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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Mannheimer Gold; Mannheimer Windskala; Mannhut; Mannīd; Mann im Monde; Mannin; Manning

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Mannheimer Gold - Manning

Reiterstandbild Kaiser Wilhelms Ⅰ. In dem 1720 durch Kurfürst Karl Philipp erbauten großherzogl. Schlosse, welches mit seinen Höfen 5000 qm bedeckt und über 450 Zimmer enthält, befindet sich eine treffliche Gemäldegalerie mit ständiger Kunstausstellung, eine Naturalien- und Altertumssammlung und öffentliche Bibliothek. Mit dem Schloß verbunden ist die Hof- oder Jesuitenkirche, 1733‒58 erbaut, mit Kuppel und reich mit Marmor und Bildwerken geschmücktem Innern, eine Nachbildung der Peterskirche. Ferner sind zu nennen die Konkordienkirche, das Rathaus, Kaufhaus, Zeughaus, die ehemalige Sternwarte und das großherzogl. Hof- und Nationaltheater, unter Karl Theodor 1774 neu gegründet und von der Stadt verwaltet, eins der besten Deutschlands (1800 Zuschauerplätze, 42 Solisten für Oper und Schauspiel). Die Stadt hat ein Gymnasium Carolo-Fridericianum, aus drei konfessionell getrennten Schulen unter Großherzog Karl Friedrich zu, einer paritätischen Anstalt vereinigt und 1807 eröffnet, großherzogl. Realgymnasium, Realschule, höhere Mädchen-, Gewerbe-, Bürgerschule, Vorschulen, Konservatorium der Musik, ferner 4 Krankenhäuser, Pfründneranstalt, Waisenhaus, Wöchnerinnenasyl und zahlreiche andere Wohlthätigkeitsvereine und Anstalten, eine Berufs- und freiwillige Feuerwehr, Wasserleitung, Kanalisation und Gaswerk. Die Errichtung eines Elektricitätswerkes steht bevor.

Industrie und Handel. M. steht mit 1683 in das Handelsregister eingetragenen Firmen unter den ersten der deutschen Städte. Unter den 220 Fabriken ist hauptsächlich die chem. Industrie mit 24 Betrieben und über 7000 Arbeitern vertreten; bedeutend ist ferner die Metallverarbeitung mit 70 Betrieben und über 3000 Arbeitern, darunter die Lanzsche Fabrik landwirtschaftlicher Maschinen (1100 Arbeiter), ferner die Fabrikation von Cigarren (116 Betriebe, 600 Mill. Cigarren jährlich), Öl (jährlich 40000 t), Harzen, Lack, Firnis, Gummi- und Asbestartikeln, Tapeten, Leder, Wollwaren und Zucker sowie die Brauereien. M. ist der Sitz der Nahrungsmittel-Berufsgenossenschaft, der 1. Sektionen der Südwestlichen Baugewerks- und Westdeutschen Binnenschiffahrts-Berufsgenossenschaft, der 6. Sektion der Berufsgenossenschaft der Chemischen Industrie, der 5. Sektion der Tabak-, der 7. Sektion der Speditions-, Speicherei- und Kellerei-, der 12. Sektion der Müllerei-, der 13. Sektion der Ziegelei- und der 32. Sektion der Fuhrwerks-Berufsgenossenschaft. Der Handel erstreckt sich auf Getreide (Gesamt-Aus- und Einfuhr 1892: 719083 t), Kohlen (2251100 t), Mehl- und Mühlenfabrikate (28320 t), Petroleum (238834 t), Tabak- und Tabakfabrikate (22453 t), Rohzucker und Zuckerraffinade (25688 t), Reis, Cement und Traß, Maschinen, Eisen und Eisenwaren, Öl, Ölfarben, Soda, Düngemittel, Harze, Baumwolle, Kaffee, Thee und Holz (586300 t). Die Reichseinnahmen an Zöllen am Hauptzollamt betrugen (1892) 30,335 Mill. M. Es bestehen eine Handelskammer, Reichsbankhauptstelle (Umsatz 1893: 2663 Mill. M.), Badische Bank, Rheinische Kreditbank, Rheinische Hypothekenbank, Deutsche Unionbank und zahlreiche Privatbanken. Die großartigen Hafenanlagen nebst dem Centralgüterbahnhof sind in fortdauernder Ausdehnung begriffen. Der Rheinverkehr umfaßte (1895) in Ankunft (und Abgang) 7950 (7311) Schiffe mit 2468330 t (405252 t) sowie 595 t (80629 t) Floßholz, der Neckarverkehr 4127 (3116) Schiffe mit 133181 t (81909 t) sowie 109835 t Floßholz.

