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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Polychromographie - Polydesmus
schen Glieder und Ornamente, der Säulen, Kapitale,
Gesimse, Gewölbrippen; die Hauptfarben sind rot
und blau mit hinzugefügter Vergoldung; dazu kam
die Ausschmückung der größeren Wandstächen, wie
sie der roman. Kirchenbau darbot, mit Wandmale-
reien, Darstellungen heiliger Personen und Ge-
schichten. Im got. Stil wird die Vemalung der
architektonischen Glieder durch die plastische Aus-
führung derselben, ähnlich wie in der korinth.-röm.
Architektur, etwas zurückgedrängt; auch die Wand-
malerei tritt infolge des Mangels größerer Wand-
flächen in den Hintergrund; dafür wirb aber eine
reiche polychrome Wirkung durch die Anwendung
der Glasmalerei (s. d.) in den Fenstern erzielt.
Daß auch in der Bilduerei eiue Färbung der
Bildwerke stattfand, wird zunächst sür das Altertum
durch zahlreiche Farbenspureu bestätigt, welche sich
an ägypt., assyr. und griech. Rcliefv, die zum
Schmuck von Bauwerken dienten, und an den Eta-
tucngvuppen, welche iu den Giebelfeldern gnecb.
Tempel des dor. Stils aufgestellt waren (wie an
denen des Atbenatempels auf Ägina und an denen
des Zeustempcls zu Olympia), gefunden baben.
Aber auch für die vou der Baukunst ganz unab-
hängigen statuarischen Bildungen ist die Bemalung
sowohl durch schriftliche Zeugnisse alv durch unver
tennbare Spuren an Statuen bezeugt. Die jüngsten
Ausgrabungen auf der atheuischen Atropoli^ haben
eine Menge von plastischen Werken zu Tage gesör-
dcrt, welche noch jetzt im vollen ursprünglichen Far-
benschmuck prangen. Die Farbenskala jctzt sich aus
blau, grün, violett, gelb, rot zusammeu. Nach den-
selben Principien bat die entwickelte Kunst den weit-
gehendsten Gebrauch von der P. sür die Plastik ge-
macht. Einen vollen Begriff von der Farbenwirtung
geben die in der Bemaluug fast unversehrt erbal-
tenen Reliefs an dem in Sidon 188? ausgegrabe-
nen, aus dem 4. Jahrh. v. Chr. stammenden sog.
Alexandersarkophag (jetzt in Konstantinopel); auch
die zahlreichen Terracottastatuetten, namentlich die
anmutigen Figürchen aus Tanagra (s. d.) in ibrer
heitern harmonischen Buntheit können veranschau-
lichen, wie polychrome Skulptur der Praritelischen
Zeit aussah. Auch die großartigen Götterstatuen
aus Gold und Elfenbein brachten schon durch die
Verbindung diefer beiden Stoffe eine polychrome
Wirkung hervor; ebenso wurde bei Marmorstatuen
der Eindruck der Buntheit dadurch noch lebhafter,
daß man einzelne Stücke wie Waffen und ähnliches
aus Bronze anfügte. Von der Verwenduug der
Farbe in der röm.Bildnerei können verschiedene poly-
chrome Marmorstatuetten und bemalte Earkophag-
reliefs eine Anschauung geben.
Einen großen Spielraum fand die P. in der
Holz- und Steinbildnerei des Mittelalters, und
zwar ging man hier bei der Bemalung der Gewän-
der sowohl als der unbekleideten Körperteile wesent-
lich auf Illusion in Nachahmung der Wirtlichkeit
aus. (S. die Tafel: Crucifix zu Wechselburg,
Bd. 4, S. K08.) In der Renaissance, welche in den
antiken, durch das Alter der Farbenreste meist ent-
ledigten Kunstwerken ihr Vorbild sah, begann es
Gebrauch zu werden, zunächst die Skulptur der
Farbe zu entkleiden, während an den Facaden die
Malerei lange noch eine hervorragende Rolle spielte.
Jedoch giebt es auch in allen Renaissancefrühstilen
(namentlich in Florenz, Spanien, Norddeutschland)
meisterhaft durchgeführte polychrome Skulpturen.
