Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Obstbaumpflege'
Die weitere Pflege erstreckt sich auf den Schnitt, der in erster Linie den Zweck hat, eine schöne kräftige Form zu erziehen, um an
dieser vollkommenes und kurzes Fruchtholz zu gewinnen. Die Krone des Obstbaums soll stets nach allen Richtungen im
Gleichgewicht bleiben, d. h. alle Zweige, die in gleicher Hohe am Stamm entstehen, sollen gleichstarke Entwicklung zeigen, und
die untern Zweige einer Krone sollen durch die oft üppiger wachsenden obern Zweige nicht überwuchert werden. Die
Fruchtbarkeit soll nicht in ein Übermaß ausarten, weil darunter die Qualität der Früchte leidet; in solchem Falle verjüngt man
beizeiten die Krone durch einen Rückschnitt ins 5–6jährige Holz, sonst tritt sehr bald Erschöpfung und Unfruchtbarkeit ein; eine
Düngung mit Stalldung und Jauche im Frühjahr wirkt ebenfalls auf Stärkung des Holztriebes am Baume, wogegen eine
August-Düngung mit aufgelöstem Guanosuperphosphat oder Thomasschlacke und Kalisalzen auf Vermehrung des
Fruchtansatzes hinwirkt.
Eine besondere Sorgfalt hat man auf das Befestigen junger Stämme durch Baumbänder (s. d.) an
Baumpfähle (s. d.) zu verwenden. Zur weitern Pflege des Obstbaums gehört eine gründliche
Bodenbearbeitung; in Obstgärten wird der Boden im Frühjahr und vor dem Winter gegraben, im Sommer etwa dreimal
durchgehackt zur Lüftung und Reinigung des Erdreichs; in Baumgärten, die durch Gras- oder Kleewuchs eine Nebennutzung
gewähren, muß jeder Stamm 2–3 m weite Baumscheiben erhalten, die stets gelockert, von Unkraut und Rasen freigehalten
werden. Die Baumscheiben werden vor dem Winter mit Dung eingedeckt und dieser im Frühjahr untergegraben. Wasser erhält
der Baum bei großer Dürre:
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1) nach schneearmen Wintern im Frühjahr;
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2) bei Beginn des zweiten Triebes um Johanni;
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3) bei sehr reichem Fruchtansatz zu wiederholten Malen.
Wenn man gießt, muß solches aber gründlich geschehen.
Krankheiten der Obstbäume werden am sichersten verhütet durch gute, dem Klima und
Boden entsprechende Sortenauswahl und rationelle Kultur. Zufällige Verletzungen, größere Schnittwunden, krebsartige Platten
und Gummifluß werden nach glattem Ausschneiden und vollständigem Abtrocknen mit Baumkitt (s. d.) oder
Baumwachs (s. d.) bedeckt. Grüne Läuse und Blattläuse werden durch Bespritzen mit einer
Quassiaseifenlauge vernichtet, die aus einer Abkochung von Quassiaspänen (5 kg in 20 l Wasser) und 20 kg Schmierseife sowie
20 kg Soda in 80 l Wasser hergestellt wird. Dieses Extrakt wird beim Gebrauch mit dem neunfachen Quantum Wasser verdünnt;
gegen Schildläuse wirkt die fünffache Verdünnung nur Anfang April, wenn die junge Brut auskriecht. Gegen den
Frostschmetterling, dessen Raupen im Sommer die Blätter abweiden, legt man Ende Oktober einen Papierstreifen um den
Stamm und bestreicht diesen mit Raupenleim (s. d.). Den Klebstoff erneuert man im Frühjahr, um anderes
Ungeziefer, in erster Linie den Blütenstecher, zu fangen. Allen Pilzbildungen an Blättern und Früchten der Obstbäume, Meltau,
Kräuselkrankheit des Pfirsich, Schwarzfleckigkeit der Kernobstfrüchte, begegnet man am besten durch Einpudern mit
Schwefelblüte bei hellem Sonnenschein und nach vorhergegangenem kräftigem Bespritzen der Bäume. Endlich wirkt ein
Abkratzen der alten, abgestorbenen Rinde an Stämmen und Zweigen mit allen anhaftenden Moosen und Flechten
↔ außerordentlich belebend auf den Baum; auch werden dadurch die Schlupfwinkel der Insekten zerstört; nach
dem Abkratzen werden die Bäume mit einer dünnflüssigen Mischung aus Lehm, Kuhmist, Kalk und Wasser bestrichen, um ihnen
eine recht glatte und gesunde Rinde zu geben. – Vgl. Goethe, Der Obstbaum, seine Pflanzung und Pflege als Hochstamm
(3. Aufl., Weim. 1889); Lucas, Die Lehre vom Baumschnitt (6. Aufl., Stuttg. 1891); Gaertner, Erziehung, Schnitt und Kultur der
Form- oder Zwergbäume (3. Aufl., Frankf. a. O. 1892).
