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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Papst
Deutschland crhob Innocenz gegen ^tto IV. seinen
Mündel Friedrich II. auf den Thron, der aber sofort
nach dein Tode seines Vormundes gegenüber den
päpstl. Ansprüchen thatkräftig die kaiserl. Rechte gel-
tend machte und mit Gregor IX. (s. d.) und Inno-
cenz IV. (s. d.) in erbitterte Kämpfe verwickelt wurde.
Trotz wiederholter Bannflüche blieb Friedrich unge-
beugt, und auch sein Sohn Konrad IV. behauptete
sich in Deutschland; aber sein Enkel Konradin (s. d.),
der letzte Hohenstaufe, endete, von Karl von Anjou,
oem Günstling des P., geschlagen, auf dem Blutgerüst
(1268). Das Papsttum hatte das Kaisertum besiegt.
VI. Periode. Die sechste Periode, vom Aus-
gange des 13. Jahrh, bis zur Reformation, stellt
wiederum einen Verfall des Papsttums dar. Durch
die völlige Zerrüttung Deutschlands war Frank-
reich mächtig geworden und trat zunächst den For-
öeremgen Roms eutgegen. Als Bonifacius VIII.
(s. d.) in feiner Bulle Hnain 8Hiicwm die Unter-
ordnung der weltlichen Macht unter die geistliche
und die Pflicht des Gehorsams aller Kreatur gegen
den röm. Bischof als Glaubenssatz aussprach, fand
er an Philipp dem Schönen von Frankreich Wider-
stand, und von Clemens V. (s. d.) an mußten die
P. ihre Residenz in Avignon nehmen (das fog. Ba-
bylonische Eril, 1309-77), wo sie ganz unter franz.
Einfluß standen. Noch tiefer fank ihr Ansehen, als
1378 neben dem italienischen P. Urban VI. von
den franz. Kardinälen Clemens VII. zum P. ge-
wählt wurde und nun zwei P., die einander gegen-
seitig verfluchten, sich um die Herrschaft über die
abendlä'nd. Christenheit stritten (das Schisma). Der
doppelte Zofhalt zu Avignon und Rom verschlang
unermeßliche Summen, die den: Klerus und den
Gläubigen abgepreßt wurden. Immer lauter wur-
den die Beschwerden, immer allgemeiner erhob sich
die Forderung einer Reformation der Kirche an
.Haupt und Gliedern. Daneben regten sich in Eng-
land und Böhmen noch viel weiter gehende Re-
sormbestrebungcn. Das Konzil zu Pifa (1409)
dinterließ statt zwei P. deren drei. Zwar gelang es
dem Konstanzer Konzil (s. d.), die große Spaltung
durch Absetzung der drei P. zu endigen; aber der
1417 an ihre Stelle gewählte alleinige P. Martin V.
löste das Konzil auf, ohne den Wünschen der Völker
nach einer Reformation gerecht geworden zu sein.
Auch das Baseler Konzil (s. d.) unterlag im Kampfe
gegen Eugen IV. Frankreicb wurde schon 1438
durch die Pragmatische Sanktion gewonnen, durch
die die Freiheiten der Gallikanischen Kirche (s. d.)
begründet winden; Deutschland wurde durch die
Schwäche seines Kaisers uno durch die Schlau-
heit seines im Dienste des Papsttums arbeitenden
Gesandten, Ltneas Sylvius, des nachmaligen P.
Pius II. (s. d.), im Wiener Konkordat (1448)
unterworfen. Untcr verschiedenen Titeln (Annaten,
Spolien u. s. w.) wurde dem P. ein überreiches
Einkommen gesichert und im 15. Jahrb. bezogen
die P. schon wieder unter mancherlei Namen die
Hälfte der geistlichen Einkünfte des Abendlandes.
Hilfe gegen die Türken war der gewöhnliche Vor-
wand, unter dem man Geld forderte. Ungeheure
Summen flössen zu diesem Zweck zusammen, aber
ielten wurden sie dafür verwendet; das meiste ver-
schlang die Verschwendung des Hofhalts, die Be-
stechung der röm. Barone und der päpstl. Nepotis-
mus. Nachdem Alexander VI. ls. d.) die Herrschaft
der adligen Geschlechter mit, Gift und Dolck ge-
drocbcn, brachte sein Nacbfolger Julius II. (s. d.)
das verschleuderte Erbgut des hcil. Petrus wieder
zusammen und behauptete es, mehr Feldherr als
Priester, im Kampfe mit Frankreich.
