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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Mehlfabrikation

germaschine) sowie durch die Ausbildung der Turbine als Betriebsmotor für Mühlen aus. Die Verdienste um die neuesten wesentlichen Verbesserungen gebühren den Deutschen und Österreichern durch die Einführung der Griesputzmaschinen (Ignaz Pauer, Leobersdorf, und Heinrich Seck, Dresden), der Mahlgangsaspiration (Jaacks & Behrns, Lübeck), der Centrifugalsichtmaschine (Lucas, Dresden, und Nagel & Kamp, Hamburg), der Walzenstühle (Fr. Wegmann, Zürich, und Ganz & Co., Budapest) und des Plansichters (C. Haggenmacher, Budapest). Deutschland besitzt gegen 65 000 Mühlen, von denen 165 ausschließlich und etwa 1800 aushilfsweise mit Dampf betrieben werden. Österreich hat etwa 600 Dampf-, 31 000 Wasser-, 700 Windmühlen; Ungarn 650 Dampf- und gegen 30 000 andere Mühlen.

Neben diesen jetzt noch lebhaften Bestrebungen, die Mühlenkonstruktionen zu vervollkommnen, spielt in der Neuzeit auch die Verbesserung des Mahlverfahrens eine wesentliche Rolle. Nach dem alten (deutschen) Verfahren wurde das Getreide vor der Vermahlung mit Wasser genetzt, um ein Zerpulvern der Scbalen durch die Sandsteinmahlgänge zu verhüten. Einen Fortschritt bezeichnete die Benutzung der franz. Quarzmühlsteine, mittels welcher das Getreide trocken vermahlen werden konnte. Immer bezweckte aber dieses Mahlverfahren (Flachmüllerei genannt) die Gewinnung der gesamten Mehlausbeute in wenig Durchgängen mittels tief zusammengestellter Mühlsteine. Im Gegensatz hierzu scheint es in Österreich schon seit langer Zeit gebräuchlich gewesen zu sein, den Weizen mittels hochgestellter Steine oftmals zu schroten, um Griese zu gewinnen. Die Griese wurden in Wurfsieben von den leichtern Schalen getrennt und die reinen Griese dann erst zu Mehl gemahlen. Ignaz Pauer in Leobersdorf verwendete 1807 zuerst zu dieser Griesreinigung eine Griesputzmaschine, in welcher die Griese gesiebt und durch einen künstlichen Luftstrom von den Schalen befreit wurden. Er entwickelte diese Gries- oder Hochmüllerei zu einem selbständigen Mahlverfahren, welches man überall zur Vermahlung von Weizen anwendet, während Roggen fast allgemein noch nach dem Flachmahlverfahren verarbeitet wird. Bei allen größern Mühlen der Gegenwart wird das Mahlgut durch Mühlenfördereinrichtungen (s. d.) selbstthätig von Maschine zu Maschine geleitet, wodurch man eine bedeutende Ersparnis an Arbeitskräften erreicht. Solche automatisch arbeitende Mühlen führen auch den Namen Kunstmühlen. Auf Tafel: Mehlfabrikation ist eine heutige, von Luther in Braunschweig erbaute Handelsmühle dargestellt, welche 100 000 kg in 24 Stunden vermahlt. Das Getreide kommt auf Schiffen s, Eisenbahn- oder Lastwagen ww an, gelangt durch den Schiffselevator e oder andere Hebeapparate zunächst in die Vorreinigung A, wo es mittels Aufzug auf eine das Gewicht feststellende, selbstthätige Wage gehoben wird. Nachdem es durch eine mit Sieben und Lüftungseinrichtungen arbeitende Vorreinigungsmaschine von Staub und groben Beimengungen befreit worden ist, wird es auf einem unterirdischen Horizontaltransport t dem Getreidespeicher B zugeführt und daselbst nach Sorten getrennt eingelagert. Die Einlagerung erfolgt entweder in Säcken aus einem gewöhnlichen Bodenspeicher oder, wie in der Zeichnung, in einem Silospeicher, welcher das Getreide in losem Zustande empfängt und in welchem es behufs Lüftung in Bewegung gesetzt werden kann (s. Silo). Aus dem Speicher wird das Getreide der Reinigung oder Kopperei C übergeben. Die dargestellte trockne Getreidereinigung entfernt zunächst durch ebene oder prismatische Siebe, Schrollenabsauber, Staubcylinder (s. Mühlenbeutelmaschinen), den Staub und grobe Beimengungen, als Ähren, Bindfaden, Bohnen, Erbsen, Erdklumpen, Steine u. dgl., dann durch Lüftungsmaschinen (Tarare) Spelzen, taube und ausgefressene Körner, durch Getreidesiebe (Bobys) kleine geringwertige Körner, durch Trieurs Raden, sonstige kugelförmige Gesäme und gebrochene Körner, durch Magnete und Steinauslesemaschinen Eisenteile und Steine und durch Schläger- und Scheuermaschinen brandige Körner und Schalen. Hiernach nehmen Spitzgänge die Spitzen, Bärtchen und Keime weg und endlich wird das Getreide durch Bürstmaschinen möglichst sauber und glatt gebürstet. (S. Getreidereinigungsmaschinen.) Bei der nassen Reinigung geht das Getreide zunächst über die vorstehend aufgezählten Maschinen bis zum Trieur. Hierauf kommt es in eine Waschmaschine, welche Steine, Staub und Brand beseitigt, während die danach folgende Trockenmaschine das Getreide von dem anhaftenden Wasser durch Abschleudern oder durch warme Luft befreit. Allgemein üblich ist die trockne Reinigung. Die nasse Reinigung hat sich von Frankreich aus nach England, Belgien und in sehr beschränktem Maße auch in Deutschland in solchen Mühlen verbreitet, die stark verunreinigten, ausländischen, harten Weizen vermahlen.

