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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Pierre – Pietisten

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Piërien'

schen P. östlich von Strymon an. Ein drittes P. lag im nördl. Syrien.

Pierre (frz., spr. pĭähr), Peter.

Pierrefonds (spr. pĭährfóng, mittellat. Petrafons), Flecken im franz. Depart. Oise, Arrondissement Compiègne, ist malerisch am Südostrande des Forstes von Compiègne, 14 km von Compiègne, an einem kleinen See und der Nebenlinie Compiègne-Villers-Cotterets der Nordbahn gelegen und hat (1891) 1195, als Gemeinde 1745 E., eine Eisenquelle, eine Schwefelquelle (10°C.) mit Badeanstalt und auf steilem Hügel das prächtige Schloß P., mit einem Donjon und im Hofe das moderne Bronzestandbild Ludwigs von Orleans (Bruders Karls VI., von Frémiet); 1617 wurde es entfestigt, während der Revolution verkauft, von Napoleon I. für den Staat wieder erworben und von Viollet le Duc stilgemäß erueuert. – Vgl. Viollet le Duc, Description du château de P. (Par. 1857; 12. Aufl. 1887).

Pierrefonds (spr. pĭährfóng), Gräfin und Graf von, Pseudonym der ehemaligen franz. Kaiserin Eugenie und ihres Sohnes Louis Napoleon.

Pierre ollaire (frz., spr. pĭähr ollähr), s. Chloritschiefer.

Pierrette (frz., spr. pĭärrét), s. Pierrot.

Pierrot (frz., spr. pĭäroh, «Peterchen»), eine komische Maske auf dem franz. Theater, die Verschmelzung des Arlecchino und Pulcinella (s. d.), ist wie dieser gekleidet und wie jener derb launig und dummschlau. Bei den Italienern ist der P. der einfältige Diener, der stets geprügelt wird. Das weite Kleid ist weiß und mit großen Knöpfen besetzt. Die entsprechende weibliche Hanswurstmaske heißt Pierrette.

Pierson (spr. pihrs'n), Henry Hugh, engl. Komponist, geb. 12. April 1815 in Oxford, studierte seit 1839 Musik in Deutschland und Italien und wurde 1844 Professor der Musik an der Universität Edinburgh. Seit 1846 lebte P. in Hamburg, seit 1863 in Stuttgart, seit 1872 in Leipzig, wo er 28. Jan. 1873 starb. Von seinen gediegen gearbeiteten Werken sind am bekanntesten: die Musik zum zweiten Teil von Goethes «Faust», die Opern «Leila» (1848) und «Contarini» (1872) und das Oratorium «Jerusalem» (1852).

Pieschen, Dorf in der Amtshauptmannschaft Dresden-Neustadt der sächs. Kreishauptmannschaft Dresden, an der Elbe, nordwestlich an Dresden (s. den Stadtplan zum Artikel Dresden) anstoßend und mit demselben durch Pferdebahn verbunden, hatte 1858: 400, 1885: 7950, 1890: 12422 (6185 männl., 6237 weibl.) E., darunter 662 Katholiken, Post, Telegraph, Fernsprechverbindung, Markuskirche (1888), Rathaus (1891), Wettindenkmal; Fabrikation von Nähmaschinen, Möbeln, Lack, Tapeten, Gummiwaren, Albuminpapier, Flußstahl, Maschinen, Fässern, elektrischen Kohlestiften, Senf, Bürstenhölzern, Gewürzen und Droguen, Stroh- und Filzhüten und Parkettfußboden, Handel mit Sandstein und Kohlen, Obst-, Wein- und Gemüsebau.

Piesel, Raum im dithmarsischen Bauernhaus (s. d., Bd. 2, S. 509b).

Piesport, Dorf im Kreis Wittlich des preuß Reg.-Bez. Trier, links an der Mosel, hat (1890) 584 kath. E., kath. Kirche; Weinbau, dessen vorzüglichste Lagen Falkenlei, Güntherslei, Taubengarten und Großwingert sind.

