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Mostaganem – Mosyr
und reiste 1863‒68 als Handwerksbursche durch Deutschland, Österreich, Italien und die Schweiz, trat dann in Mainz und Berlin als socialistischer Schriftsteller auf und redigierte einige Zeit in Berlin die «Freie Presse». Der Cynismus, mit dem er sich in Rede und Schrift äußerte, zog ihm mehrere Gefängnisstrafen zu. 1874 und 1877 wurde er in Chemnitz in den Deutschen Reichstag gewählt, erhielt aber bei den Wahlen von 1878 kein Mandat. Darauf begab er sich nach London und gründete dort das Blatt «Freiheit», worin er einen entsetzlich rohen Ton anschlug. Als er in diesem Blatt 1881 anläßlich der Ermordung Kaiser Alexanders Ⅱ. von Rußland direkt zur Vernichtung anderer Monarchen aufforderte, wurde er zu 18 Monaten Zwangsarbeit verurteilt. Nach der Entlassung aus dem Gefängnis begab er sich nach den Vereinigten Staaten von Amerika und nahm dort die Herausgabe der «Freiheit» wieder auf, in der er nun seiner Frechheit erst recht ungehemmten Lauf ließ, weswegen er wiederholt zu Gefängnisstrafen verurteilt wurde.
Mostagānem (arab. Most-arh-Rhenim, «Lämmerebene»), Stadt im alger. Depart. Oran, Arrondissementshauptort an der Ostküste der Bucht von Arzeu, 1 km landeinwärts und 11 km westlich von der Scheliffmündung, auf steilem Felskamm gelegen, ist befestigt, durch Zweigbahn mit der Linie Oran-Algier verbunden, hat (1891) 14374 E., lebhafte Pferdemärkte und Getreidemühlen. M., früher wichtiger Handelsmittelpunkt des Scheliffthals, ist berber. Ursprungs, wurde 1833 von den Franzosen erobert, 1833 von Abd el-Kader und Febr. 1840 von Mustapha ben Tami von Mascara vergebens angegriffen.
Mostar. 1) Kreis, die Herzegowina (s. d.) umfassend, hat 9140,48 qkm, 1885: 187574 (96241 männl., 91333 weibl.) E., darunter 71702 Katholiken, 63466 Griechisch-Orthodoxe und 52238 Mohammedaner, 1895: 229142 E., und zerfällt in die Bezirke Bilek, Gacko, Konjica, Ljubinje, Ljubuški, M., Nevesinje, Stolac und Trebinje mit 321 Katastralgemeinden. – 2) Hauptstadt der Herzegowina, seit 1891 autonome Gemeinde, am Einfluß des Radobolje in die Neretva (Narenta), über die eine 1500 von den Türken erbaute Brücke mit einem Bogen führt, im engen Thal derselben zwischen den Bergen Hum (436 m) und Podvelež, an den Linien Serajewo-M. (135 km) und M.-Metković (43 km) der Bosnisch-Herzegowin. Staatsbahnen, Sitz der Kreisbehörde, eines Kreisgerichts, Stadt- und Landbezirksamtes, eines röm.-kath. und griech.-orient. Bischofs, eines Muftia (mohammed. Bischof), der 18. Infanterie-Truppendivision, einer Geniedirektion und der 1. Gebirgsbrigade, hatte 1885: 12665 E., darunter 6825 Mohammedaner, 3369 Griechisch-Orientalen und 2359 Römisch-Katholische, 1895: 17020 E., darunter 2640 Militärpersonen, in Garnison ein Bataillon des 60. ungar. Infanterieregiments «Freiherr von Appel», 3 Bataillone des 84. niederösterr. Infanterieregiments, das 4. und 12. bosnisch-herzegowin. Infanteriebataillon und die 2. bis 3. Compagnie des 2. ungar. Festungsartilleriebataillons, ferner 25 Moscheen, 2 griech.-orient., 1 röm.-kath. Kirche, ein Obergymnasium, höhere Mädchen-, Handelsschule, Obst- und Weinbauschule, freiwillige Feuerwehr, Wasserleitung; Fabrikation von Tabak und Waffen, besonders Yatagans. Im W. der Mostarer See (Mostarsko blato), eine 7 km lange, im Winter überschwemmte Ebene. Die Umgebung von M. gehört zu den fruchtbarsten im Lande. – Vgl. Penz, M. und sein Kulturkreis (Lpz. 1891).
