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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Počatek – Pocken

burg, wurde Sekretär, dann Obersekretär des Senats in Moskau sowie zugleich Professor des Civilrechts an der dortigen Universität. 1860 wurde er Lehrer der kaiserl. Prinzen, darunter des spätern Kaisers Alexander Ⅲ. 1862‒65 war er wieder in Moskau als Oberprokuror des achten Departements des Senats thätig, kehrte darauf nach Petersburg zurück, wurde 1868 Senator, 1872 Mitglied des Reichsrats und 1880 Oberprokuror des Heiligen Synods. Als solcher hat er den entscheidenden Einfluß auf die Kirchenpolitik der Regierung und seit der Thronbesteigung Alexanders Ⅲ. auf die Gesamtpolitik des Reichs überhaupt ausgeübt. Persönlich selbstlos, stellte sich P. rückhaltslos in den Dienst der Idee, daß Absolutismus und (griechische) Rechtgläubigkeit die einzig zuverlässigen, weil von Gott gewollten und geschichtlich begründeten Grundlagen des russ.-slaw. Staatslebens seien. Daher kamen die Gewaltmaßregeln gegen die Katholiken und Lutheraner, zu denen P. die Zustimmung Alexanders Ⅲ. zu erlangen verstand. Als Jurist gilt P. für den besten Kenner des russ. Civilrechts. Er schrieb neben Abhandlungen in Zeitschriften: «Kursus des Civilrechts» (russisch, 2 Bde., Petersb. 1868), «Gerichtsleitfaden» (russisch, ebd. 1872), übersetzte Thomas a Kempis’ «Nachfolge Christi» ins Russische (ebd. 1890) u. a. – Vgl. Dalton, Zur Gewissensfreiheit in Rußland. Offenes Sendschreiben an den Oberprokureur des russ. Synods (8. Aufl., Lpz. 1889).

Počatek (spr. pótscha-), Stadt in der österr. Bezirkshauptmannschaft Pilgram in Böhmen, nahe der mähr. Grenze, an der Wasserscheide (615 m) zwischen der Nordsee und dem Schwarzen Meere, an der Linie Ober-Cerekwe-Weseli (Station P.-Serowitz) der Österr. Staatsbahnen, Sitz eines Bezirksgerichts (159,97 qkm, 14038 E.), hat (1890) 2991 czech. E.; bedeutende Tuchfabrikation (besonders Militärtuch). In der Nähe das Sankt Katharinabad mit alkalisch-mineralischen Quellen.

Poccetta (ital., spr. pottsché-), s. Poche.

Poccetti (spr. pottsché-), Bernardino, eigentlich mit Familiennamen Barbatelli geheißen, geb. 1542, gest. 1612, einer der berühmtesten Dekorationsmaler von Florenz, nahm sich für seine ornamentalen Schöpfungen Raffaels dekorative Werke, namentlich die in den Loggien des Vatikans, zum Vorbild. Von den vielen Façadenmalereien und Deckenbildern, mit denen er seine Vaterstadt ausgeschmückt hat, sind noch in San Marco, Sta. Maria novella, der Annunziata und im Palazzo Pitti einige erhalten, die, lebhaft in den Farben und anmutig in der Komposition, eine reiche Einbildungskraft verraten. Sein Einfluß hat sich weit in das folgende Jahrhundert hinein erstreckt.

Pocci (spr. pottschi), Franz, Graf, Dichter, Zeichner und Musiker, geb. 7. März 1807 zu München, studierte 1825‒28 in Landshut und München die Rechte und trat hierauf bei der Regierung in München ein. Sein Zeichentalent bekundete er zuerst durch seine Sangweisen mit Randzeichnungen, wie «Blumenlieder», «Sechs altdeutsche Minnelieder» (Münch. 1835), «Bildertöne für das Klavier» (1835), die Volkslieder u. dgl. im «Festkalender», den er mit Guido Görres und andern seit 1834 in München herausgab. 1830 zum Ceremonienmeister ernannt, begleitete P. den König Ludwig Ⅰ. und den Kronprinzen Maximilian mehrmals nach Italien. 1847 wurde er zum Hofmusikintendanten und 1864 zum Oberstkämmerer ernannt. Er starb 7. Mai 1876 in München. P. hat zahlreiche Bücher, Kompositionen und Zeichnungen veröffentlicht. Vieles lieferte er für die «Fliegenden Blätter», die «Münchener Bilderbogen» u. s. w. Auch mehrere musikalische Kompositionen, wie Sonaten, Gesangstücke u. s. w., sind von ihm im Druck erschienen. Am bekanntesten wurde P. durch seine litterar.-artistische Thätigkeit, die der Kinderwelt oder dem Volkstümlichen gewidmet ist. Seine «Dichtungen» gab P. 1843 (Schaffhausen) und 1866 u. d. T. «Herbstblätter» heraus. Ein Verzeichnis von P.s Werken findet sich im 36. Bande des «Oberbayr. Archivs». – Vgl. Holland, Franz Graf P. (Bamb. 1891).

