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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Materialsteuer - Materie

standsfähigkeit für Zug, Druck, Biegung, Knickung oder Drehung untersucht werden soll, ist entweder die ganze Materialprüfungsmaschine eine andere oder es wird bei derselben Maschine eine andere dem jeweiligen Fall entsprechende Einspannvorrichtung eingesetzt. Die M. sind jetzt häufig so eingerichtet, daß sie nicht nur den Festigkeitskoefficienten angeben, sondern auch den ganzen Verlauf der Beanspruchung (von der Belastung 0 bis zur Bruchbelastung) selbstthätig in Form eines Diagramms aufzeichnen, wodurch gleichzeitig der Zusammenhang zwischen Formänderungen und specifischer Beanspruchung der Probestücke ermittelt wird.

Bei Geweben wird oft außer der Zugfestigkeit noch die Widerstandsfähigkeit gegenüber der durch das Tragen bedingten Abnutzung untersucht. Die betreffenden M. heißen Histometer (Gewebemesser). Der in dieselben eingeführte Kleiderstoff erhält durch Walzen solche Beanspruchungen (Reibung, Biegung, Zerrung), wie sie beim Tragen am Körper auftreten. Die Anzahl der Walzenumdrehungen, welche ein Stoff bis zur Auflösung in Fäden verträgt, giebt einen Maßstab für die Haltbarkeit. Bei den Garndynamometern (s. d.) wird nur die Festigkeit geprüft.

Die Dauer der Pflastermaterialien, die im wesentlichen durch Reibung und Verwitterung abgenutzt wird, prüft man bezüglich der Reibung dadurch, daß man einen Würfel aus dem zu prüfenden Material zugleich mit einem Würfel aus einem Vergleichsmaterial von bekannter Dauer unter Gewichtsdruck gegen einen rotierenden Mühlstein preßt. Das durch Reibung verschwundene Volumen des Versuchswürfels im Vergleich mit dem des Normalwürfels läßt einen Schluß auf die Dauer des Materials zu. Die Verwitterung, die eine Folge von Temperaturwechsel ist, erzeugt man künstlich dadurch, daß man das Material in Eiskästen gefrieren und wieder auftauen läßt, wonach die Menge des abgebröckelten Materials einen Maßstab für die Frostbeständigkeit abgiebt.

Neuerdings haben für den Dynamomaschinenbau diejenigen Apparate Bedeutung erlangt, welche die magnetischen Eigenschaften von Eisensorten prüfen. Der einfachste Apparat dieser Art ist die magnetische Wage von Du Bois, bei welcher die Stärke des Magnetismus durch die zum Abreißen eines Ankers erforderliche Kraft gemessen wird. (S. Prüfungsanstalten.)

Materialsteuer, im allgemeinen jede Art der indirekten Besteuerung, bei welcher das Rohmaterial, aus dem die steuerpflichtige Ware hergestellt wird, das unmittelbare Steuerobjekt bildet. So war z. B. die Zuckersteuer bisher in Deutschland in der Form einer von den Zuckerrüben erhobenen M. erhoben worden, ist jedoch als solche durch Gesetz vom 31. Mai 1891 seit 1. Aug. 1892 fortgefallen (s. Zuckersteuer). Die M. ist außerdem bei der Biersteuer (s. d.) und der Branntweinsteuer (s. d.) von Wichtigkeit.

Materialwaren, in Nord- und Mitteldeutschland Bezeichnung für die Gesamtheit derjenigen Waren, die die Hauptartikel der Kleinhandlungen bilden, wie Kolonialwaren, Gewürze u. s. w., die man auch Spezerei waren nennt. Den letztern Namen führen dieselben meist in Süddeutschland, wo man unter M. die pharmaceutischen Zwecken dienenden Droguen und die Farbewaren versteht.

Materia medica (lat.), soviel wie Arzneimittellehre oder Pharmakologie, s. Arzneimittel.