Mit dem Siege des Klassicismus im 18. Jahrh.
wurde die Farblosigkeit zum künstlerischen System
erboben und das Gesetz aufgestellt, daß die Farbe
ausschließlich der Malerei angehöre und die Farb-
losigkcit, die reine Form der Plastik, am angemes-
sensten sei. Dadurch kam es, daß die Bemalung
von Statuen geradezu als Barbarei angesehen
wurde. Nachdem die Architekten Hittorff und Sempcr
das Vorhandenfein der P. in der antiken Bildnerei
zur allgemeinen Anerkennung gebracht haben, sind
erst neuerdings Versuche gemacht worden, die Bild-
werke polychrom zu bedandeln. Namentlich Treu in
Dresden hat sich in dieser Beziehung anregend er-
wiesen; Tobcrentz in Berlin, Weyr in Wien, Klinger
in Leipzig ijetzt in Berlin) u. a. haben sich mit Erfolg
der polychromen Plastik zugewandt. Die ansäugliche
Abneigung gegen diese Versuche ist bei Künstlern
und Publikum zusebeuds im Schwinden.
Vgl. Quatrem^re de Quincy, ^" Jupiter 01^m-
pikn (Par. 1815); Sempcr, Vorläufige Bemerkun-
gen über bemalte Architektur und Plastik bei den
Alten (Altona 1834; jetzt auch in den "Kleinen
Schriften", Berl. und Stuttg.1884); Hittorff, No8ti-
tntion du t^in^i" d'I^in^c<Is)ol6 ü. 86iinoiit6 mi
i'lN'c'Iiitecture pol^ckroin" cl^^ 168 Orecs (mit
Atlas, Par. 1851); Kugler, Über die P. der antiken
Architektur und Skulptur (iu den "Kleinen Schriften
und Studien zur Kunstgeschichte", Bd. 2, Stuttg.
1853); Scmper, Der Stil in den technischen und
teltonischen Künsten, Bd. 2 (Franks, a. M. 1800);
Hittorff und Zanth, ^rcinwcturL lmticiue äs 1a.
8icü6 (Par. 1870); Durm, Handbuch der Archi-
tektur, Bd. 2 (Darmst. 1881); Treu, Sollen wir
unsere Statuen bemalen? (Berl. 1884).
Polychromogräphielgrch.), dieKunst, bildliche
Darstellungen in gleichzeitigem mehrfarbigen Druck
auf der Buchdruck- oder Stcindruckpresse oder aber
auf einem eigens dafür konstruierten Apparat her-
zustellen. Viele Versuche sind gemacht worden, die
P. in die Gesckäftspraxis einzuführen, bis jetzt ohne
wesentliche Erfolge, da die Schwierigkeiten zu groß
und die erlangten Resultate zu mangelhaft waren.
Auch die Stenocbromie (s. d.), die für den gleich-
zeitigen mehrfarbigen Druck seiner Zeit viel ver-
sprach, ist gegenwärtig nahezu vergessen.
I>o1vo1a.äla. (Polykladie, grch.), s. Mißbil-
dungen (Bd. 1), S. 030:i).
Polycythämie (grch.), Vollblütigkeit.
Polydaktylie (grch.), s. Plethomelie.
?01^ÄS8INU8 Mottt., Pilzgattung aus der Fa-
milie der Pyrenomyceten (s. d.). Eine Art ruft auf
Raps und Rübsen eine gefährliche Krankheit hervor,
die sich durch schwarzbraune Flecken besonders auf
den Schoten bemerklich macht. Dieser Pilz, ?. kxi-
tio8U8 M^ilt. (8poiiä68nnllm exitic>8uin AMn),
Rapsverderber, entwickelt sein Mycelium unter
der Epidermis der befallenen Teile und bildet nach
außen spindelförmige, mcbrzcllige, braungefärbte
Sporen, die die genannten Flecken hervorrufen. Die
Sporen keimen sofort nach der Reife^und ihre Keim-
schläuche driugen wieder durch die Spaltöffnungen
in andere Partien der Wirtspflanze, so daß die Ver-
breitung des Parasiten sehr schnell vor sich gehen
kann. T>ie Schoten werden mißfarbig und entwickeln
in der Regel keine Samen, wodurch ein bedeutender
Ausfall in der Ernte stattfinden kann. Die zu dieser
Conidienform gehörigen Pcrithecien heißen I.epto-
8pdÄ6i-ig. nllpi 2^c/^; sie schließen sich in ihrer
Form an diejenigen des Rußtaus (s. d.) an und ge-
langen auf den Stoppeln des Rapses im nächsten