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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Napoleon (Eugène Louis Jean Joseph, Prinz)

neuen Vertragsentwurf zu einem Defensiv- und Offensivbündnis vorlegen zum Zwecke der käuflichen Erwerbung Luxemburgs und der Eroberung Belgiens. Dieser Antrag wurde von Bismarck "dilatorisch" behandelt und dann Jan. 1867 abgewiesen. Nur bei einem Erwerbe Luxemburgs wollte Preußen eventuell zusehen, aber nicht, wie N. forderte, mithelfen. Der König von Holland indessen war nur bei positiver Teilnahme Preußens zur Abtretung Luxemburgs bereit. Daran und an dem Widerspruch der deutschen öffentlichen Meinung scheiterte N.s Plan. Die Gefahr eines Krieges zwischen Frankreich und dem Norddeutschen Bund, die aus diesem Mißerfolge hervorging, wurde durch die Londoner Konferenzen (April 1867) beschworen. Von Dez. 1868 bis April 1869 erlitt N. in seinem Anschlage, die belg. Bahnen für Frankreich zu kaufen und so Belgien zu umstricken, eine neue, von Preußen nicht verschuldete Schlappe. N.s nächstes Streben war nun nur noch, in der kürzesten Zeit eine starke Armee zu schaffen, da deren Schwäche allein Frankreich diese diplomat. Niederlagen zugezogen hatte. Unter dem Kriegsminister Niel wurde mit fieberhafter Ungeduld, aber geringem Erfolge, an der Reorganisation des Heers und an der Anhäufung großer Kriegsvorräte gearbeitet. Seit 1867 suchte N. überdies ein Bündnis gegen Preußen mit Österreich und Italien zu stande zu bringen. Es gedieh Herbst 1869 nur bis zu allgemeinen gegenseitigen Versprechungen der drei Souveräne, nicht bis zu festen Verträgen. Auch die Besprechungen mit Erzherzog Albrecht in Wien über einen gemeinsamen Feldzugsplan (Frühjahr 1870) führten nicht zu positiven Abmachungen; wohl aber durfte die franz. Politik im Kriegsfalle ein Eingreifen der zwei Mächte für wahrscheinlich halten.

Die Mißerfolge in der äußern Politik waren auch nicht ohne Einfluß auf die innern Verhältnisse Frankreichs (s. Frankreich, Geschichte 1852-70).

Die der Kaiserin nahestehende konservativ-klerikale Partei der "Arkadier" wurde inzwischen nicht müde, N. gegen das prot. Preußen aufzuhetzen, obgleich die Armeereform noch keineswegs als beendigt gelten konnte. Man benutzte die der franz. Stimmung mißliebige span. Thronkandidatur des Prinzen von Hohenzollern, die man in Paris sofort mit beleidigender Schärfe anfaßte und zum Kriegsfalle steigerte, um dem, wie es scheint, bis zuletzt widerstrebenden Kaiser endlich die Kriegserklärung abzuringen. Seiner Gemahlin die Regentschaft überlassend, reiste N., obwohl seit längerer Zeit schwer leidend, 28. Juli 1870 mit seinem Sohne nach Metz und übernahm das Oberkommando. (S. Deutsch-Französischer Krieg von 1870 und 1871.) Aber schon 9. Aug. legte er dasselbe nieder, und am 14. begab er sich nach Châlons zur Armee Mac-Mahons. Mit dieser zog er nach Sedan, übersandte nach der Niederlage des 1. Sept. seinen Degen dem König von Preußen und wurde 3. Sept. als Kriegsgefangener nach dem Schloß Wilhelmshöhe bei Cassel geschickt, wo er am 5. eintraf. Indessen war am 4. Sept. in Frankreich die Republik erklärt worden, und die Kaiserin Eugenie hatte aus Paris fliehen müssen. Gegen seine nachträgliche Absetzung durch die Nationalversammlung in Bordeaux erließ N. 6. März 1871 einen Protest. Nach Abschluß der Friedenspräliminarien wurde er 19. März aus der Kriegsgefangenschaft entlassen und begab sich nach Chiselhurst bei London, wo er mit Gattin und Sohn den Rest seines Lebens zubrachte. Am 9. Jan. 1873 starb N. in Chiselhurst an den Folgen einer Steinoperation.

