten Sprache eine Übersetzung der "Odyssee" im altröm. saturnischen Versmaße und ebenfalls nach griech. Mustern eine große Anzahl von Trauerspielen sowie einige Komödien, welche in Rom (das erstemal 240 v. Chr.) auf die Bühne gebracht wurden. Kurz vor dem Siege bei Sena (207) wurde er beauftragt, einen Bittgang zu dichten, nach dem Siege ein Danklied. Die erhaltenen Bruchstücke seiner Werke sind von Düntzer (Berl. 1835) herausgegeben worden, die der dramat. Werke in Ribbecks "Scaenicae Romanorum poesis fragmenta“ (2. Aufl., 2 Bde., Lpz. 1871-73) sowie in "Livi Andr. et Naevi fabularum reliquiae", hg. von Luc. Müller (Berl. 1885).

Livland oder Liefland, russ. Lifljandskaja gubernija, lettisch Widseme, Gouvernement im nordwestl. Rußland, die mittlere der drei Ostseeprovinzen (s. d.), grenzt im W. an den Rigaischen Meerbusen, im N. an Esthland, im NO. an das Gouvernement Petersburg, im O. an Pskow, im SO. an Witebsk und im S. an Kurland, hat 47030 qkm, wovon auf Inseln in der Ostsee (Ösel, Mohn, Kühnö, Runö u. a.) 2898 qkm, auf Binnenseen 1491,6 qkm kommen, mit 1319796 E., d. i. 28 auf 1 qkm. Aus Esthland her ziehen sich nach L. flache Höhen (bis 120 m), die sich vor dem Wirzjärw in einen westlichen, den Fellinschen Zweig (60-135 m), und einen östl. Zweig (durchschnittlich 150 m), die Wasserscheide zwischen Wirzjärw und Peipussee, teilen. Südlich von Werro zieht sich das Haanhofsche Flachgebirge mit dem Munnamäggi (Eierberg, 324 m), es setzt sich nach O. im Teufelsberg u. s. w., nach SW. zwischen der Aa und Düna fort, wo es die sog. Wendensche oder Livländische Schweiz bildet, mit dem Gaising (314 m). Niederungen sind längs des Rigaischen Meerbusens, der Flüsse Pernau und Salis, am Unterlauf der Aa und der Düna und um den Wirzjärw und den Peipussee. L. hat gegen 325 Flüsse und gegen 1000 Seen; von den letztern kommen mehr als die Hälfte auf den Kreis Wenden. Der nördl. Teil des Landes und die Inseln gehören der silurischen, das übrige der devonischen Formation an; überall finden sich erratische Blöcke. Das Klima ist feucht mit häufigen Nebeln und sehr veränderlichen Windrichtungen. Das Mineralreich liefert Kalk, Gips, Alabaster, Marmor, Torf und Sumpfeisen. Der Boden ist lehmig und sandig; 18,5 Proz. sind Acker-, 24,4 Wald- (Kiefern und Fichten), 41,5 Wiesen und Weide-, 15,6 Unland. Die Bewohner heißen Livländer und bestehen aus Deutschen (7,87 Proz., der Adel, die evang. Geistlichkeit und die Bürgerschaft in den Städten), Russen (4,71, Beamte, Kaufleute, Arbeiter in den Städten und Fischer am Peipussee), Israeliten (2,4), Letten (42,72) und Esthen (41,49). Letztere beiden bilden die meist in Einzelhöfen wohnende Bauernbevölkerung, und man unterscheidet nach ihnen ein südliches, lettisches, und ein nördliches, esthnisches L. Der Religion nach sind 81,6 Proz. Protestanten, 13,4 Proz. griechisch-katholisch, 1 Proz. römisch-katholisch. Die Hauptbeschäftigung ist Ackerbau, Viehzucht, Jagd und Fischerei. Gebaut werden besonders Roggen, Hafer, Kartoffeln, Flachs. Es giebt 591 Fabriken mit 18380 Arbeitern und 43,7 Mill. Rubel Produktion, darunter 301 Brennereien und Brauereien, 18 Maschinen- und Drahtfabriken, 41 Sägemühlen, 12 Tuch-, 16 Tabak-, 8 Papierfabriken u. s. w. Der Handel konzentriert sich neben Pernau, Dorpat (Jurjew), Arensburg besonders in Riga. Die Ausfuhr beläuft sich (1892) auf 60,7 Mill., die Einfuhr auf 23 Mill. Rubel. Ausgeführt werden: Petroleum, Haare, Flachs und Leinsamen, Hanf, Getreide, Bauholz; eingeführt: Heringe, Salz, Steinkohlen, Wein, Kolonialwaren, Eisen, landwirtschaftliche und andere Maschinen. An Eisenbahnen sind vorhanden 548 km; an Unterrichtsanstalten eine Universität (in Dorpat), 13 männliche, 13 weibliche Mittelschulen, 9 Specialschulen (das Polytechnikum in Riga, das Veterinärinstitut und Lehrerseminar in Dorpat u. a.), 1896 niedere und Elementarschulen. L. zerfällt in 9 Kreise: Riga, Fellin, Jurjew (Dorpat), Ösel, Pernau, Walk, Wenden, Werro und Wolmar. Hauptstadt ist Riga. (S. Karte: Westrußland, beim Artikel Rußland.)

