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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Londonderry (Marquiswürde)

1 qkm, gegen 164 714 im J. 1881 und 222 174 im J. 1841. 44 Proz. der Bevölkerung sind katholisch. Die Zahl der Auswanderer betrug (1892) 1053. Eine Bergkette, welche von Magilligan-Point an der Einfahrt des Lough-Foyle südwärts zieht und im White-Mountain 603 m aufsteigt, teilt die Grafschaft in zwei Teile, den östlichen, Kreide, Tertiär und vulkanische Bildungen, mit dem Thale des Bann, und den westlichen, vorwiegend Silur, mit den Thälern des Roe, Fanghan und Foyle. Das Sperringebirge an der Südwestgrenze erreicht im Sawel 683 m Höhe. Zwei Fünftel des Landes bestehen aus Ebenen und Thälern. Die Berggegenden sind größtenteils wild und unfruchtbar, voll sumpfiger, unzugänglicher Schluchten. Haupterzeugnisse sind Hafer, Kartoffeln, Flachs, Gerste und Weizen. Die Viehzucht ist nicht bedeutend. Die Industrie beschränkt sich auf Leinwand- und Baumwollfabrikation, ansehnliche Lachs- und Aalfischerei. Die Grafschaft schickt zwei Mitglieder in das Parlament. Neben der Hauptstadt ist Coleraine (s. d.) wichtig. - 2) Hauptstadt der Grafschaft L., Municipalstadt und Parlamentsborough, am linken Ufer und 4 km von der Mündung des Foyle (s. d.) in den Lough-Foyle und an drei Bahnlinien gelegen, ist Sitz eines kath., eines prot. Bischofs und eines deutschen Konsuls, nächst Belfast der bedeutendste Hafenplatz im nördl. Irland. Die Stadt hat (1891) 32 893 E. gegen 29 162 im J. 1881 und 14 030 E. im J. 1841, seit 1614 bastionierte Mauern, die zu öffentlichen Spaziergängen dienen, eine schöne got. Kathedrale von 1633, jetzt erneuert, einen großen bischöfl. Palast, eine Gerichtshalle mit ion. Portikus, ein Stadthaus, auf dem Hauptplatz ein Grafschaftsgefängnis, Kranken-, Irren- und Armenhaus, ein akademisches Institut sowie eine Lateinschule. Brennerei, Brauerei, Gerberei, Eisengießerei, Schiffbau, Leinenindustrie, Salmfischfang und Schiffahrt sind die wichtigsten Erwerbszweige. Lebhaft ist der Schiffsverkehr namentlich mit den Clydehäfen. - L. ist eine uralte Stadt (546 gründete Columba hier ein Kloster), 1613 wurde sie von Londoner Kaufleuten neu erbaut. Denkwürdig ist die Belagerung von 1690, welche sie sieben Monate lang unter Hauptpastor Walker und Major Baker gegen Jakob II. aushielt und an welche eine 30 m hohe Säule erinnert.

Londonderry (spr. lönnd'ndérri), irische Marquiswürde in der von Schottland im 17. Jahrh. nach Irland übergesiedelten Familie Stewart. Robert Stewart wurde 1789 zum Baron Stewart, 1795 zum Viscount Castlereagh, 1796 zum Grafen und 1816 zum Marquis von L. erhoben und starb 8. April 1821.

