Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Mülheim

53

Mülheim (am Rhein)

hausen-Süd (52445 E.), die zweitgrößte Stadt des Reichslandes, in fruchtbarer Gegend, an der Ill, am Rhein-Rhône-Kanal und an den Linien Straßburg-Basel, M.-Altmünsterol (34,1 km), M.-Wesserling (33,1 km) und M.-Müllheim (22,1 km) der Elsaß-Lothr. Eisenbahnen, mit Straßenbahn (Dampf- und elektrischer Betrieb) nach Ensisheim, Wittenheim, Pfastatt und Dornach, Sitz der Kreisdirektion, eines kath. Dekanats , reform. Konsistoriums, eines Landgerichts (Oberlandesgericht Colmar) mit einer Kammer für Handelssachen und 11 Amtsgerichten (Altkirch, Dammerkirch, Hirsingen, Hüningen, Masmünster, M., Pfirt, St. Amarin, Sennheim, Sierenz, Thann i. Els.), eines Amtsgerichts, Hauptsteueramtes. des Kommandos der 58. Infanteriebrigade und eines Bezirkskommandos, hatte 1890: 76892 E., darunter 16960 Evangelische und 2132 Israeliten, 1895: 83040 (41717 männl., 41323 weibl.) E., in Garnison das Infanterieregiment Prinz Wilhelm Nr. 112, das 1., 3. und 4. Bataillon des Infanterieregiments Nr. 142 sowie das Dragonerregiment Prinz Karl Nr. 22, ferner zwei Postämter erster Klasse mit Telegraph, ein Telegraphenamt erster Klasse und eine Reichsbankstelle, Wasserleitung und elektrische Beleuchtung. M. besteht aus der Altstadt, der Neustadt und der Arbeiterstadt (cité ouvrière). Die Altstadt, auf einer von Illarmen gebildeten Insel, hat unregelmäßige, aber meist breite Straßen, ansehnliche Häuser und öffentliche Gebäude, darunter das Rathaus (16. Jahrh.), die neue reform. Kirche, die Synagoge. Die um Mitte des 19. Jahrh. entstandene Neustadt dehnt sich südwestlich von der Altstadt, zwischen dieser und dem Rhein-Rhône-Kanal aus. Mittelpunkt der Neustadt ist der von schönen Bauten umgebene Börsenplatz. Die 1853 von Dollfus (s. d.) gegründete Arbeiterstadt im Nordosten von M. wird aus mehr als 1000 ein- und zweistöckigen Häusern mit Vorgärtchen gebildet, welche die Arbeiter gegen eine mäßige Anzahlung (200 bis 300 M.) und monatliche Abzahlungen (16 bis 20 M.) von der Mülhäuser Arbeiterviertel-Gesellschaft zu 1600 bis 3000 M. als Eigentum erwerben können. Für die Bedürfnisse der Arbeiter ist von seiten der Gesellschaft und auch sonst durch eine Reihe gemeinnütziger Einrichtungen (Speisehaus, Lesezimmer, Badeeinrichtung, Konsumverein, Schulen verschiedener Art, Altersversorgungshaus u. s. w.) gesorgt. Die bemerkenswertesten Bauten sind die neue kath. Kirche, die reform. (St. Stephans-) Kirche, das 1551‒52 erbaute, 1893 renovierte Rathaus, das Neue Museum der Industriellen Gesellschaft (1883) und das Postgebäude (1894). Ferner bestehen ein Gymnasium, eine städtische Gewerbeschule (Oberrealschule mit Handels- und Gewerbeklassen), eine höhere Mädchenschule, Chemie-, Zeichenschule, Schulen für Spinnerei und Weberei, für Druckwalzengraveure u. s. w., ein Bibelmuseum, ferner ein Bürgerspital (zugleich evang. Armen- und Waisenhaus), ein Diakonat für Kranke und Pfründner, ein Spital der Niederbronner Schwestern (zugleich kath. Waisen- und Pfründnerhaus), ein israel. Spital. Die Industrielle Gesellschaft besitzt eine naturgeschichtliche und ethnogr. Sammlung, ferner in dem Neuen Museum Sammlungen von elsäss. Altertümern (u. a. gallo-röm. und röm. Funde, ehemals in Dornach befindliche Sammlung Engel-Dollfus), von Kunst- und kunstgewerblichen Altertümern, Bilderhandschriften, Urkunden u. s. w., eine Sammlung von Gemälden, endlich eine Mustersammlung für Kattundruckerei. Der Kunstverein veranstaltet ausgezeichnete Ausstellungen von Gemälden u. s. w.

