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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Österreichisch-Ungarische Monarchie (Geschichte)

gebiet gegen die Gebiete der verschiedenen Landessprachen abgegrenzt werden sollte, wurde 12. März 1886 in einem Ausschuß begraben. Dagegen richtete der Minister Pražak 23. Sept. einen Erlaß an die Oberlandesgerichte in Prag und Brünn, daß nicht bloß die Erledigungen, sondern auch deren Entwürfe sowie ihre Begründung in der gleichen Sprache wie die Eingaben abgefaßt, also das Czechische auch für den innern Dienst zulässig sein sollte, was die Kenntnis dieser Sprache auch für die Räte dieser Gerichte notwendig machte.

Die durch die Sprachverordnungen der Regierung am meisten beeinträchtigten Deutschen Böhmens suchten nun wenigstens für die rein deutschen Gebiete die ausschließliche Geltung der deutschen Staatssprache zu retten. Aber ein dahin gehender Antrag, den der Abgeordnete E. von Plener im böhm. Landtage stellte, wurde 18. Jan. 1886 abgelehnt, und als Plener ihn 22. Dez. wiederholte, nicht einmal einer Kommissionsberatung gewürdigt, worauf sämtliche deutschen Abgeordneten den Landtag verließen.

Kamen so die Slawen der Verwirklichung ihrer Wünsche immer näher, so hielten auch die Klerikalen endlich die Zeit für gekommen, wo sie ihren Plan durchsetzen konnten. Am 25. Jan. 1888 stellte der Prinz Aloys Liechtenstein den Antrag, es solle die Dauer der Volksschule auf 6 Jahre herabgesetzt, die Zahl der Unterrichtsgegenstände beschränkt, der Kirche die Mitaufsicht über die ganze Schule eingeräumt, die Anstellung der Lehrer an kath. Schulen von der durch den Bischof erteilten Befähigung zum Religionsunterricht abhängig gemacht, die Feststellung der übrigen gesetzlichen Bestimmungen den Landtagen überlassen werden. Dieser Antrag rief unter den Liberalen eine ungeheure Aufregung hervor und veranlaßte zahllose Gegendemonstrationen. Lienbacher, der aus dem Centrumsklub ausgetreten war, brachte daher (15. März) einen weniger weit gehenden Antrag ein, und Liechtenstein selbst willigte auf Wunsch des Kaisers in die Vertagung der Verhandlung bis zum Herbst, wogegen man den Klerikalen dadurch entgegenkam, daß 12. Okt. 1888 einer ihrer Partei, Graf Schönborn, bisher Statthalter in Mähren, Justizminister wurde. Erst 4. Mai 1889 brachte die Regierung eine Novelle zum Schulgesetz ein, wonach Erleichterungen des Schulbesuches gewährt werden sollten, doch kam sie wegen des Schlusses des Reichsrates nicht mehr zur Beratung.