Das Getreide läuft durch die Kopperei selbstthätig von Maschine zu Maschine. Die ausgeschiedenen Körper werden in Säcken abgefaßt, die Staubluft läßt man in Staubkammern oder Staubsammler blasen, in denen sich Spreu, Spelzen und Staub abscheiden (s. Mühlstaub). Von der Kopperei gelangt das gereinigte Getreide in die Mühle D, deren Arbeitsvorgänge in dem Zerkleinern, Beuteln und Putzen des Mahlgutes bestehen. Die Zerkleinerung ist entweder Schroten (Zerkleinern des Getreides ohne beabsichtigte Mehlbildung) oder Auflösen (Zerkleinerung der Griese ohne beabsichtigte Mehlbildung) oder endlich Mahlen (Zerkleinerung von Getreide, Gries oder Dunst zum Zwecke der Mehlerzeugung). Zerkleinerungsmaschinen sind Walzenstühle, Mahlgänge und Schleudermühlen (s. Mahlmaschinen). Dem Schroten, Auflösen und Mahlen dienen Walzenstühle, während Mahlgänge und Schleudermühlen nur noch zum Dunst- und Schalenmahlen verwendet werden. Das Beuteln oder Sichten des Mahlgutes bezweckt eine Trennung desselben in Schrot, Schalen, Gries, Dunst und Mehl und geschieht durch die Mühlenbeutelmaschinen (s. d.). Mit Mahlgut wird allgemein die in der Vermahlung befindliche Getreidemasse bezeichnet. Unter Schrot versteht man das abgebeutelte grob zerkleinerte, zur weitern Vermahlung bestimmte Mahlgut der Schrotvorgänge. Gries sind die von den Schalen befreiten Getreideteilchen von 0,2 bis 1,5 mm Durchmesser, wogegen Dunst die schalenfreie, in der Korngröße zwischen feinem Gries und Mehl stehende Mahlgutmasse ist, deren weitere Vermahlung Mehl liefert. Das Putzen besorgen Putzmaschinen (s. Griesputzmaschinen), in denen Griese und Dunste mitteis eines Luftstroms unter Abscheidung aller leichten Schalenteile nach ihrer Güte getrennt werden. Die