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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Magnetismus

hörige Hälfte zeigt sich nordpolarisch, die ganze andere Hälfte südpolarisch. Zerbricht man jedoch einen solchen Stab in der Mitte, so stellt jede Hälfte sofort wieder einen vollständigen Magneten dar, der an dem einen Ende einen Nord-, an dem andern einen Südpol und in der Mitte einen Indifferenzgürtel besitzt. In wie kleine Stücke man einen Magneten auch zerbrechen mag, immer zeigt sich dieselbe Erscheinung. Coulomb nahm (1789) zur Erklärung der magnetischen Erscheinungen zwei unwägbare (s. Imponderabilien) magnetische Flüssigkeiten (eine nördliche und eine südliche) an, die im Eisen und Stahl, solange sie nicht magnetisch, in jedem Teilchen in gleicher Menge miteinander verbunden wären. Beim Magnetisieren derselben sollten dann diese beiden Flüssigkeiten in jedem Teilchen so geschieden werden, daß die nordmagnetischen Flüssigkeiten in allen Teilchen nach der einen, die südmagnetischen aber nach der entgegengesetzten Richtung gewandt wären; ein Übergang dieser Flüssigkeiten ans einem Eisen- oder Stahlteilchen in die andern benachbarten darf, wie der erwähnte Versuch über das Zerbrechen eines Magnetstabes zeigt, nicht angenommen werden und die magnetischen Flüssigkeiten verhalten sich also wie die elektrischen Flüssigkeiten in Nichtleitern der Elektricität. Nur durch das Zusammenwirten aller nach einer Seite wirkenden nordmagnetischen Flüssigkeiten erhält das an dieser Seite gelegene Ende des Stabes einen Nordpol und dnrch das Zusammenwirken aller nach der entgegengesetzten Seite gerichteten südmagnetischen Flüssigkeiten dieses letztere Ende einen Südpol. Im weichen Eisen steht dieser Scheidung der beiden Flüssigkeiten kein Hindernis entgegen, aber auch ebenso wenig ihrer Vereinigung, wenn sie geschieden waren. Daher nimmt das Eisen in der Nähe eines Magneten sogleich einen starken M. an, verliert ihn aber augenblicklich wieder, sobald es von ihm entfernt wird. Im Stahl dagegen tritt dieser Scheidung und ebenso der Wiedervereinigung der beiden Flüssigkeiten ein um so größeres Hindernis entgegen, je härter derselbe ist; man nennt diesen Widerstand des Eisens und Stahls gegen das Magnetischwerden und Entmagnetisieren Koercitivkraft oder Retentionskraft (nach Lamont). Je kohlenfreier und weicher das Eisen, desto kleiner ist die Koercitivkraft; je härter der Stahl, desto größer ist seine Koercitivkraft. Um einen harten Stahlstab zu magnetisieren, bedarf man daher der Einwirkung eines starken Magneten; aber auch nach der Entfernung des letztern bleibt der Stahlstab magnetisch.

Später ersetzten die Gegner unwägbarer Materien oder Fluida diese Hypothese durch die Annahme, jeder Magnet entstehe aus fertigen, wirr durcheinander liegenden Elementchen, die alle durch das Magnetisieren mit ihren gleichnamigen Polen nach derselben Richtung gedreht werden, und zwar um so leichter, je kleiner die Koercitivkraft der Materie ist. Als durch Örsted 1820 ein Zusammenhang zwischen der magnetischen und elektrischen Kraft nachgewiesen war, ging schon im folgenden Jahre Ampere noch einen Schritt weiter und zeigte, daß alle magnetischen Erscheinungen sich erklären lassen, wenn man elektrische Ströme annimmt, die jedes Teilchen senkrecht zur Längsachse des Magneten umkreisen. (S. Elektromagnetismus und Elektrodynamik.) Die unter dem Namen M. zusammengefaßten Wirkungen übt ein Magnet nicht nur auf Eisen und Stahl, sondern auch auf einige andere Metalle, wie Nickel, Kobalt, Mangan u. s. w., aus; man nennt daher diese Metalle, die von einem Magneten zufolge des in ihnen hervorgerufenen M. angezogen werden, magnetische Metalle (Paramagnete). Ein Magnet übt außerdem auch auf gewisse Körper, z. B. Wismut, Antimon, Zink, Zinn u. s. w., Abstoßung aus; man bezeichnet dieselbe mit dem Namen des Diamagnetismus (s. d.). Diese diamagnetische Einwirkung wird auch noch sichtbar durch die Drehung der Polarisationsebene, die ein polarisierter Lichtstrahl bei seinem Gange durch einen zwischen den Polen eines Magneten angebrachten durchsichtigen Körper erleidet. In Deutschland haben sich um die Lehre vom M. außer A. von Humboldt, Gauß und W. Weber auch noch Plücker, Wiedemann u. a. verdient gemacht. - Über den sog. Lebensmagnetismus s. Tierischer Magnetismus.

Magnetismus der Erde, Erdmagnetismus, die magnetische Kraft der Erde. Wird an einem beliebigen Punkt der Erdoberfläche eine Magnetnadel frei aufgehängt, so nimmt sie stets eine ganz bestimmte Richtung an und kehrt, wenn sie aus dieser Richtung abgelenkt wurde, mit mehr oder weniger intensiven Schwingungen allmählich in dieselbe zurück. Es kann nur die Erde selbst sein, die der sich überlassenen Magnetnadel mit einer gewissen Kraft oder Intensität die Richtung anweist. Die Erde erscheint hiernach als ein gewaltiger Magnet. Da nun die ungleichnamigen Magnetpole sich anziehen, während die gleichnamigen sich abstoßen, und da der Nordpol jeder Magnetnadel immer nach Norden weist, so ist der magnetische Südpol der Erde in nördl. Gegenden derselben, der magnetische Nordpol in südlichen zu suchen. Doch bezeichnet der Sprachgebrauch längst den magnetischen Pol der nördl. Halbkugel als den nördlichen und umgekehrt. Die Richtung einer um eine Vertikalachse drehbaren Magnetnadel fällt im allgemeinen nicht mit der des astron. Meridians des Beobachtungspunktes zusammen, sie bildet vielmehr mit ihr einen Winkel, der Abweichung, Deklination oder auch Variation der Magnetnadel genannt wird. Werden die Punkte, wo die Deklination denselben Winkelwert besitzt, durch Kurven miteinander verbunden, so überzieht sich die Erdoberfläche mit einem System sog. isogonischer Linien oder Isogonen und zerfällt in Gebiete östl. und westl. Deklination, je nachdem die Deklination nach Ost oder West vom astron. Meridian abweicht. Die Grenzlinien dieser Gebiete, wo die Deklination den Wert Null annimmt, heißen Agonen oder Nullisogonen. - Eine durch die Längsachse der ruhenden Magnetnadel gelegte Vertikalebene schneidet auf der Erdoberfläche die Linie des magnetischen Meridians aus. Indem man wie üblich den Äquator in 360 Grade teilt und von jedem Teilpunkte mit der Magnetnadel polwärts rückt, erhält man das System der magnetischen Meridiankurven. Läßt man endlich die Magnetnadel in der Meridianebene um eine horizontale Achse pendeln, so neigt sie sich in der Ruhelage um einen bestimmten Winkel polwärts unter die Horizontallinie; dieser Winkel heißt die magnetische Inklination oder Neigung. Die Verbindungslinien aller Punkte der Erde mit gleicher Inklination heißen isoklinische Linien oder Isoklinen. Die Linie, längs der die nördl. Inklination in die südliche übergeht, also den Wert