Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Mandschu; Mandschurei; Mandschuren

545

Mandschu – Mandschuren

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Mandry'

röm. Rechts in Tübingen, 1884 Mitglied der ersten Kommission für die Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich in Berlin, nahm 1889 seine Lehrthätigkeit wieder auf und wurde 1890 zum Mitglied der zweiten Commission für Revision des genannten Entwurfs ernannt. Er schrieb namentlich: «Das Urheberrecht an litterar. Erzeugnissen und Werken der Kunst» (Erlangen 1867), «Über Begriff und Wesen des Pekulium» (Festschrift, Tüb. 1869), «Das gemeine Familiengüterrecht mit Ausschluß des ehelichen Güterrechts» (Bd. 1 u. 2, ebd. 1871–76), «Der civilrechtliche Inhalt der Reichsgesetze» 3. Aufl., Freib. i.Br. 1885). An dem «Archiv für civilistische Praxis» ist M. seit 1879 als Mitherausgeber beteiligt.

Mandschu oder Mandschuren, ein Hauptzweig des turanischen Volksstammes der Tungusen, ursprünglich Bewohner der Mandschurei, seit 1644 Beherrscher von China, treten in dessen Geschichte schon sehr früh, seit 925, als Unterthanen des großen Reichs der Khitanen auf, wurden damals von den Chinesen Ju-tsche oder Niu-tsche, von den Mongolen, Türken und Persern Dschurdschi oder Tschurtschi (bei Marco Polo Giorza) genannt und wohnten als Nomadenvolk zwischen dem Amur im Norden und Sungari im Westen. Die M. empörten sich 1114 gegen die Khitanen. Ihr Häuptling Aguta (Okota) ließ sich 1115 zum Kaiser ausrufen, gab seiner Dynastie den Namen Kin (Gold), eroberte das ganze, östliche Mittelasien umfassende Khitanenreich und starb 1123. Seine Nachfolger eroberten 1125 einen großen Teil Chinas mit der Hauptstadt Jenking (dem jetzigen Peking), die sie Tschungtu, d.h. Kaiserstadt der Mitte, nannten. Die Mongolen fielen jedoch von der Dynastie Kin ab; Dschingis-Chan machte seit 1205 wiederholte Plünderungszüge in das Reich derselben und eroberte 1215 sogar Jenking. Seine Nachfolger machten 1234 dem Reiche völlig ein Ende, nachdem die Dynastie Kin unter neun Souveränen 108 Jahre geherrscht. Die Niu-tschi wanderten aus China aus und fanden in Liau-tung, einem Erblande der chines. Dynastie, Aufnahme. Mehrere Jahrhunderte später erscheinen sie jedoch unter dem nach Ursprung und Bedeutung unbekannten Namen M. aufs neue in China. Ihr Fürst Tai-tsu, dessen Geschlecht auf einen wunderbar erzeugten Stammvater Aischin Gioro zurückgeführt wird, tritt als Kriegsheld und Gesetzgeber auf. Er hatte im ersten Viertel des 17. Jahrh. viele unabhängige Stämme der Tungusen unterworfen, die sich als M. zu einem Volke vereinigten und schnell ihre Herrschaft über alle Länder von der Grenze Chinas bis zum Amurstrom ausdehnten. Tai-tsu kündigte nun der chines. Dynastie Ming 1616 den Gehorsam auf, und sein Nachfolger Tai-tsong führte bereits den Titel des Gebieters des Mittelreichs. Endlose Wirren im Reiche der Ming beförderten die ehrgeizigen Pläne der M. Sie eroberten 1644 Peking und nach langem Kampfe ganz China.