^[Abb. Wappen]

Industrie, Handel. M. ist die gewerbreichste Stadt des Reichslandes und Mittelpunkt eines der bedeutendsten Bezirke der festländischen Baumwollindustrie. Die Fabriken liegen teils in M., meist in Dornach und zwischen beiden Orten. 1746 führten Sam. Köchlin, Joh. Jak. Schmaltzer und Joh. Heinr. Dollfus die Fabrikation bedruckter Baumwollgewebe (sog. Indiennes) ein. Jetzt bestehen 14 Baumwollspinnereien, zahlreiche Webereien, Druckereien mit über 80000 Arbeitern; ferner Zwirnereien, Woll- und Kammgarnspinnereien, Maschinenfabriken, Gießereien, chem. Fabriken, Brauereien, Acker- und Weinbau. Der Handel erstreckt sich nächst den Erzeugnissen der einheimischen Industrie auf Wein, Getreide, Holz und wird gefördert durch eine Handelskammer, eine Reichsbankstelle, mehrere Bankinstitute u. s. w. M. ist Sitz der Textil-Berufsgenossenschaft für Elsaß-Lothringen und der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Oberelsaß sowie der 5. Sektionen der Süddeutschen Eisen- und Stahl- und der Südwestlichen Baugewerks-Berufsgenossenschaft. Der Rhein-Rhône-Kanal vermittelt den Verkehr zu Wasser (Altes Bassin und Neues Bassin).

Geschichte. M., bereits im 11. Jahrh. glaubwürdig erwähnt, gehörte im 9. Jahrh. der Abtei Masmünster, kam im 13. Jahrh. an die Bischöfe von Straßburg, wurde 1273 Freie Reichsstadt, trat 1338 dem Bunde der zehn elsäss. Reichsstädte bei, schloß 1466 ein Bündnis mit Bern und Solothurn und trat 1515 in den Bund der Schweizer Kantone. Die Reformation fand ausgedehnten Boden in M. Im Westfälischen Frieden wurde die Stadt als Teil der Schweizer Eidgenossenschaft anerkannt, suchte aber nach der Französischen Revolution um die Einverleibung in die franz. Republik nach (1797). Infolge der Vollendung des Rhein-Rhône-Kanals (1829) und der Anlage von Eisenbahnen nahm M. einen bedeutenden Aufschwung. Im Kriege von 1870 und 1871 wurde die Stadt deutscherseits zuerst 16. Sept. 1870 und vom Oktober an dauernd besetzt.

Vgl. Graf, Geschichte der Stadt M. (Bd. 1 u. 2, Bas. 1822); Hack, Statist. Mitteilungen über die Stadt M. (2 Bde., ebd. 1874‒77); Schall, Das Arbeiterquartier in M. (2. Aufl., Berl. 1877); Moßmann, Les grands industriels de Mulhouse (Par. 1879); ders., Cartulaire de Mulhouse (5 Bde., Colmar 1883‒89); Ehrsam, Le livre d’or (Bürgerbuch) de Mulhouse (Bas. 1883); Meininger, Essai de description etc. de Mulhouse (Mülh. 1885); Grad, Mulhouse et le Sundgau (Par. 1887); Schneider, Geschichte der Stadt M. (Mülh. 1888); Le vieux Mulhouse (Bd. 1, ebd. 1896).

Mülheim am Rhein. 1) Kreis im preuß. Reg.-Bez. Köln, hat 388,42 qkm und 1890: 84297, 1895: 91353 (46869 männl., 44484 weibl.) E., 2 Städte und 7 Landgemeinden. – 2) Kreisstadt im Kreis M., rechts am Rhein, schräg gegenüber von Köln (s. d., Bd. 10, S. 497, Textkarte), an den Linien Düsseldorf-Köln, Kalk-Deutz-Elberfeld und der Nebenlinie M.-Immekeppel (34,9 km) der Preuß. Staatsbahnen (2 Bahnhöfe), mit Pferdebahn nach Köln, ist Sitz des Landratsamtes, eines Amtsgerichts (Landgericht Köln), Gewerbegerichts, einer Handelskammer und Reichs- ^[folgende Seite]