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Passionskreuz – Passivität
Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Passionsblume'
an der Basis mehr oder weniger röhrigen Kelch mit vier bis fünf blumenblattartigen Lappen, mit denen Blumenblätter in gleicher Zahl
abwechseln. In der Korolle und um den Griffel herum befindet sich ein eleganter Kranz aus zahlreichen, fadenförmigen, mehr oder
weniger langen, gefärbten, oft strahlenartig ausgebreiteten, duftenden Anhängseln. Der Fruchtknoten steht auf einem langen Träger und
trägt drei keulenförmige, freie, ausgebreitete Griffel; um den Träger ist eine Röhre angewachsen, die fünf freie Staubfäden mit großen,
beweglichen Antheren trägt. Die Frucht ist meistens eine mit saftigem Fruchtbrei erfüllte, seltener eine häutige Beere. Die Blüten kamen
im 17. Jahrh. nach Europa (von Passiflora incarnata L.),
wo man in den drei Griffeln die Nägel des Kreuzes Christi, in den fünf Staubfäden die Wundmale, in dem Fadenkranz die Dornenkrone
erblickte. Daher der vom Jesuiten Ferrari aufgebrachte Name.
Von den zahlreichen Arten sind die bekanntesten:
Passiflora coerulea L.,. (Peru), seit 1625 bekannt; die
weißen Blumen haben einen blauen Fadenkranz und die Frucht ist eiförmig, so groß wie ein Hühnerei und orangegelb. Diese Art läßt
sich im frostsichern Zimmer, im Notfall auch in einem hellen, trocknen Keller überwintern und blüht im Sommer im Freien an einer
sonnigen Wand auf das reichlichste. Zwei Blendlinge (Passiflora coerulea
L. hybrida, s. Tafel:
Warmhauspflanzen, Fig. 6) werden nicht selten in Wohnzimmern unterhalten:
Passiflora coerulea-racemosa, die den ganzen Sommer hindurch mit langen Trauben violetter, und
Passiflora alato-coerulea, welche mit prächtigen, wohlriechenden, aufrechten blauen Blumen mit
weißem Fadenkranz blüht. Passiflora kermesina Lk. et O.,
in Rio de Janeiro einheimisch, blüht im Sommer mehrmals zu verschiedenen Zeiten und schon bei einer Höhe von kaum 1 m. Die
Blumen sind lebhaft karmesinrot und der Fadenkranz blau. Passiflora sanguinea Colla (s.
Textfigur 1 zu Artikel Passiflorinen), wahrscheinlich ein Hybrid zwischen
Passiflora alata Ait. und
racemosa Brot., zeichnet sich durch blutrote Blüten aus.
Passiflora racemosa Brot., aus Brasilien hat scharlachrote
Blumen und weißen Fadenkranz. Passiflora incarnata L.
klettert bis 10 m hoch und trägt große, 5–7 cm im Durchmesser haltende weiße Blumen mit purpurrotem Fadenkranz; die gelbe, wie ein
Hühnerei große Frucht ist von süßem Geschmack. Diese Art stammt aus Nordamerika und ist in Süddeutschland winterhart.
Passiflora quadrangularis L. (Jamaika), die
Grenadella der Peruaner, hat bis 10 cm große, höchst angenehm duftende, purpurrote Blumen,
deren Kranz aus dicken, gekrümmten, rot, weiß und violett kolorierten Fäden besteht. Die rotgelbe, festschalige Frucht erlangt bis 15 cm
Durchmesser und giebt mit Wein und Zucker eine angenehme Speise. Sie wurde schon 1609 nach Italien gebracht.
Die Mehrzahl der P. kann nur im Warmhause kultiviert werden. Alle aber erfordern einen etwas kompakten, Lehm und Sand enthaltenden
Gartenboden und reichliches Begießen. Sie lassen sich leicht durch Stecklinge und Ableger erziehen, welche letztere schon nach zwei
Monaten blühen. Zwei verwandte Gattungen, Disemma und
Tacsonia, finden sich in den Gewächshäusern in mehrern Arten vertreten. – Vgl. Gablenz, Die P.
(Berl. 1892).
