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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Neuenburg (Stadt) - Neuenburger See

lung seiner Herrschaft an. Endlich fand in der Nacht vom 2. auf 3. Sept. 1856 ein Aufstandsversuch der Royalisten unter Führung des Grafen Friedr. Pourtalès statt; sie bemächtigten sich der Stadt Locle und nahmen einige Regierungsmitglieder gefangen. Doch schon am 3. wurde die Bewegung in Locle unterdrückt und am frühen Morgen des 4. Sept. das Schloß zu N. von den republikanischen Milizen fast ganz ohne Widerstand genommen. Preußen verlangte Freilassung der gefangenen Royalisten und drohte widrigenfalls mit Krieg. Nachdem die Eidgenossenschaft ihr Heer zum Teil mobil gemacht hatte, kam ein Vergleich zu stande, so daß die Eidgenossenschaft den Prozeß niederschlug, die Kosten trug und vollständige Amnestie erließ, wogegen der König (26. Mai 1857) auf alle seine Rechte unter wenigen unwichtigen Vorbehalten verzichtete. Seitdem hat sich der Kanton friedlich entwickelt. Doch führten Eisenbahnangelegenheiten, Verfassungsänderungen und kirchliche Fragen, die gewagte Finanzpolitik der herrschenden radikalen Partei zu manchen Streitigkeiten im Großen Rat und Parteiverschiebungen im Volke. 1858 wurde ein Finanzreferendum eingeführt. 1879 erfolgte trotz lebhaften Widerstandes der Radikalen Annahme des fakultativen Gesetzesreferendums; durch die Verfassungsrevision von 1882 wurde die Gesetzesinitiative des Volks eingeführt, und 1884 beschloß das Volk den Rückkauf der Bahnlinie N.-Locle (Jura-Industriel). Bei den Abstimmungen über die Revision der Bundesverfassung ergaben sich im Kanton 12. Mai 1872 nur 7960 Ja gegen 9066 Nein, 19. April 1874 dagegen 16295 Ja gegen 1251 Nein.

Litteratur. De Chambrier, Historie de Neuchâtel (Neuchâtel 1840); Annales historiques du comté de Neuchâtel et Vallangin depuis Jules César jusqu'en 1722 (5 Bde., ebd. 1855-59); Majer, Geschichte des Fürstentums N. (Tüb. 1857); Benoit, Le Canton de Neuchâtel (Neuenb. 1861); Junod, Historie populaire du pays de Neuchâtel (ebd. 1863); Henry, Historie abrégée de Neuchâtel (Neuchâtel 1878); Grandpierre, Historie du Canton de Neuchâtel sous les rois de Prusse (Lpz. 1889).

