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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Osmanisches Reich (Heerwesen)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Osmanisches Reich (Heerwesen)'

jedoch 4), bei den andern Waffen 4 (bei Kavallerie und Artillerie thatsächlich 5) Jahre, in der Reserve (Ichtiad) 3 und 2, in der Landwehr (Redif) 8 und im Landsturm (Mustahfiz, s. d.) 6 Jahre. Man nimmt an, daß die Friedensstärke etwa 200000 Mann betrage, darunter 170–175000 Kombattanten. Die Friedensarmee gliedert sich in 7 ständige Armeekorps, deren Hauptquartiere sich zu Konstantinopel, Adrianopel, Monastir, Erzerum, Damaskus, Bagdad und Jemen befinden; außerdem bestehen noch 3 selbständige Divisionen in Hedschas, Tripolis und auf der Insel Kreta sowie 2 selbständige Departements der Gendarmerie und der Großmeisterei der Artillerie. Jedes Armeekorps (Ordu) soll im Frieden umfassen: 2 Infanteriedivisionen zu je 2 Brigaden von je 2 bis 3 Regimentern (à 4 Bataillone) sowie je 1 Schützenbataillon, ferner 1 Kavalleriedivision zu 3 Brigaden von je 2 Regimentern (à 5 Eskadrons), 2 bis 3 Artilleriebrigaden zu 2 Regimentern von je 2 bis 3 Abteilungen (à 3 Batterien), ferner 1 Geniebataillon und 3 Traineskadrons.

Die Infanterie zählt 4 Leibgarde-Zuavenbataillone, 15 Schützenbataillone, 66 Linienregimenter (Nr. 1–66), von denen 64 je 4 Bataillone und 2 je 3 Bataillone zählen, zusammen 262 Bataillone zu 250–550 Mann; zu den Fußtruppen zählen ferner noch 4 Feuerwehrbataillone in Konstantinopel; die Kavallerie: 1 Leibregiment (Ertogrul) zu 5 Eskadrons, 36 Linienregimenter (Nr. 1–36) zu je 5 Eskadrons, 2 Lokalregimenter in Tripolis, 1 Lokalregiment im Libanon, letzteres größtenteils aus christl. Soldaten zusammengesetzt. Die etatsmäßige Friedensstärke von 112 Pferden wird nie erreicht, sie schwankt zwischen 50 und 80 Pferden. Da die Linienkavallerie zur planmäßigen Aufstellung der Kavalleriedivisionen nicht ausreicht, hat man seit einigen Jahren im Bereich des 4. und 5. Ordu (Erzerum und Damaskus) begonnen, eine Art Milizkavallerie (Hamidie) aus Kurden aufzustellen; es sind 56 Regimenter mit 237 Eskadrons zu etwa 600 Reitern errichtet, nur ist sie wegen ihrer Neigung zu Ausschreitungen aller Art schon recht übel beleumundet.

Feldartillerie: Im 1. Ordu giebt es 4 Regimenter zu 2 Abteilungen, im 2. bis 5. je 6 zu 2–3 Abteilungen, im 6. sind es 1 Regiment zu 5 Abteilungen, im 7. 1 Regiment zu 2 Abteilungen; außerdem befinden sich bei den Divisionen in Hedschas 1 Abteilung, in Tripolis 1 Regiment zu 2 Abteilungen, auf Kreta 1 Abteilung. Die Abteilungen haben 2–4 Batterien; ihre Gesamtzahl betrug Anfang 1896: 169 fahrende, 44 Gebirgsbatterien, 18 reitende und 12 Haubitzbatterien, zusammen 243 Batterien zu je 6 Geschützen; alle Batterien sind im Frieden unvollständig bespannt. Die Festungsartillerie ist neuerdings vermehrt worden und zählt jetzt 24 Compagnien in Konstantinopel und 79 Compagnien bei der Großmeistern der Artillerie, zusammen 103 Compagnien. Feldgenietruppen: 4 Geniebataillone mit 19 Compagnien, auf die verschiedenen Ordus verteilt, ferner 4 Compagnien Telegraphentruppen. Festungsgenie: 17 Compagnien,ferner noch 2 Regimenter Zeugartillerie von je 2 Bataillonen (à 5 Compagnien) und verschiedene kleine, der Feldartillerie zugeteilte Trainabteilungen.