Passionsmusik, Passionspredigt,
s. Passion. ↔
Passionsspiele, geistliche Volksspiele, in denen die Leidensgeschichte Jesu dramatisch dargestellt wird. Sie
sind wahrscheinlich durch das Beispiel der Osterspiele (s. d.) angeregt worden. Das älteste Stück dieser Art
(«Ludus paschalis sive de Passione Domini», abgedruckt in Schmellers
«Carmina burana», in der Bibliothek des Litterarischen Vereins, Stuttg. 1847) fällt noch ins 12.
Jahrh. und ist halb lateinisch, halb deutsch, letzteres namentlich in den komischen und lyrischen Stellen; das sog. Wiener Passionsspiel
(hg. von Haupt in Wagners «Archiv für die Geschichte deutscher Sprache und Dichtung», Wien 1873) erweitert und verdeutscht diesen
Ludus. Weitere P. aus dem 14. und 15. Jahrh. teilt Mone in den «Schauspielen des Mittelalters»
(2 Bde., Karlsr. 1846) mit; sie zeigen vielfach Verwandtschaft untereinander und benutzen namentlich ein geistliches Gedicht aus der
Wetterau, «Die Erlösung», entstanden im 13. Jahrh. Das ausführlichste aller P. ist das von Grein (Cass. 1874) und Froning (in
Kürschners «Deutscher Nationallitteratur») veröffentlichte Alsfelder, das mit einem Friedberger und einem 1493 zu Frankfurt a. M.
gegebenen, 265 Personen umfassenden, auf dieselbe Quelle zurückgeht und dessen Aufführung (1501) drei Tage in Anspruch nahm. Zu
Sterzing in Tirol ward 1496 ein zweitägiges, zu Bozen 1514 durch Vigil Raber sogar ein siebentägiges Passionsspiel aufgeführt, das
zwischen Palmsonntag und Himmelfahrtstag auf verschiedene Feste verteilt war. Das «Heidelberger Passionsspiel» von 1513 (hg. von
Milchsack, Tüb. 1880) zeigt zuerst die im Oberammergauer (s. Oberammergau) und Brixlegger Spiele heute noch
üblichen Präfigurationen, Vorbilder und Parallelen aus dem Alten Testament. Luther war der sentimentalen Verherrlichung der Leiden
Christi in den P. abgeneigt; im kath. Süddeutschland, namentlich in der Schweiz und in Oberbayern, haben sie sich als
Bauernspiele (s. d.) bis heute erhalten. – Vgl. Wackernell, Die ältesten P. in Tirol (Wien 1887); Wirth, Die Oster- und
Passionsspiele bis zum 16. Jahrh. (Halle 1889). (S. auch Mysterien.)
Passir, Pasir, kleiner, unter niederländ. Oberherrschaft stehender
Malaienstaat an der Ostküste von Borneo, mit gleichnamiger Hauptstadt am Flusse P.
Passiv (lat.), leidend, unthätig, Gegensatz zu aktiv (s. d.).
Passivität (lat.), Unthätigkeit; in der Chemie nach Schönbein (1836) der eigentümliche Zustand einiger Metalle,
in dem sie von verdünnter Salpetersäure, deren spec. Gewicht kleiner als 1,35 ist, nicht angegriffen
werden, während sie im normalen Zustande in solcher Säure oxydieren. Die P. tritt besonders deutlich beim Eisen hervor. Ein Eisendraht,
der in konzentrierte Salpetersäure getaucht war, kann in verdünnte Salpetersäure eingesenkt werden, ohne von dieser, wie vor seinem
Eintauchen in konzentrierter Salpetersäure, angegriffen zu werden. Die Ursache der P. liegt nach Faraday wahrscheinlich in einer
unmerklichen Oxydschicht, mit der sich die Metalle bedecken. Dies geht daraus hervor, daß durch alle Methoden, welche eine
Entfernung dieser Oxydschicht herbeiführen (Abfeilen der Oberfläche, Glühen im Wasserstoffstrom u.s.w.), das Eisen seine Passivität
wieder verliert. Das passive Eisen wird in den galvanischen Elementen statt des teuren
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 941.