Norfolk (spr. nóhrfock), engl. Grafen- und Herzogswürde. Erster Graf
von N. war Hugh Bigod (gest. 1176), dessen Vater Roger Bigod mit Wilhelm dem Eroberer nach England gekommen war. Nach dem
erbelosen Tod Roger Bigods, fünften Grafen von N., fielen 1306 Besitz und Würde an die Krone. Eduard I. erhob seinen Sohn
zweiter Ehe Thomas von Brotherten (geb. 1300, gest. 1338) zum Grafen von N. und Marschall von England; ein Urenkel von diesem
in weiblicher Linie, Thomas Mowbray, Graf von Nottingham, wurde 1397 von Richard II. zum
Herzog von N. ernannt. Einen Streit, den er mit dem Herzog von Hereford, dem spätern Heinrich IV., hatte, entschied Richard
1398 durch beider Verbannung, in der N. schon 1399 starb. 1424 erhielt der Graf-Marschall John Mowbray den Herzogstitel von N.
Er starb schon 1432 und sein Sohn John N. wurde 1444 in dieser Würde bestätigt. Dieser nahm auf seiten Yorks teil am Rosenkrieg und starb 1461 ohne Erben.
Richard III. übertrug bei seiner Thronbesteigung die Würden eines Herzogs von N. und Graf-Marschalls auf das Haus
Howard (s. d.), in dessen Besitz sie noch heute sind. 1483 wurde
John Howard, Sohn des mit Margarete Mowbray vermählten Sir Robert Howard, zum ersten Herzog von N. ernannt. Er war ein treuer
Anhänger Yorks, war 1470 Lord Howard geworden und unter Eduard IV. Mitglied des Rates. Er fiel auf der Seite Richards bei Bosworth 1485, wurde nachträglich unter
Heinrich VII. deshalb geächtet und seine Güter eingezogen. Sein ältester Sohn Thomas Howard, von Richard zum
Grafen von Surrey erhoben, erhielt diesen Titel, nicht aber die Herzogswürde seines Vaters zurück. Er focht 1495 gegen
Schottland, nahm vor allem teil an Heinrichs VII. auswärtiger Politik und erfocht unter Heinrich VIII. 1513 den entscheidenden Sieg bei Flodden
(s. d.) über die als Bundesgenossen Frankreichs in England eingefallenen Schotten. Heinrich VIII. gab ihm darauf auch den Titel eines
Herzogs von N. zurück. Er mußte noch dem Gericht, das den Herzog von Buckingham verurteilte, vorsitzen und starb 21. Mai 1524.
Sein Sohn Thomas Howard, Graf Surrey, dritter Herzog von N., geb. 1474, spielte bis zum Tode Heinrichs VIII. eine bedeutende,
wenn auch wenig ehrenvolle polit. Rolle. Er war dauernd der Führer von Hofparteien, mit denen er zuerst den Kardinal Wolsey und seine Friedenspolitik bekämpfte
und dann als Haupt der kath. Partei Thomas Cromwell und dessen prot. Bestrebungen Hindernisse in den Weg legte. Beide großen Staatsmänner hat er gestürzt, beide
auf dieselbe Weise, indem er durch weibliche Verwandte den sinnlichen Monarchen umgarnen ließ. Zwei seiner Nichten, Anna Boleyn und Katharina Howard, sind dadurch
als Gattinnen Heinrichs auf den Thron gekommen. Beide endeten auf dem Schafott. Während er im Felde gegen Irland (1521), Schottland (1542) und Frankreich (1544)
sich nicht ↔ ohne Geschick zeigte, gingen seine polit. Fähigkeiten nicht über die geschickte Leitung von Hofintriguen hinaus. Er war
selbstsüchtig, ehrgeizig und völlig gewissenlos und hat selbst am Untergang der Anna Boleyn mitgearbeitet. Er überdauerte alle seine Opfer; erst zuletzt, als
Heinrich VIII. wieder eine Wendung zum Protestantismus einschlug, schien auch ihn das Schicksal zu erreichen. Er und sein Sohn Graf Surrey wurden Dez. 1546
verhaftet, der letztere endete unter dem Beil, aber noch vor Beendigung des Verfahrens gegen N. starb der König Jan. 1547. Unter dem prot. Regiment Eduards VI.
mußte N. im Tower bleiben, Maria I. setzte ihn in alle Ehren wieder ein. Er starb 25. Aug. 1554.
Thomas Howard, vierter Herzog von N., der Sohn des hingerichteten Grafen Surrey, geb. 1536, gab sich unter Elisabeth für einen
Anhänger der Staatskirche aus, arbeitete aber insgeheim für die kath. Partei in der Hoffnung, durch sie seine Vermählung mit der gefangenen Maria Stuart zu
erreichen. Seine Pläne wurden von Cecil entdeckt, er wurde gefangen gesetzt, aber bald wieder freigelassen. Er fuhr in seinen Umtrieben fort und gab ihnen durch
die Anrufung Philipps von Spanien einen ernstern hochverräterischen Charakter. Philipp versprach Hilfe für den geplanten Aufstand; aber da Cecil von allen
Anschlägen wußte, wurde N. verhaftet und 2. Juli 1572 enthauptet.
Sein Sohn Philipp Howard nahm statt des durch die Acht des Vaters verwirkten Titels kraft Rechtes seiner Mutter, der
Erbtochter des Grafen von Arundel, diese Würde an, auch er wurde 1590 wegen Hochverrates verhaftet und starb 1595 im Tower.
Sein nächstältester Bruder, William Howard, wurde 1603 als Lord Howard wieder in die Rechte seines Blutes eingesetzt und
dessen Enkel Charles 1661 zum Grafen von Carlisle (s. d.) erhoben. – Der Sohn des Grafen von Arundel,
Thomas Howard, Graf von Arundel, erhielt 1603 von Jakob I. die Würde eines Grafen von Surrey und 1644 wenigstens die eines
Grafen von N. wieder zurück. Er zeichnete sich durch Kunstsinn aus und kaufte die jetzt in Oxford befindlichen, als
Arundel-Marbles bekannten Denkmäler an. (S. Marmorchronik.) Er starb 1646. Die Würde eines fünften Herzogs von N. und den Titel eines
Graf-Marschalls erhielt erst sein Enkel Thomas Howard 1664; jedoch blieb den N. die öffentliche Laufbahn verschlossen, weil
sie entschieden am Katholicismus festhielten. Als die gerade Linie 20. Sept. 1777 mit Edward Howard, neuntem Herzog von N., erlosch, gingen Titel und Würden an
Charles Howard, einen entfernten Verwandten über, der ebenfalls streng katholisch war und 31. Aug. 1786 starb.
Dessen Sohn Charles, elfter Herzog von N., geb. 1742, entsagte 1780 dem Katholicismus, trat als Graf Surrey ins Unterhaus,
hielt sich zur Opposition gegen North und Pitt und setzte diese im Oberhaus seit 1786 fort. Er genoß seiner regellosen Sitten wegen geringes Ansehen und starb
ohne Erben 1815. – Ihm folgte der Urenkel eines jüngern Bruders des fünften Herzogs von N., Bernard Edward Howard, geb. 1765,
als zwölfter Herzog von N., der nach der Katholikenemancipation 1829 als erster kath. Peer im Oberhaus erschien. Er starb 1842. – Sein einziger Sohn
Henry Charles Howard, dreizehnter Herzog von N., geb. 1791, war seit 1832 Unterhausmitglied und eifriger Whig; 1846 wurde er
Oberstallmeister. 1851 trat er zum
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 436.