Sein Nachfolger war sein Sohn Henry Robert Stewart, geb. 18. Juni 1769, bekannt als Viscount Castlereagh, wie er bis 1821 hieß. Er war der führende engl. Staatsmann zur Zeit der Befreiungskriege und in der folgenden Reaktionsepoche. Nach seinen Studien in Cambridge und Reisen auf dem Kontinent trat er für die Grafschaft Down ins irische Unterhaus und schloß sich nach anfänglicher Opposition an Pitt an. 1797 wurde er irischer Schatzlord, vertrat aber schon die Stelle eines ersten Sekretärs in der Verwaltung, als 1798 die große irische Rebellion ausbrach (s. Irland, Bd. 9, S. 690 a), an deren blutiger und grausamer Unterdrückung er energischen Anteil nahm. Mit voller Überzeugung trat er im irischen Unterhaus Pitts Unionsplan bei und half eifrig bei der allseitigen Bestechung durch Geld und Würden, mit der der schließliche Sieg (1800) erkauft wurde. Unter Addington wie in Pitts zweitem Ministerium blieb Castlereagh im Amt und trat nach des letztern Tod 1806 zur Opposition gegen Fox und Grenville. Unter Portland übernahm er 1807 das Auswärtige; da aber sein Genosse Canning ihm die Schuld an der mißglückten Expedition gegen Walcheren 1809 beimaß, kam es zu einem Zerwürfnis, das im Sept. 1809 mit einem Pistolenduell und beider Rücktritt endete. Als 1812 das langjährige Toryministerium Liverpool ans Ruder kam, wurde Castlereagh als Staatssekretär des Auswärtigen und Führer im Hause der Gemeinen für ein Jahrzehnt der eigentlich leitende Geist der Regierung. Er überragte geistig kaum seine Genossen in diesem Ministerium der Mittelmäßigkeiten und war von großer Unwissenheit, besonders in den von ihm so stark beeinflußten festländischen Angelegenheiten; was ihn auszeichnete waren rücksichtslose Entschlossenheit und zähe Beharrlichkeit. Offen und insgeheim betrieb er nach allen Seiten unterhandelnd den Sturz Napoleons; er stand im Mittelpunkt der Verbindungen mit Spanien, Italien, Deutschland, Schweden und Rußland und nahm auf dem Kongreß zu Châtillon (s. d.), bei den Verhandlungen, die zum ersten Frieden von Paris führten, auf dem Wiener Kongreß, nach den Hundert Tagen, überall in der brit. Politik die leitende Stelle ein. In Wien hielt er zu Frankreich und Österreich gegen die Ostmächte; er war ein Anhänger des starren Legitimitätsprincips und Förderer der ganzen festländischen Reaktionspolitik, der er auch in der innern Staatsleitung Englands Geltung zu schaffen suchte. 1822 begann seine Gesundheit zu wanken, die dauernden Anstrengungen und Aufregungen führten zu Geistesstörungen, und während er sich zur Reise zum Fürstenkongreß von Verona vorbereitete, durchschnitt er sich in einem unbewachten Augenblick mit einem Federmesser die Schlagader am Halse und starb 12. Aug. 1822. Seine "Memoirs and correspondence" gab sein Bruder Ch. W. Vane, Marquis von L. (Bd. 1-4, Lond. 1848; second series, Bd. 5-8, ebd. 1851; third series 1853), heraus. Die Biographie von Alison, Lives of Lord Castlereagh and Sir Charles Stewart, second and third Marquises of L. (3 Bde., Lond. 1862), ist übertrieben panegyrisch.

Ihm folgte sein Halbbruder Charles William Stewart-Vane, geb. 18. Mai 1778, als dritter Marquis von L., bis dahin als Sir Charles Stewart bekannt, der nach seiner Heirat mit Lady Fanny Vane (1819) seinen Familiennamen mit dem ihrigen verknüpfte. Er trat 1791 in die Armee und diente seit 1808 als Generalmajor in Spanien, wo er sich unter Wellington ganz besonders hervorthat. Seit 1813 im diplomat. Dienst verwendet, führte er als brit. Bevollmächtigter in Reichenbach (s. d.) die Verhandlungen mit den Verbündeten, nahm im Hauptquartier Bernadottes teil an dem Freiheitskriege, war einer der drei brit. Bevollmächtigten auf dem Kongreß zu Châtillon (s. d.) und unterzeichnete 1814 den ersten Pariser Frieden. Zum Lohn wurde er 1814 zum Lord Stewart erhoben und folgte 1822 in der Marquiswürde seinem Bruder. Er stand ganz in dessen engherzigen Torygrundsätzen und zerfiel mit Canning wegen seiner Hingabe an die Heilige Allianz, so daß dieser ihn von seinem Posten eines außerordentlichen Bevollmächtigten in Wien abberief. Im Oberhause focht er gegen Katholiken-^[folgende Seite]