VII. Periode. Die siebente Periode reicht von
der Reformation bis zur Zeit Kaifer Josephs II.
(1515-1770) und zeigt ein allmähliches Zurücktreten
des Papsttums vom Vordergrund der Weltgeschichte.
Unter Leo X. (s. d.) erhob sich die deutsche Refor-
mation und riß fast die Hälfte des Abendlandes vom
Papsttum los. Die Hoffnung Kaifer Karls V., durcb
ein allgemeines Konzil die Einheit der Kirche wieder-
herzustellen, blieb unerfüllt. Das Tridentinische Kon-
zil (s. d.) stellte die kath. Kirchenlehre im scharfen
Gegensatz zum Protestantismus und die kirchliche
Verfassung und Sitte in fast völliger Abhängigkeit
vom Papsttum aufs neue fest. Die gleichzeitig mit
einer innern Wiedergeburt des Katholicismus seit
1580 sich vollziehende Gegenreformation (s. d.) brachte
schon unwiederbringlich verloren Geglaubtes zurück.
Der Jesuitenorden stützte den wankenden röm. Stuhls
hemmte die Reformation nach Kräften und gewann
durch Mission unter den Heiden dem Katholicismus-
neue Seelen. Trotzdem konnte das frühere Ansehen
des päpstl. Stuhls bei den veränderten Zeitverhält-
nissen nicht wiederhergestellt werden. Die Ponti-
fikate Pauls IV. (f. d.'), der in der Bulle Cum cx
^1)03to1aw3 okücio (1558) die maßlosesten Arn
sprüche des Papsttums erneuerte, Pius' V. (s. d.),
dessen Bulle In cokng. domini die feierliche Ver-
fluchung der Ketzer zum Kultusakte erhob, und
Gregors XIII. (s. d.), der sich ebenso sehr um die
Mission und das kanonische Recht, wie um die Ver-
besserung des Kalenders verdient machte, bezeichnen
eine Zeit der innern Sammlung und Kräftigung
des Papsttums als geistlicher Gewalt, während'Sir-
tus V., Clemens VIII. und Urban VIII. die polit.
Machtstellung der P. als Beherrscher des KnchW-
staates befestigten. Aber die Zeiten einer päpstl. Uni-
versalmonarchie waren vorüber. Bei aller Ergeben-
heit gegen den P. hielten auch die kath. Fürsten
immer strenger auf den Unterschied der geistlichen und
weltlichen Gewalt. Von der Mitte des 16. Jahrb.
an wurde kein deutscher Kaiser mehr vom P. getröm.
Der Westfälische Friede gewährte trotz der papstl.
Proteste den prot. Reicksständen Deutschlands volle
Religionsfreiheit. In Frankreich traten feit der Zeit
Ludwigs XIV., trotz der Aufhebung des Edikts von
Nantes und der franz. Protestantenverfolgung, die
kirchlichen Interessen auch inden katb. Staaten^immer
völliger hinter den politischen zurück, und im Streite
wider Innocenz XI. begründete Ludwig XIV. von
neuem die Gallikanische Kirchenfreiheit. (S. Gallika-
nische Kirche.) Das Papsttum sank immer mehr zum
ital. Fürstentum herab, dessen Verwicklung in alle
möglichen weltlichen Händel die geistliche Macht des
Kirchenoberhauptes nur beeinträchtigen konnte.
VIII. Periode. Die achte Periode reiche vvm
Iosephinischen Zeitalter bis zur Gegenwart. Der
geistige Umschwung seit Mitte des 18. Jahrh, ließ
auch das Papsttum nicht unbcrübrt. Nachdem bereits
verschiedene roman. Staaten die Jesuiten des Lan-
des verwiesen hatten, hob Clemens XIV., namentlicb
durch die bourbonischcnHöfe gedrängt, indem Brcvc
voniinns ao I5M6NMor iw3t6i' (1773) den Jesuiten-
orden auf. Die Aufklärungszeit untergrub den päpstl.
Einfluß noch mehr. Pius VI. (s. d.) verlor durch die
Revolution die franz. Kirche uno seine Staaten.
Pius VII. ^s. d.) mußte seine persönliche Freiheit
! und den Besitz des verkleinerten Kirchenstaates 18l)1