Die M. in der Mandschurei treiben nur in den südl. Gegenden Ackerbau und Gewerbe, in dem bei weitem größern nördl. Teile leben sie als nomadisierende Hirten, Jäger und Fischer. Die mit der Dynastie nach China übergesiedelten, einen Teil des Beamten- sowie den größern des Mittelstandes bildenden M. haben die chines. Civilisation angenommen. Die mandschurische Dynastie hat es sich angelegen sein lassen, durch Übersetzungen chines. Werke eine mandschurische Litteratur zu schaffen. Die ↔ Schrift der M., 1599 aus der mongolischen gebildet, wird, wie diese, von oben nach unten in rechtslaufenden Kolumnen geschrieben. Ein Wörterbuch der Mandschusprache lieferte Amyot, das Langlès (3 Bde., Par. 1789–91) herausgab, jetzt weit übertroffen von Zarachow, Vollständiges mandschurisch-russ. Wörterbuch (Petersb. 1875). Grammatiken verfaßten von der Gabelentz (Altenburg 1833), Kaulen (Regensb. 1856), L. Adam (Par. 1873), Joh. Zacharow (Petersb. 1879); Chrestomathien Klaproth (Par. 1828) und Wassiljew (Petersb. 1863). Eine Ausgabe der Mandschu-Übersetzungen des Sse-schu, Schu-king und Schi-king mit mandschu-deutschem Wörterbuch besorgte von der Gabelentz (2 Hefte, Lpz. 1864). – Vgl. Plath, Geschichte Ostasiens, I: Die Völker der Mandschurei (2 Bde., Gött. 1830–31); de Harlez, Manuel de la langue mandchoue (Par. 1884); James, The Long White Mountain, or a journey in Manchurin (Lond. 1888); Roß, The Manchus, or, the reigning dynasty of China: their rise and progress (ebd. 1891).

Mandschurei, der im W. von der Mongolei, im N. vom Amur, im O. vom russ. Gebiet und Korea, im S. von Korea und dem Gelben Meere begrenzte Teil des Chinesischen Reichs. Zur M. im weitern Sinne wird auch die russ. Amurprovinz gerechnet. Das Land ist großenteils gebirgig, aber gut bewässert, besonders durch den Amur und seine Nebenflüsse Sungari und Ussuri, sowie durch den Liau-ho (s. d.), in den Thälern fruchtbar, im nördl. Teile schwach bevölkert, zum Teil sogar menschenleer. Der südl. Teil hat ein günstigeres Klima, ist fruchtbar und bebaut; man baut Weizen, Gerste, Reis, Hirse, Mohrhirse, Mais, Bohnen, Erbsen, Kartoffeln, Mohn, Indigo, Tabak, Sesam, Hanf und Baumwolle; doch ist wegen der trocknen, kalten Winter auf eine zweite Ernte nicht zu rechnen. Hinsichtlich der Viehzucht ist namentlich die bedeutende Zucht und Ausfuhr einer besonders großen Art von Schweinen hervorzuheben. Große Wälder bedecken im N. einen großen Teil des Landes. An Wild und Geflügel fehlt es nicht, und die Flüsse sind reich an Fischen. Tiger von gewaltiger Größe, Bären u.s.w. giebt es in Menge. Als die vier Kostbarkeiten des Landes gelten Perlen, Ginseng, Geierfalken und Zobel. Die chinesische M., von den Chinesen Tung-san-schöng (d.h. «Die drei östl. Provinzen») genannt, umfaßt 942000 qkm und wird in drei Provinzen geteilt: Sching-king, Kirin oder Tschilin und Holung-kiang oder Helung-kiang, auch Sachalijan-ula (s. Zizichar und Aigun) genannt. Die Bevölkerung wird auf 7½ Mill. geschätzt, von denen etwa 5 Mill. auf Sching-king kommen. Die Provinzen Holung-kiang und Kirin, die erstere mit der Hauptstadt Zizichar (s. d.), die andere mit der Hauptstadt Kirin (120000 E.), haben rein militär. Verwaltung und stehen jede unter einem kommandierenden General, die von dem in Mukden residierenden Generalgouverneur der ganzen M. abhängig sind. Die wichtigsten Orte sind außer den Hauptstädten Mukden (zugleich Hauptstadt der ganzen M.), Kirin und Zizichar: Jen-den oder Hing-king mit den Gräbern der frühern Mandschuherrscher, Niu-tschwang und Kin-tschou in Sching-king, Ninguta und Pe-tu-na in Kirin, Aigun, Chulan-tschen und Susu in Holung-kiang. Eine Telegrafenlinie führt von Peking nach Blagowjeschtschensk und ostwärts über Hun-schun am Tjumen nach Nikolajewsk. (S. Mandschu.)

Mandschuren, Volksstamm, s. Mandschu.