Im Kriege sollen in jedem der 6 Ergänzungsordus 4 Kol-Ordu (Korps) gebildet werden und zwar 1 Nizâm (Feld-Armeekorps), 2 Redif (Landwehr-Armeekorps), 1 Mustahfiz (Landsturm-Armeekorps). ↔ Über die Kriegsstärken gehen die Schätzungen sehr auseinander. Im allgemeinen kann man rechnen, daß die vorhandenen 287 Nizâmbataillone und die nur in Stämmen vorhandenen 354 Redifbataillone höchstens je 800 Mann stark sein werden, das ergiebt eine Gesamtstärke der Infanterie von 512000 Mann. Rechnet man die andern Waffen hinzu, sowie die Milizkavallerie, die Ersatz- und Landsturmbataillone, für welch letztere im Frieden aber nichts vorhanden und auch nichts vorbereitet ist, so kann man unter Herbeiziehung aller irregulären freiwilligen Korps, deren sich im O. R. eine Anzahl zusammenfindet, die Gesamtstärke aller mobilen Streitkräfte allenfalls auf 800000 Mann annehmen. Doch pflegt diese höhere Zahl aber erst in einem länger andauernden Kriege zu erstehen; bei Beginn eines Krieges würde kaum auf mehr als 400000 Mann zu rechnen sein.

Am 13. März 1887 trat ein neues Rekrutierungsgesetz (vom Nov. 1886) in Kraft, nach dem fortan alle diensttauglichen Militärpflichtigen, sogar die als einzige Ernährer ihrer Familien dem Redif überwiesenen (diese jedoch nur einmal wöchentlich in der Heimat), zu Waffenübungen herangezogen werden, also einige militär. Ausbildung erhalten, während bisher gegen 60 Proz. im Frieden nicht zur Erfüllung der Dienstpflicht gelangten. Fortan dienen die auf Grund der Losung nicht zur Linie auf dreijährige Dienstzeit ausgehobenen Militärpflichtigen 6–9 Monate bei in der Nähe ihres Wohnsitzes stehenden Nizâmtruppen oder, wo diese fehlen, bei Redifstämmen. Als ein Ergebnis der Thätigkeit der von 1887 bis 1893 arbeitenden Reorganisationskommission (Vorsitzender: von der Goltz) sind verschiedene neue Reglements, wie über die Bildung der Reserveoffiziere, über Organisation des Traindienstes im Kriege, über Ausbildung der 2. Portion der Wehrpflichtigen (Kism-sani) und verschiedene andere zu vermerken, die lang empfundene Lücken ausfüllen sollen und werden; dann sind aber auch eine endliche Regelung der Kommando- und Abgrenzungsverhältnisse des den westlichen türk. Besitz der Balkanhalbinsel umfassenden 3. Ordubereiches und die damit zusammenhängenden Neugliederungen im 5. Ordubereich (Damaskus), sowie der Divisionen von Kreta und Hedschas erreicht worden. Der 3. Ordubezirk gliedert sich nun in 4 Divisionen:

  • 1) Jannina,
  • 2) Skutari am See,
  • 3) Üsküp,
  • 4) Saloniki.

Die 2 neuen Divisionen erhielten die Nr. 16 und 17; die selbständige Division in Hedschas erhielt die Nr. 18.

Die Militärbildungsanstalten stehen unmittelbar unter dem Kriegsministerium, nur die Artillerie- und Ingenieurschule am Goldenen Horn ist dem Muschir der Artillerie unterstellt. Die unterste Stufe sind die Ruschdieh, vierklassige niedere Bürgerschulen von 200 bis 600 Schülern, in die jeder junge Mann eintreten darf und wo er sowohl den Unterricht wie alle Unterrichtsmittel unentgeltlich empfängt. Es giebt 30 Ruschdieh, darunter 8 in Konstantinopel; die Schüler verbleiben in jeder Klasse ein Jahr. Die mittlern Anstalten heißen Idadieh, sind dreiklassig, zuweilen mit einer Vorklasse und stehen unter höhern Stabsoffizieren. Es giebt 7 solche Schulen, je eine für jeden Ordu, zu Konstantinopel, Brussa, Adrianopel, Monastir, Erzerum, Damaskus und Bagdad; für Arabien und Tripolis steht die Errichtung derartiger Schulen bevor, und mit der zu Konstantinopel ist eine mediz. Voranstalt verbunden. Die Zahl der