Die Regierung hatte immer gewünscht, daß die polit. Fragen in den Hintergrund gedrängt, dagegen die Förderung der materiellen Interessen besonders ins Auge gefaßt würden. Zahlreiche Bahnen wurden verstaatlicht und nur das Privilegium der Nordbahn, das 1886 ablief, trotz heftiger Opposition auf weitere 50 Jahre verlängert. Die Angriffe, die bei dieser Gelegenheit gegen den Handelsminister Pino gerichtet wurden, führten 16. März 1886 zu dessen Entlassung, und es trat 26. Juni Marquis von Bacquehem an seine Stelle. Der Strömung der Zeit und den Forderungen der Klerikalen entsprechend, wurden Zwangsinnungen und der Befähigungsnachweis, ein Normalarbeitstag (11 Stunden) und Sonntagsruhe eingeführt, auch im Interesse der Arbeiter ein Unfallversicherungs- und ein Krankenversicherungsgesetz gegeben. Den Wünschen der Industriellen und Landbauer kam man 1882 durch hohe Zölle entgegen. Den zerrütteten Finanzen suchte man durch Erhöhung der Zölle auf Kaffee und Petroleum, durch eine besonders für die Alpenländer drückende sehr hohe Gebäudesteuer (1881) und im Einvernehmen mit Ungarn durch ein Branntweinsteuergesetz abzuhelfen. Dadurch wurden die Einnahmen in zehn Jahren um mehr als 150 Mill. Fl. gesteigert, und man erreichte es, daß endlich für 1889 und 1890 ein Budget ohne Deficit vorgelegt werden konnte, trotzdem man wichtige Eisenbahnen gebaut und auch die Wehrkraft des Staates nicht vernachlässigt hatte. Die Landwehr war schon 1883 in nähere Verbindung mit dem stehenden Heere gebracht worden. 1886 wurde ein Landsturmgesetz gegeben, wonach alle waffenfähige Mannschaft vom 19. bis zum 42. und die ehemaligen Angehörigen des Heers, der Marine und der Landwehr bis zum 60. Lebensjahre im Kriegsfalle zur Landesverteidigung verpflichtet sind, die im ersten Aufgebot (bis zum 38. Lebensjahre) Stehenden auch zur Ergänzung des stehenden Heers und der Landwehr herangezogen werden können. Das im Nov. 1888 vorgelegte neue Wehrgesetz, das nach manchen Kämpfen im Abgeordnetenhause April 1889 von beiden Häusern angenommen wurde, brachte neben manchen Verbesserungen auch eine Steigerung des Rekrutenkontingents um 7626 Mann und Verschärfungen der Bestimmungen für die EinjährigFreiwilligen, von denen alle, die am Ende des Jahres die Offiziersprüfung nicht bestehen, ein zweites Jahr dienen müssen. Die Armee wurde mit Repetiergewehren und -Karabinern, die festen Plätze mit neuen Geschützen versehen und rauchloses Pulver eingeführt. Im Herbst 1892 genehmigten die Delegationen die Erhöhung des Friedenspräsenzstandes der Infanterie um 14688 Mann und die Vermehrung der Offiziersstellen um 1087. Im Dez. 1893 wurde eine Novelle zum Gesetz über die Landwehr angenommen, wodurch die Dienstpflicht für dieselbe, welche bisher höchstens 14 Monate betragen hatte, auf zwei Jahre, für Unteroffiziere auf drei Jahre ausgedehnt, der Präsenzstand erhöht und die Bestimmung, daß zur Verwendung außerhalb des Staatsgebietes ein Reichsgesetz erforderlich sei, beseitigt ward.

Stützte sich die Regierung im Innern vorzüglich auf die slaw. Stämme, so schlug die auswärtige Politik eine gerade entgegengesetzte Richtung ein. Schon Andrássy, der immer für freundschaftliche Beziehungen zu Deutschland gewesen war, hatte zur Sicherung des Berliner Vertrages 7. Okt. 1879 den Abschluß eines Bündnisses bewirkt, wonach Österreich und Deutschland, wenn eins der beiden Reiche von Rußland angegriffen oder eine andere Macht bei einem solchen Angriffe von Rußland unterstützt würde, sich gegenseitig mit der ganzen Kriegsmacht beizustehen verpflichtet sein sollten. Andrássy trat zwar schon gleich darauf von seinem Amte zurück, worin ihm Freiherr von Haymerle und nach dessen baldigem Tode 19. Nov. 1881 Graf Kalnoky folgte; aber auch diese verfolgten dieselbe Richtung. Auch Italien, durch Frankreichs Vorgehen gegen Tunis verletzt, näherte sich jetzt Österreich und Deutschland, was Okt. 1881 in einem Besuch des ital. Königspaares in Wien seinen Ausdruck fand. Serbien ward durch einen Handelsvertrag und eine Eisenbahnverbindung in Österreichs Interessenkreis gezogen. Ein Vertrag, der 9. Mai 1883 in Wien von den Bevollmächtigten Österreich-Ungarns, der Türkei, Serbiens und Bulgariens unterzeichnet wurde, sicherte bis längstens 15. Okt. 1886 den Ausbau der direkten Eisenbahnlinien Wien-Konstantinopel und Wien-Saloniki und erleichterte so die Handelsverbindungen Österreichs mit den Ländern der Balkanhalbinsel. Auch