Poche (frz., spr. posch), Pochette («Taschengeige»; engl. Kit; ital. poccetta), die Miniaturgeige der frühern Tanzmeister, ursprünglich mit drei, im 18. Jahrh. mit vier in Quinten gestimmten Saiten. Sie besteht aus einem spatelförmigen halbrunden Stück Holz, dessen dünnerer Oberteil den Hals mit dem Griff- und Wirbelbrett bildet, während der dickere Unterteil ausgehöhlt ist und, mit einer Decke nebst Zubehör versehen, den Resonanzboden darstellt. Durch Vergrößerung der Decke bis zur Größe einer gewöhnlichen Geigendecke (ohne daß der Schallkasten größer wurde) entstand die Brettgeige (Brettlgeige), ein Spielzeug für Kinder. Der Klang beider ist sehr dünn.

Pocherspiel, s. Kegelspiel.

Pochette (frz., spr. poschétt), s. Poche.

Pochjunge, s. Bergmann.

Pochkäfer, soviel wie Totenuhr, s. Bohrkäfer.

Pöchlarn, Stadt in Österreich, s. Pechlarn.

Pochwerk, Zerkleinerungsmaschine, welche durch den Fall schwerer Massen wirkt; man unterscheidet Stempel- und Hammerpochwerke. Die erstern bestehen im wesentlichen aus mehrern nebeneinander stehenden Säulen, sog. Stampfen oder Pochstempeln, die unten mit Pocheisen versehen sind, abwechselnd aufgehoben werden und bei ihrem Niederfallen die unterlegten Körper zerstoßen. Das ganze Gerüst, worin die Pochstempel auf und nieder gehen, heißt der Pochstuhl, der von starken Pochsäulen gehalten wird und zu unterst den Pochtrog bildet. Pochhub ist die Höhe, bis zu der der Pochstempel je nach Verschiedenheit der Härte der zu zerkleinernden Masse gehoben wird. Hammerpochwerke sind entweder Aufwerfhämmer oder Schwanzhämmer (s. Daumenhammer). Die P. werden besonders bei der Aufbereitung (s. d.) der Erze angewendet (s. Tafel: Aufbereitung der Erze, Fig. 1, sowie Tafel: Goldgewinnung Ⅱ, Fig. 3, Bd. 8, S. 121).

Poecilopŏda, s. Molukkenkrebse.

Pocken, Menschenpocken, auch Blattern (lat. Variŏlae; frz. Petite vérole; engl. Small-pox), ansteckende fieberhafte Infektionskrankheit, bei der auf der Haut und den Schleimhäuten kleine Pusteln (Eitergeschwülste) entstehen, die den Ansteckungsstoff mit seinem materiellen Substrat enthalten. Die Krankheit ist unstreitig so hohen Alters, daß es vergebliche Mühe ist, ihrem ersten Auftreten nachzuforschen. Man betrachtet China und Indien als das Vaterland der P.; doch sind es die Araber, die uns zunächst mit der Krankheit bekannt gemacht haben. Der syr. Arzt Aron, um 622, beschreibt sie als bekannte Krankheit, und Rhazes lieferte um 922 die erste Monographie derselben. Sicher ist, daß die P. seit dem 13. Jahrh. unter den Völkern des Abendlandes unaufhörlich große Verwüstungen anrichteten, bis ihnen durch Jenners Einführung der Kuh-^[folgende Seite]