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Nabonid – Nachbaur
Angabe Herodots, daß N. alle Monumente seiner Vorgänger habe zerstören lassen, wird durch die Überreste der Keilschriftlitteratur widerlegt. Die nach ihm benannte Ära (s. d., Bd. 1, S. 780 a) wurde in Babylonien selbst nicht gebraucht; dort wurde nach den Jahren der regierenden Könige gerechnet.
Nabonid, Nabónnidos, auch Labynetos (griech. Form des babylon. Nabûnâ’id), neubabylon. König (555‒538 v. Chr.), nach dessen Tode das babylon. Weltreich an die Perser fiel, war nicht aus königl. Geblüt; wahrscheinlich war er an der Ermordung seines Vorgängers Labarosoarchos beteiligt gewesen. Von seinen polit. Unternehmungen ist aus den Keilinschriften noch nichts bekannt. Diese (die sog. Annalen N.s) berichten nur von seinen Kanal- und Tempelbauten in Babel, Ur, Sippar und Charran, und ihre Berichte sind insofern von hervorragender Wichtigkeit, als sich darin chronol. Angaben über verschiedene altbabylon. Regenten finden. Die zahlreichen, aus N.s Regierungszeit datierten Kontrakte sind gesammelt von Straßmaier, Inschriften von Nabonidus (4 Hefte, Lpz. 1887‒89). Über N.s Bauinschriften im allgemeinen vgl. Bezold in den «Proceedings» der Society of Biblical Archæology (Jan. 1889).
Nabopolassar, biblische Form des babylon. Nabûpalusur («der Gott Nebo beschütze den Sohn»), babylon. König (625‒605 v. Chr.), von Geburt ein Chaldäer, Begründer des sog. neubabylonischen Reichs, zerstörte nach den griech. Schriftstellern im Verein mit Kyaxares Ninive (606?). N. trug viel zur Verschönerung Babylons, auch zur Kanalisationsanlage bei.
Nabothseier, s. Gebärmutter.
Nabuchodonósor, griech. Form von Nebukadnezar (s. d.).
Nabŭlus, das Sichem (s. d.) der Bibel, später dem Kaiser Flavius Vespanianus zu Ehren Flavia Neapolis, auch bloß Neapolis («Neustadt») genannt, Stadt in Palästina, 56 km nördlich von Jerusalem in einem quellenreichen, 90 m breiten Thal zwischen dem Dschebel et-Tor (Garizim 868 m) im S. und dem Dschebel es-Suleimije (Ebal 938 m) im N., gerade auf der Wasserscheide (572 m) zwischen dem Mittelmeer und dem Jordan. Der Ort hat etwa 16000 E., darunter 600 Christen, meist Griechen, einige Katholiken und Protestanten, 200 Juden und 130 Samaritaner oder Samariter. Die Häuser sind aus Stein gebaut und zum Teil ansehnlich, die Bazare gut eingerichtet und ziemlich lebhaft. N. treibt lebhaften Handel mit Seife, die in 22 Siedereien aus Olivenöl bereitet wird, mit Getreide, Wolle und Baumwolle, auch mit Vieh nach Jaffa und dem Ostjordanlande. Die fruchtbare Umgebung liefert vortrefflichen Weizen («Hand Gottes»); das Klima ist mild. Noch im vorigen Jahrhundert war N. und Umgegend unter eingeborenen Häuptlingen so gut wie unabhängig. Erst Ibrahim Pascha von Ägypten hat 1834 ihre Macht gebrochen. N. hat jetzt türk. Besatzung. Der Jakobsbrunnen (Evang. Joh. 4, 5 fg.), 2 km südöstlich von der Stadt, unter den Trümmern einer alten Kirche gelegen, ist eine cylinderförmige Cisterne, gegenwärtig stark verschüttet, jedoch noch 23 m tief, ohne Wasser. Einige hundert Schritt nördlich von ihm zeigt man Josephs Grab, einen kleinen, aber festen Bau mit einem Dach.
Nāc, Natsch (ind., «Tanz»), s. Bajaderen.
Nacahuita, s. Anacahuiteholz.