Geschichte. L. wurde dem übrigen Europa erst durch Lübecker Kaufleute bekannt, die um die Mitte des 12. Jahrh, von Wisby aus Fahrten an die Dünamündung unternahmen. 30 Jahre später war der Augustinermönch Meinhard zur Bekehrung der dortigen Bewohner thätig. Bischof Albert baute 1201 die Stadt Riga und gründete 1202 den Schwertorden (s. d.), der seit 1237 mit dem Deutschen Orden verbunden, ganz L., Kurland mit Semgallen und Esthland unterwarf. (S. Deutsche Ritter, Bd. 5, S. 52b.) Beim Zerfall des Ordens wurde L. 1561 poln. Provinz, während Esthland sich in demselben Jahre an Schweden angeschlossen hatte. In dem im Sept. 1629 mit Polen geschlossenen Waffenstillstand erwarb Gustav Adolf auch L., doch wurde es definitiv erst 1660 im Frieden zu Oliva an Schweden abgetreten. Im Nordischen Krieg unterwarfen sich L. und Esthland 1710 Peter d. Gr., und im Frieden zu Nystad (1721) verzichtete Schweden auf diese Provinzen. Trotz der ihnen bei ihrer Unterwerfung für ewige Zeiten zugesicherten Rechte: der Gewissensfreiheit, der deutschen Obrigkeit, der eigenen Verwaltung und Justiz, wird in den Ostseeprovinzen, besonders seit 1881, eine rücksichtslose Russifizierung mit Glaubensverfolgung und Vernichtung der Selbstverwaltung durchgeführt. (S. Ostseeprovinzen.) - Vgl. von Bray, Essai sur l‘histoire de la Livonie (3 Bde., Dorp. 1819); Schlözer, L. und die Anfänge deutschen Lebens im balt. Norden (Berl. 1850); Liv-, Esth- und Kurländisches Urkundenbuch (begründet von Bunge, fortgesetzt von Hildebrand, Bd. 1-9, Reval und Riga 1852-89); Willkomm, Streifzüge durch die balt. Provinzen (Bd. 1: Liv- und Kurland, Dorp. 1872); Fahne, L. Ein Beitrag zur Kirchen- und Sittengeschichte (Düsseld. 1875); Eckhardt, L. im 18. Jahrh. (Bd. 1, Lpz. 1876); Winkelmann, Bibliotheca Livoniae historica (2. Aufl., Berl. 1878); Bienemann, Die Statthalterschaftszeit in L. und Esthland 1783-96 (Lpz. 1886); Karlberg, Statist. Jahrbuch des Gouvernements L. (russisch, Riga 1886); O. Harnack, L. als Glied des Deutschen Reichs vom 13. bis 16. Jahrh. (Berl. 1891); Müller, Die livländ. Agrargesetzgebung (Riga 1892). Über die Litteratur s. auch Ostseeprovinzen.

Livno, auch Ljevno oder Chljevno, bei den alten Chronisten Chleviana und Clevna, befestigte Stadt und Hauptstadt des Bezirks L. (27513 E.) im bosn. Kreis Travnik, hat (1885) 4535 E., darunter 2018 Mohammedaner, und bedeutenden Handel. Die Ebene von L. (Livanjsko