2) Bezirk im schweiz. Kanton N., hat 79,5 qkm und (1888) 22949 E., darunter 3913 Katholiken und 102 Israeliten, in 11 Gemeinden. - 3) Hauptstadt des Kantons N., auf dem linken Ufer des Neuenburger Sees (s. d.) unweit der Mündung des Seyon, in 437 m Höhe, am Fuße und Abhange des Jura, an den Linien N.-Pontarlier, Basel-Biel-Lausanne der Jura-Simplon-Bahn und Chaux-de-Fonds-N. (26km) der Neuenburger Jurabahn, hat (1888) 16504 E., darunter 2436 Katholiken und 101 Israeliten, von denen 65,2 Proz. französisch, 31,3 Proz. deutsch, 3,5 Proz. italienisch u. s. w. sprechen. Bemerkenswert sind ein alter Turm, Tour des Prisons, burgund. Ursprungs, das hoch gelegene, im 13. und 14. Jahrh, erbaute Schloß, einst Sitz der Grafen und Fürsten und der preuß. Gouverneure von N., jetzt Regierungsgebäude, die Stiftskirche (12. Jahrh.) mit dem prächtigen 1372 errichteten, 1840 restaurierten Grabdenkmal der Grafen von N., ein Standbild des Reformators Farel (1875), ein Bronzestandbild von David de Purry, der der Stadt 4 1/2 Mill. Frs. vermachte, das Kaufhaus (Les Halles), ein Renaissancebau von 1590, das Museum des Beaux-Arts im Renaissancestil mit Wandgemälden von Paul Robert, der städtischen Altertümer-, ethnograph. und Gemäldesammlung, ein vorhistor. Grabmal, 1876 in den Pfahlbauten bei Auvernier gefunden, die neue Akademie mit 4 Fakultäten (Theologie, Jurisprudenz, philos.-histor. und philos.-naturwissenschaftliche Abteilung) und 40 Professoren und Docenten und 134 Hörern, das Gymnasium mit reichen naturwissenschaftlichen Sammlungen und einer Bibliothek (über 100000 Bände), das Palais Rougemont oder Du Peyrou, das Museum Challande, eine Sammlung ausgestopfter Tiere der Alpenwelt, die Sternwarte, das Bürgerhospital, das Pourtalèssche Spital, die 1844 von Aug. de Meuron erbaute Irrenanstalt Préfargier nordöstlich von der Stadt. Haupterwerbsquellen sind namentlich die Uhrmacherei, die Fabrikation elektrischer Apparate, Bijouteriewaren und der Handel, dem die Kantonalbank, die Kantonal-Ersparniskasse und mehrere Privatbanken und der geräumige Hafen dienen. In der wein- und waldreichen Umgebung sind zu erwähnen der aussichtsreiche Chaumont, die Cascade du Seyon, die großartige Schlucht (Gorge), durch welche die Areuse aus dem Traversthal in das Ufergelände des Sees heraustritt, und das Dorf Serrières, 2 km südwestlich von N., mit Schokoladen- und Papierfabrik.

Neuenburg. 1) N. in Westpreußen, Stadt im Kreis Schwetz des preuß. Reg.-Bez. Marienwerder, an der Weichsel, beim Einflusse der Montau, Sitz eines Amtsgerichts (Landgericht Graudenz), hatte 1890: 4803 E., darunter 1739 Evangelische und 243 Israeliten, 1895: 5061 E., Postamt zweiter Klasse, Telegraph, altes Schloß, Volksbank, Vorschußverein; Maschinenfabrik, Brauerei und Landwirtschaft. - 2) N. in Baden, Stadt im Amtsbezirk Müllheim des bad. Kreises Lörrach, am Rhein und an der Linie Mülhausen i. Els.-Müllheim der Elsaß-Lothr. Eisenbahnen, hatte 1890: 1380, 1895:1432 E., darunter 53 Evangelische, Postagentur, Fernsprechverbindung, Schiffahrt und Fischerei.

Neuenbürg. 1) Oberamt im württemb. Schwarzwaldkreis, hat 316,44 qkm, 1890: 27013, 1895: 27286 (13239 männl., 14047 weibl.) E. in 3 Stadt- und 32 Landgemeinden. - 2) Oberamtsstadt im Oberamt N., im tiefen Thale an der Enz und der Linie Pforzheim-Wildbad der Württemb. Staatsbahnen (Enzbahn), Sitz des Oberamtes und eines Amtsgerichts (Landgericht Tübingen), hatte 1890: 2145, 1895: 2101 E., Post, Telegraph, Fernsprecheinrichtung, sehr alte Kirche, ein 1658 erbautes Schloß, jetzt Kameral- und Forstamt, Burgruine, Latein- und Realschule; Fabrikation von Bijouteriewaren, Sensen, Holzstoff, Leder; Sägemühlen, Holzhandel.

Neuenburger See, frz. Lac de Neuchâtel, bei den Römern Lacus Eburodunensis, der größte der schweiz. Juraseen, liegt in 432 m Höhe zwischen Neuenburg, Freiburg, Waadt und Bern, ist 240 qkm groß, 40 km lang, 3-9 km breit, 153 m tief. Der Richtung des Jura folgend, ohne Inseln und Buchten, wird er von teilweise sumpfigen Ebenen eingefaßt; das rechte Ufer bilden bewaldete Höhenzüge (Mont-Builly oder Wistenlach, 657 m); das linke ist üppiges Hügelgelände. Er wird von der Zihl durchflossen, die bei Yverdon ein- und bei Montmirail austritt. Außerdem empfängt er rechts die Mentue und die Broye, links die Reuse aus dem Val de Travers und den Seyon aus dem Val de