Obstbaumzucht, die Vermehrung und Erziehung (Formierung) der Obstbäume und Sträucher, wird in
Baumschulen (s. Garten) betrieben. Zur Bildung der Hochstämme pflanzt man Wildlinge in Reihen mit 70 cm
allseitiger Entfernung auf und zieht aus diesen den Stamm (z. B. Kirschen), oder man veredelt den Wildling in der Höhe des
Bodens und erzieht aus dem Edeltrieb den später kronentragenden Stamm. Den Wildlingsstamm veredelt man in Kronenhöhe,
d. h. für Halbstämme 1–1 ¼ m über Bodenhöhe, für Hochstämme bei 2 ½ –3 m Stammhöhe; aus der Veredelung wird dann die
Krone gezogen, während bei den Edelstämmen durch Rückschnitt in der oben angegebenen Höhe die Entwicklung der Krone
bewirkt wird. Der Stamm muß vor Beginn der Kronenbildung 1 m über dem Erdboden mindestens 2 ½ cm Durchmesser haben.
Zur Kräftigung des Stammes läßt man anfangs alle Seitenzweige desselben wachsen, entspitzt dieselben aber im Trieb stets auf
etwa 15 cm Länge und schneidet sie im Frühjahr auf zwei Augen kurz zurück; später werden dieselben allmählich ganz entfernt.
Ist die Stammverlängerung des verflossenen Jahres verhältnismäßig schwach, so schneidet man diese um ein Drittel zurück, um
einen kräftigern Trieb zu erlangen; der darauffolgende Trieb muß dann aber sorgfältig und gerade aufgebunden werden; bei
Kirschen ist ein solcher Rückschnitt des Stammes nicht erforderlich. Die Krone des Baums wird möglichst pyramidenförmig
gezogen. In den folgenden 6–10 Jahren werden sämtliche Kronenzweige um etwa die Hälfte gekürzt; man erstrebt dabei eine
Richtung der Kronenzweige, die etwa um 45–50° von der Hauptachse des Baums abweicht. Alle Seitenzweige der Kronenäste
werden stets kurz gehalten, einmal durch wiederholtes Entspitzen im Triebe während des Frühlings und Sommers, andererseits
durch Rückschnitt im Februar und März auf 6–8 Augen oder bei ältern Bekleidungszweigen auf ebensoviele Kurztriebe
(s. Fruchtholz). Diese Behandlung erfährt der Baum aber meist erst an seinem spätern, bleibenden Standort
im Obstgarten nach dem Versetzen (s. Obstbaumpflege). Kesselkronen, Zwergbäume, Spaliere und
Cordons werden nach der vorgeschriebenen Form durch regelrechten Schnitt gebildet, jedoch werden hier größere Ansprüche
an die korrekte Ausführung gestellt, über Vermehrung s. die einzelnen Obstarten. – Vgl. Goethe, Die Obstbaumschule (2. Aufl.,
Stuttg. 1884).