Mostaraber, s. Mozaraber.
Mostmesser, s. Mostwage.
Mosto, Ca Da, Entdeckungsreisender, s. Cada Mosto.
Mostrich (Mostrich), s. Senf.
Moststeuer, s. Weinsteuer.
Mostwage, Mustimeter, Gleukometer, Mostmesser, ein Aräometer zur Bestimmung der Dichte des Mostes. Die am Rhein am meisten verbreitete M. von Oechsle giebt in ihren Graden unmittelbar das specifische Gewicht in abgekürzter Form; sinkt sie in einem Moste bis zum 75. Grade, so hat der Most 1,075 spec. Gewicht u. s. f. Die Klosterneuburger M. von von Babo soll unmittelbar die Menge des gärungsfähigen Zuckers im Most anzeigen. Nach von Babos Angabe kommen durchschnittlich im Most auf 17 Teile Zucker 3 Teile sonstige Substanz. Hiernach ist der eine Grenzpunkt der Skala an den Punkt verlegt, bis zu dem das Instrument in reinem Wasser einsinkt, während zur Fixierung des zweiten Grenzpunktes eine Zuckerlösung von 20 Proz. gewählt wird. Der zwischen diesen beiden Punkten liegende Teil der Skala ist in 17 gleich große Grade geteilt. Nach neuern Untersuchungen von Pillitz ist das von Babo angenommene Verhältnis von 17 : 3 jedoch nicht richtig, sondern ist in 15,7 : 4,3 abzuändern, und es ist diese Zahl durch Hunderte von Beobachtungen von Haas bestätigt. Pillitz hat demnach eine M. konstruiert, deren Skala auf Grund dieser Werte eingeteilt ist.
Mosul (Mossul), Hauptstadt des asiat.-türk. Wilajets M. (75700 qkm, 300000 E.), 450 km nordnordwestlich von Bagdad, am rechten Ufer des Tigris, ist von zerfallenden Mauern umgeben, hat etwa 55000 E., meist mohammed. Araber, auch Kurden und Türken, Nestorianer, Armenier, Jakobiten, unierte Syrer und andere christl. Sekten sowie gegen 5000 Israeliten. Die Häuser in den krummen Gassen bestehen meist aus Erde, selten aus Backsteinen und sind mit Kalk oder Gips überzogen. Unter den Moscheen ist keine bedeutend; zahlreich sind die Heiligengräber. Die meisten der alten christl. Kirchen und Klöster liegen in Trümmern. Früher war M. eine blühende Fabrikstadt, Stapelplatz für orient. Droguerie, arab. Kaffee und pers. Waren; namentlich waren Kupferwaren, Baumwoll- und feine Lederstoffe berühmt. So hat von M. der Musselin (s. d.) den Namen. Einzelne Färbereien bestehen noch heute. In neuerer Zeit hat der Handel sehr gelitten; doch bildet M. noch das Mittelglied zwischen Westasien, Nordpersien und Armenien. Hauptartikel sind Galläpfel. Jenseit des Flusses, über den eine Schiffbrücke führt, liegen die Ruinen von Ninive (s. d.). Unweit der Stadt befinden sich auch die Ruinen anderer assyr. Städte, namentlich im Norden Tarbis (heute Sherif-Chan) und Calach (Nimrud). Bei El-Hemman giebt es Schwefelquellen (20°), an einigen Orten auch Schwefelminen.
Mosuto, Singular von Basuto (s. d.).
Mosýr. 1) Kreis im südl. Teil des russ. Gouvernements Minsk, im Gebiet des Pripets, mit undurchdringlichen Sümpfen, bildet den südl. Teil des Poljessje, hat 16205,6 qkm, davon 50 qkm Seen, 129260 E.; Ackerbau, Waldindustrie, Fischerei, Jagd. – 2) Kreisstadt im Kreis M., links am Pripet und an der Linie Shabinka-Luninez-Gomel-Brjansk der Poljessje-Eisenbahn, hat (1893) 9864 E., davon etwa 5210 Juden, 3 Kirchen, 1 israel. Betschule, Pro- ^[folgende Seite]