Piëta (ital., «Frömmigkeit», «Mitleid», «liebreiche Gesinnung»), in der bildenden Kunst die Darstellung ↔ der Maria mit dem Leichnam Christi. (S. auch Mater dolorosa.) Das berühmteste derartige Bildwerk ist die von Michelangelo gearbeitete Marmorgruppe in der Peterskirche zu Rom (s. Tafel: Italienische Kunst V, Fig. 4); ähnlich ist die ebenfalls aus Marmor 1725 gefertigte P. von N. Coustou in Notre-Dame zu Paris, während Rietschel in seiner P. (1845; Friedenskirche zu Potsdam) insofern von dem überlieferten Typus abgewichen ist, als er die Maria an der Seite des Leichnams Christi kniend dargestellt hat. Bei Malerwerken findet bisweilen auch dann die Bezeichnung P. Anwendung, wenn sie die Kreuzabnahme, Grablegung oder Beweinung Christi darstellen.

Pietät (lat. piĕtas), liebevolle Ehrfurcht vor den Eltern und andern der Verehrung würdigen Personen; im alten Rom wurde die Pietas göttlich verehrt.

Pietermaritzburg, Hauptstadt der brit. Kolonie Natal in Südafrika (700 m ü.d.M.), an einem rechten Nebenfluß des Umgeni, ist Station der Eisenbahn Durban-Charlestown, Sitz der Regierungsbehörden, eines anglikan. Bischofs und des obersten Gerichtshofs und hat (1891) 12300 E. P. ist berühmt wegen seiner gesunden Lage; die Straßen sind regelmäßig angelegt und von prächtigen Häusern gebildet. Sehr lebhaft ist der Handel nach Durban. P. wurde 1839 von den Boers, nachdem sie den Zulufürsten Dingaan geschlagen hatten, gegründet und erhielt seinen Namen nach den Anführern Pieter Retief und Geert Maritz.

Piëtismus, s. Pietisten.

Piëtisten (neulat.) nannte man zuerst in Leipzig die Anhänger Speners (s. d.), einige junge Magister, die seit 1689 erbauliche Vorlesungen (collegia philobiblica) hielten und unter Betonung der Herzensfrömmigkeit und des werkthätigen Glaubens sowie mit der Forderung selbst erlebten Heils und lebendiger Buße der Lehr- und Bekenntnisgerechtigkeit der Orthodoxie entgegentraten. Erweckung und Wiedergeburt galt ihnen als Merkmal des seligmachenden Glaubens, und das geistliche Priestertum aller Gläubigen wurde gegenüber der Pastorenherrschaft hervorgehoben. Ihre reformatorischen Anschauungen fanden sie in Speners Schrift «Pia desideria» und zur Wiederbelebung und Pflege natürlicher Frömmigkeit empfahlen sie die erbaulichen Hausversammlungen (collegia pietatis), die Spener selbst zuerst in Frankfurt a. M. eingeführt hatte. Als die Leipziger Orthodoxie die pietistischen Docenten Paul Anton und A. H. Francke vertrieben hatte, fanden sie samt dem Philosophen Thomasius durch die Vermittelung des inzwischen nach Berlin berufenen Spener an der neugestifteten Universität Halle (1694) einen glänzenden Wirkungskreis. Halle war fortan der Hauptsitz des Pietismus. Hier entstanden die Franckeschen Stiftungen (s. d.), hier sammelte sich die theol. Jugend, hier erwachte der Missionssinn und der Eifer für ein praktisches Christentum zuerst in der evang. Christenheit.

Doch der spätere Pietismus verfiel der religiösen Schwärmerei und huldigte einem zudringlichen Bekehrungseifer, der, gepaart mit Hochmut und mit der Verachtung der «Nichtwiedergeborenen», seine Verdienste verdunkelte. Vor allem verirrte er sich in übertriebene Selbstkasteiung und Verachtung alles Weltlichen, indem selbst gleichgültige Dinge, wie Spazierengehen, heitere Geselligkeit, Theater, Kartenspiel u.s.w. für sündhaft erklärt und das ganze christl. Leben als ein Leben der Buße betrachtet wurde.

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 143.