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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Nervenstrom - Nervosität

gesunkenen Kräfte zu heben und die abnorme Erregbarkeit Zu beseitigen. (S. Nervenkrankheiten.) - Vgl. von Strümpell, Krankheiten des Nervensystems (8. Aufl., Lpz. 1894); Erb, über die wachsende Nervosität unserer Zeit (3. Aufl., Heidelb. 1894); Kräpelin, über geistige Arbeit (Jena 1894).

Nervenstrom, s. Nervenelektricität.

Nervensystem, die Gesamtheit der Nerven (s. d.), zerfällt beim Menschen und den höhern Tieren in das animale N., welches aus dem Gehirn und Rückenmark und den von diesen entspringenden Nerven besteht und die mit Bewußtsein verbundenen Erscheinungen der Empfindung und Bewegung vermittelt, und in das vegetative oder sympathische N., welches den ohne Einfluß des Bewußtseins vor sich gehenden Thätigkeiten der Ernährung und Absonderung und den damit verbundenen unwillkürlichen Bewegungen vorsteht (s. Sympathicus nervus). Beide Systeme bestehen nicht unabhängig nebeneinander, sondern greifen vielfach ineinander über und verbinden sich häufig durch gegenseitigen Austausch von Nervenfasern. An beiden Systemen unterscheidet man einen centralen und einen peripherischen Teil. Das centrale N. besteht bei den Wirbeltieren aus dem Gehirn (s. d.) und Rückenmark (s. d.), das peripherische aus den vielfach verzweigten Nervenfäden, welche die verschiedenen peripherischen Organe mit dem Centrum dieses N. verbinden. In dem vegetativen oder sympathischen N. wird der Centralteil von den sog. Nervenknoten oder Ganglien (s. d.), der peripherische dagegen von den Fasern des sympathischen Nerven gebildet.

Bei den Wirbellosen ist die Anordnung des centralen N. wesentlich anders, aber bei den einzelnen Klassen sehr verschieden. Bei den Manteltieren findet sich nur ein einfaches rundliches Ganglion auf der Strecke zwischen Mund und After. Bei den Molluskoiden verhält es sich in beiden Klassen sehr verschieden. Bei den Armfüßern findet sich um den Schlund ein Nervenring (Schlundring), der oberhalb schwächere, unterhalb stärkere gangliöse Anschwellungen zeigt; von den erstern gehen starke Nerven in die Arme, von den letztern ebenfalls zu den Armen, in den Mantel und zu den Schließmuskeln. Bei den Moostierchen liegt ein Nervenknoten zwischen Mund und After, der besonders die Tentakel innerviert. Bei manchen Formen ist ein Zusammenhang zwischen den Ganglienknoten der Einzeltiere, die die Kolonie bilden, entdeckt und als Kolonialnervensystem beschrieben worden. Von allen wirbellosen Tieren haben die Kopffüßer das am höchsten entwickelte centrale N., das in einer schädelartigen Knorpelkapsel eingebettet, einen zu einem Wulst entwickelten Schlundring darstellt. Die obere Masse desselben ist besonders stark entwickelt und entsendet die Nerven zu den Sinnesorganen. Die Sehnerven bilden vor dem Eintritt in das Auge eine große Anschwellung, die als Sehganglion bezeichnet wird. Von den untern Teilen des Schlundrings entspringen die Nerven für die Eingeweide, Kiemen, den Trichter und den Mantel, in letzterm treten sie jederseits an ein besonderes Ganglion, dem Sternganglion. Weitere kleinere Ganglien finden sich an den großen Gefäßen, Kiemen und zwischen den Eingeweiden. Bei den übrigen kopftragenden Mollusken finden sich drei Ganglienpaare, das des Kopfes, des Fußes und der Kiemen, die durch Nervenstränge miteinander verbunden sind. Ähnlich ist das centrale N. bei den Muscheltieren, nur ist der dem Kopfteil entsprechende Abschnitt bei fehlendem Kopf geringer entwickelt. Das centrale N. der Gliederfüßer leitet sich aus dem der Würmer ab. Bei diesen ist im einfachsten Falle über dem Schlund ein paariges Ganglion vorhanden, das bei den Haarwürmern einen Schlundring abgiebt. Von dem Ganglion entspringen verschiedene Nerven, die die einzelnen Körperregionen versorgen; besonders zwei längere und stärkere Stränge, die rechts und links seitlich verlaufen. Bei den Ringelwürmern rücken die Seitenstränge auf der Bauchseite nahe zusammen und, entsprechend der Ringelung, tritt in jedem Segment an jedem Nervenstrang ein Ganglionknoten auf, der sich mit seinem Gegenstück durch eine Nervenbrücke, die Querkommissur, verbindet. So kommt ein strickleiterförmiges Bauchmark zu stande. Nach diesem Schema ist auch das centrale N. der Gliederfüßer gebildet: bei Tausendfüßern und Insektenlarven (Raupen) ist es dem der Ringelwürmer sehr ähnlich; sobald aber die einzelnen Segmente des Körpers sich gruppenweise durch Arbeitsteilung zu den einzelnen Körperabschnitten (Kephalothorax, Thorax, Abdomen) zusammenthun, erfahren die Ganglien des Bauchmarkes entsprechende Dislocierungen und bilden größere, scheinbar kompakte Ganglienmassen. Die Verhältnisse, in denen diese Ganglien sich vereinigen, sind außerordentlich mannigfach; jedes Bauchmark kann 12 Ganglienpaare enthalten, aber auch blos einen einzigen Nervenbrustknoten darstellen. Am höchsten entwickelt erscheint die im Kopf gelegene Ganglienmasse oberhalb des Schlundes bei gesellschaftlich lebenden Hautflüglern, Bienen und Ameisen, die ja auch von allen Gliederfüßern in geistiger Beziehung den höchsten Rang einnehmen.