Nachahmung, rechtlich eine Handlung nach dem Muster einer fremden Handlung oder die Darstellung eines Gegenstandes nach einem Vorbild oder der Darstellung desselben Gegenstandes durch einen andern. Die N. ist unerlaubt, verpflichtet zum Schadenersatz und wird bestraft, wenn das Original gesetzlich geschützt ist, wie beim Erfinderpatent (s. Patent), Gebrauchsmuster (s. d.), Geschmacksmuster (s. Musterschutz), dem Warenzeichen (s. Markenschutz) und wie der Nachdruck (s. d.), die Nachbildung und die unbefugte Aufführung beim Urheberrecht (s. d.). In der Musik ist N. (Imitation) die Wiederholung und kunstvolle Umbildung der einzelnen Motive. Mittel der N. sind die Wiederholung aus anderer Tonstufe, die Wiederholung in Gegenbewegung, die Verlängerung und die Verkürzung des Motivs.
Nachbarlosung, s. Losung (juristisch).
Nachbarrecht, der Inbegriff der Rechtsgrundsätze, welche sich auf das Verhältnis der benachbarten Grundeigentümer beziehen. Hierher gehören die Bestimmungen über Grenze (s. d.) und Notweg (s. d.). Ferner die Vorschriften, wonach der Nachbar die gemeinüblichen Einwirkungen, die sich von einem Grundstück auf das andere erstrecken, dulden muß, wie Zusendungen von Rauch, Dampf, Staub, Wärme, Erschütterungen u. s. w., wenn sie nicht das ortsübliche Maß überschreiten; ebenso den natürlichen Wasserabfluß (abweichend die preuß. Vorschriften über Vorflut, s. d.). Der Nachbar darf nicht so tief und so nahe der Grenze graben, daß er dem Gebäude des andern schadet. Grenzeinrichtungen (Mauern, Gräben, Hecken, Planken) sind gemeinschaftlich zu erhalten. Oft werden Merkmale aufgestellt (Anbringung der Pfosten bei Planken, der Nischen bei Mauern), welche das Eigentum des einen Nachbarn beweisen sollen (Preuß. Allg. Landr. Ⅰ, 8, §§. 121, 154, 156, 162; Code civil Art. 666, 670; Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §. 366). Bei Pflanzenanlagen wird bestimmt, wie weit das Hinüberreichen der Zweige (15 Fuß über der Erde) geduldet werden muß, die Teilung der Früchte des Grenzbaumes, das Recht zum Abholen übergefallener Früchte, sofern sie nicht als Früchte des Nachbargrundstücks gelten (Bürgerl. Gesetzbuch für das Deutsche Reich §. 911). (S. auch Legalservituten.)
Nachbarschaftsgilden, engl. Neighbourhood Guilds, in den Vereinigten Staaten von Amerika und in England Vereinigungen, die den Zweck haben, einen Ausgleich der socialen Gegensätze vorzubereiten und namentlich die untern Stände auf eine höhere Stufe der menschlichen Gesellschaft zu heben. Ihr Wesen besteht darin, daß die Arbeiterfamilien einer oder mehrerer Straßen einer Stadt eine Reihe von Vereinigungen (jede nicht größer als etwa 100 Familien, die in nächster Nachbarschaft wohnen) bilden und dazu gebracht werden, von innen heraus, durch eigene materielle und geistige Mittel einzeln oder im Verein mit benachbarten Vereinigungen Reformen im Hauswesen, in der Erziehung, im Gewerbe, in der Art der Erholung und in der Sorge für die Zukunft hervorzubringen. Religion und Politik bleiben dabei gänzlich ausgeschlossen. Die ersten N. entstanden 1837 in den Arbeitervierteln Amerikas (Neuyork, Brooklyn, Philadelphia) und wurden 1889 auch nach London übertragen. – Vgl. Coit, Neighbourhood guilds (Lond. 1891 u. ö.; deutsch Berl. 1893).
Nachbaur, Franz, Opernsänger, geb. 25. März 1835 zu Schloß Gießen am Bodensee, besuchte das