Geschichte. M. ist seit 764 aus den Urkunden des Klosters Lorsch, zu dem es gehörte, als Dorf bekannt. Kurfürst Friedrich Ⅳ. von der Pfalz legte 1606 den Grundstein zur Festung Friedrichsburg und der heutigen Stadt, die besonders von flüchtigen Niederländern bevölkert wurde. 1622 wurde M. durch Tilly, 1631 durch Herzog Bernhard von Weimar, 1644 von den Franzosen und nach wenigen Tagen wieder von den Bayern erobert, jedoch der Pfalz zurückgegeben. 1688 wurde M. von den Franzosen unter Mélac erobert und nebst 14 andern Städten der Unterpfalz zerstört. Ihren Glanz verdankt die Stadt dem Kurfürsten Karl Philipp, der 1720 seine Residenz von Heidelberg nach M. verlegte, was sie, durch Karl Theodor mannigfach verschönert, bis 1778 blieb. 1794 fiel M. in die Hände der Franzosen, dann in die der Österreicher, 1795 eroberten sie die Franzosen wiederum und die Festung wurde 1799 geschleift. Infolge der Entschädigungsverträge, die der Lunéviller Friede nach sich zog, und des Reichsdeputationshauptschlusses kam M. an den Markgrafen von Baden, der sie 21. Sept. 1802 in Besitz nahm.

Vgl. Rieger, Histor.-topogr.-statist. Beschreibung von M. (Mannh. 1824); von Feder, Geschichte der Stadt M. (2 Bde., ebd. 1875‒77); Landgraf, M. und Ludwigshafen (in Laurenčic’ «Städtebildern», Zür. 1891); Wörl, Führer durch M. (5. Aufl., Würzb. 1892); Heigel, Die Übergabe der pfalzbayr. Festung M. an die Franzosen 20. Sept. 1795 (Münch. 1893).

Mannheimer Gold, s. Gold, Mannheimer.

Mannheimer Windskala, s. Windskalen.

Mannhut, ein Teil des Dampfkessels (s. d., Bd. 4, S. 724 a).

Mannīd, s. Mannit.

Mann im Monde, die mythische Vorstellung german. Volksglaubens, daß im Monde eine menschliche Gestalt wandeln soll. Veranlassung hierzu gaben die schattigen Vertiefungen im Vollmonde. Bald ist diese Gestalt ein Holzdieb, der am Sonntag Holz gelesen, bald aber auch ein Mädchen oder eine Frau, die am Sonntag gesponnen hat. Nach nordischem Volksglauben ist es das Geschwisterpaar Bil und Hjuki.

Mannin (d. h. Mitte), einheimischer Name der Insel Man (s. d.).

Manning (spr. männ-), Henry Edward, Primas der kath. Kirche in England, geb. 15. Juli 1808 als Sohn prot. Eltern zu Totteridge (Grafschaft Hertford), studierte zu Oxford Theologie, wurde 1832 Fellow am Merton College daselbst und Universitätsprediger, 1834 Pfarrer zu Lavington (Grafschaft Sussex), 1841 Archidiakonus zu Chichester. Hier schloß sich M. dem Puseyismus (s. d.) an, was sich schon in dem Werk «The unity of the church» (Lond. 1842) zeigte; 20. April 1851 trat er zur kath. Kirche über. Er studierte bis 1854 in Rom und wurde 1857 Dompropst von Westminster, 1860 päpstl. Hausprälat und apostol. Protonotar, 1865 Erzbischof von Westminster und Primas der kath. Kirche Englands, 1875 Kardinal. Er starb 14. Jan. 1892 zu London. M. war auf das eifrigste für Befestigung und Ausbreitung der kath. Kirche in England thätig. 1874 begründete er eine kath. Universität in Kensington, einem Stadtteil Londons. Auf dem Vatikanischen Konzil war er einer der entschiedensten Vertreter des Unfehlbarkeitsdogmas. Von seinen zahlreichen Schriften seien genannt: «The temporal mission of the Holy Ghost» ( 1865;