Materiation (lat.), Stoffbildung.

Materie (lat.; grch. Hyle) bedeutet den Stoff im Unterschied von der Form. Diese Unterscheidung wurde in der Philosophie besonders wichtig, seit Aristoteles das Begriffsmäßige in den Dingen, das ihm zugleich als das Wirkende und als Zweck galt, dem an sich formlosen, aber der Formung fähigen Stoff gegenüberstellte. Bei Plato vertritt die Stelle des Stoffs das Sinnliche, in sich Unbestimmte, im Begriff erst zu Bestimmende, im Gegensatz zur Idee, die auch geradezu Form heißt. Aus dem Aristotelischen Gegensatz von Stoff und Form entwickelte sich erst der naturwissenschaftliche von M. und Kraft, der dann freilich, da die M., als das Bewegliche, zugleich die Substanz vertreten mußte, eine von der Aristotelischen ziemlich weit abweichende Bedeutung erhielt. Die M. des Physikers ist nicht mehr ein Formloses, Unbestimmtes, jeder Formung Fähiges, von Haus aus gegen jede Einwirkung Gleichgültiges. Sie ist, abgesehen von der Räumlichkeit, mindestens durch die Undurchdringlichkeit charakterisiert. Vollends im mechan. Begriff der Masse (s. d.) wird sie zu einem genau definierten, inhaltvollen Begriff. Allerdings ist die letzte Natur der M. immer noch ein ungelöstes Problem; noch stehen sich Atomismus und Dynamismus gegenüber, indem die einen die M. aus kleinsten, physikalisch unteilbaren Körperelementen (Atomen) zusammensetzen, die andern sie auf bloße kraftbegabte bewegliche Punkte reduzieren wollen. In der Naturphilosophie kompliziert sich das Problem der M. noch durch die Rücksicht auf den Gegensatz von M. und Geist, indem beide entweder durchaus getrennt und nur in äußerer Wechselwirkung miteinander sein (Dualismus) oder in einer letzten Einheit zusammenfallen sollen (Monismus). Der Monadismus, von Leibniz eingeführt, im 19. Jahrh. von Herbart und seiner Schule festgehalten, ist ein Versuch, die letzten, einfachen (ausdehnungslosen) Elemente der M. zugleich zum Quell alles Geistigen zu machen, indem sie eben von Haus aus nicht bloß mit physikalischen, sondern zugleich mit geistigen Kräften ausgerüstet sein sollen. Für Kant ist eigentlich dies Problem ein überwundenes; er forscht nicht mehr nach dem Verhältnis der beiden Substanzen, der ausgedehnten und denkenden, sondern nach dem Verhältnis derjenigen Erkenntnisbedingungen, von welchen die Erkenntnis der Erscheinungen des äußern und innern Sinns abhängt, und wie beide, nach den Grundgesetzen der Erfahrung selbst, zusammenhängen und in der einen "Erfahrung" sich vereinigen. Eine andere, der Platonischen am nächsten stehende Bedeutung der M. hat gleichfalls Kant wieder zur Geltung gebracht, indem er in den Bedingungen der Erfahrungserkenntnis ein formales, apriorisches Element von einem materialen, aposteriorischen scheidet. Daher heißt M. der Anschauung das Sinnliche, Gegebene derselben, die Empfindung, während Raum und Zeit, als Weisen der Ordnung der Empfindungen, reine Formen der Anschauung, die reinen Verstandesbegriffe oder Kategorien reine Formen des Denkens heißen. Die Verwandtschaft mit Plato bewährt sich namentlich darin, daß das Gegebene der Sinne auch nach Kant an und für sich ganz unbestimmt ist und erst der Bestimmung (im Begriff, gemäß den reinen Formen der Anschauung, Raum und Zeit) bedarf, abgesehen von derselben aber für die Erkenntnis nichts bedeutet. - M. wird auch gleichbedeutend mit Eiter gebraucht.