Nervenzellen, s. Nerven und Ganglien.

Nervi, Stadt in der ital. Provinz und dem Kreis Genua, an der Linie Genua-Spezia, östlich von Genua, am Meer und in äußerst fruchtbarer Umgebung gelegen, hat (1881) 3745, als Gemeinde 5486 E. und ist der besuchteste Winterkurort der östl. Riviera. Die Januartemperatur beträgt 7,8 °C. - Vgl. Schetelig, N. und seine Umgebungen (Frankf. a. M. 1890).

Nervier, ein mächtiger, anscheinend stark mit german. Elementen durchsetzter gallischer Volksstamm, wohnte in Julius Cäsars Zeit zwischen Maas und Schelde. Ihr Hauptort war damals Bagacum, jetzt Bavay. Die Kraft des Volks ward durch Cäsar 57 v. Chr. gebrochen.

Nervina, Nervenmittel (s. d.).

Nervös (frz. nerveux), die Nerven betreffend; an Nervenschwäche (s. d.) leidend.

Nervöse Krankheiten, ältere Bezeichnung für solche Krankheiten, welche mit sog. Nervösen Symptomen (s. d.) einhergehen.

Nervöse Symptome, auffallende Störungen der Nerventhätigkeit, welche für sich allein oder im Verlaufe anderer Krankheiten auftreten. Diese Begleiterscheinungen meist schwerer Krankheiten sind mannigfachster Art, von leichten Delirien bis zur Tobsucht, von leichter Schlafsucht bis zur tiefsten Bewußtlosigkeit, von leichten Zuckungen einzelner Muskeln bis zu den heftigsten Krämpfen. Man sagte dann früher meistens, die Krankheit sei nervös geworden, und bezeichnete sie auch als Nervenfieber. - Der Ausdruck Nervenfieber wird oft gleichbedeutend mit Typhus (s. d.) gebraucht.

Nervosität, s. Nervenschwäche.