Die frühern Schriften N.s sind in einer Gesamtausgabe: "Œuvres de N. III" (5 Bde., Par. 1854-69), außerdem die "Œuvres militaires" (ebd. 1856) noch besonders erschienen. In deutscher Übersetzung erschienen diese Schriften von Richard (4 Bde., Lpz. 1857-58). Außerdem veröffentlichte N. das histor.-biogr. Werk "Histoire de Jules César" (2 Bde., Par. 1865-66; deutsch Wien 1865-66), für das er von vielen Altertumsforschern Voruntersuchungen anstellen ließ. Nach seinem Tode erschienen "Œuvres posthumes, autographes inédits de N. III en exil" (Par. 1873). Die Broschüre "Des causes qui ont amené la capitulation de Sedan par un officier attaché à l’État-major général" (Brüss. 1870) ist wahrscheinlich von N. während seiner Gefangenschaft auf Wilhelmshöhe veranlaßt worden. - Vgl. von Sybel, N. III. (Bonn 1873; neue Bearbeitung in Sybels "Kleinen Schriften", Bd. 3, 1880); Delord, Histoire du second empire (6 Bde., Par. 1868-75); Jerrold, Life of N. III (4 Bde., Lond. 1874-82); Beaumont-Vassy, Histoire intime du second Empire (Par. 1874); Papiers secrets et correspondance du second Empire (hg. von Poulet-Malassis, ebd. 1877); Juste, N. III (Verviers 1879); Histoire anecdotique du second Empire par un ancien fonctionnaire (Par. 1888); Hamel, Histoire illustrée du second Empire (3 Bde., ebd. 1873); Bulle, Geschichte des zweiten Kaiserreichs und des Königreichs Italien (Berl. 1890; in Onckens "Allgemeiner Geschichte in Einzeldarstellungen"); Ebeling, N. III. und sein Hof (Bd. 1 u. 2, Köln 1891-93); de Lano, La cour de N. III (Par. 1892); Hachet-Souplet, Louis N., prisonnier au fort de Ham (ebd. 1894); de la Gorce, Histoire du second Empire (2 Bde., ebd. 1894); Thirria, N. III avant l’empire (ebd. 1895). Von den vielen Satiren, die über N. erschienen sind, ist die von Victor Hugo, N. le Petit (Brüssel 1852 u. ö.), die bemerkenswerteste.

Napoleon, Eugène Louis Jean Joseph, Prinz, der einzige Sohn des vorigen aus seiner Ehe mit Eugenie (s. d.), Gräfin von Montijo, wurde 16. März 1856 in den Tuilerien geboren und erhielt eine sorgfältige Erziehung. Beim Beginn des Deutsch-Französischen Krieges von 1870 und 1871 wurde er von seinem Vater mit nach dem Kriegsschauplatz genommen und erhielt bei Saarbrücken "die Feuertaufe". Nach den ersten Niederlagen begab er sich mit seinem Vater nach Châlons und wurde von dort über Belgien nach England geschickt, wo er mit seiner Mutter zusammentraf, die nach dem Sturz des Kaiserreichs aus Paris geflohen war. 1872 wurde er als Zögling in die Militärakademie von Woolwich aufgenommen. Nach dem Tode seines Vaters nahm er den Namen Graf von Pierrefonds an und wurde beim Eintritt seiner Großjährigkeit 16. März 1874 von bonapartistischen Partei feierlich als Napoleon IV. zu ihrem Haupt und Prätendenten proklamiert. Um durch eine Waffenthat die Aufmerksamkeit Frankreichs auf sich zu lenken, faßte er den Entschluß, an dem Kriege der Engländer gegen die Zulukaffern teilzunehmen. Am 27. Febr. 1879 schiffte er sich nach Natal ein. Als er 1. Juni eine Rekognoscierung mitmachte, wurde er von einem Haufen Zulu überfallen und von 17 Stichen ihrer Assagais durchbohrt. Sein Leichnam wurde nach England gebracht und 12. Juli in der Kapelle von Chiselhurst beigesetzt, 1887 aber neben dem seines Vaters in einem Mausoleum zu Farnborough bestattet. Ein