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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Pravazsche Spritze - Prazák
lichen Verbrechens Angeschuldigten durch Übertre-
tung der Pflichten des Anklägers begünstigt. Jetzt
nennt man P. das pflichtwidrige Verhalten eines
Anwalts, der zum Schaden seines Vollmachtgebers
dessen Sache im Einverständnisse mit dem Prozeh-
gegner schlecht führt. Nach ß. 356 des Deutschen
Strafgesetzbuches wird ein Advokat, Anwalt oder
anderer Nechtsbeistand, welcher bei den ihm ver-
möge seiner amtlichen Eigenschaft anvertrauten
Angelegenheiten in derselben Rechtssache beiden
Parteien durch Rat oder Beistand pflichtwidrig
dient, mit Gefängnis nicht unter 3 Monaten be-
straft. Handelt derselbe im Einverständnis mit der
Gegenpartei zum Nachteil seiner Partei, so tritt
Zuchthausstrafe bis zu 5 Jahren ein. Das Österr.
Strafgesetzb. §§. 102 ä, 103 hat als Strafe schweren
Kerker von 1 bis 5 Jahren.
Pravazsche Spritze, s. Injektion.
Pravda, Franz, Pseudonym des czech. Novel-
listen Adalbert Hlinka (s. d.).
Prcivemre (lat.), das Zuvorkommen, das
Durchkreuzen von jemandes Absicht.
Präventiv" (lat.), das Zuvorkommen, wird im
Rechte besonders in dem Sinne gebraucht, daß je-
mand eine rechtliche Handlung früher vornimmt
als ein anderer Berechtigter und dadurch das aus-
schließende Recht zur Fortsetzung der Sache erlangt.
So schließt im Civilprozesse in Fällen konkurrieren-
der Gerichtsstände oder doppelseitiger Klagen (^uäi-
cium äuplex) die Anhängigmachung des Rechts-
streites bei einem Gericht die Zuständigkeit der an-
dern Gerichte aus. Auch nach der Deutschen Straf-
prozeßordnnng (§. 12) gebührt unter mehrern zu-
ständigen Gerichten demjenigen der Vorzug, welches
die Untersuchung zuerst eröffnet hat.
Im kath. Kirchenrecht heißt P. das Recht des
höhern Geistlichen, in die Befugnisse des Unter-
gebenen einzugreifen, insbesondere aber das Recht
des Papstes, unter gewissen Voraussetzungen,
welche im Mittelalter eine Zeit lang in der miß-
bräuchlichsten Weise ausgedehnt worden waren,
geistliche Beneficien und Amter mit Übergehung der
eigentlichen Kollatoren vergeben zu können. Diesen
Vorbehalt stützte man darauf, daß der Papst sein
Recht den Kollatoren nur übertragen habe, daß er
daher diesen auch jederzeit zuvorkommen und sein
Recht selbst wieder ausüben könne. Insbesondere
im 14. Jahrh. (Bonifaz VIII., Johann XXII.) war
dies Recht von den Päpsten in der willkürlichsten
Weise als Finanzquelle ausgebeutet worden.
Prävelltionstheorie, s. Strafrechtstheorien.
Präventiv (lat.), vorbauend, verhütend. Prä-
ventive Medizin, soviel wie Hygieine (s. d.).
Präventivimpfung, Schutzimpfung (s. d.).
Pravia, Bezirksstadt der span. Provinz Oviedo
(Asturien), im NW. von Oviedo, liegt links am Nalon
in schöner, fruchtbarer Gegend und hat (1887) 9234 E.
Prävigilien (lat.), der Tag vor der Vigilie oder
dem Vortag eines Festes.
Prawda russkäja ("Russisches Recht"), eine
von Jaroslaw 1019 veranstaltete Sammlung des
russ. Gewohnheitsrechts. Die älteste Handschrift ist
vom Ende des 13. Jahrh. Die letzte Bearbeitung
wird als P. r. des 13. und 14. Jahrh, bezeichnet.
Die P. r. wurde von Tatischtschew 1737 entdeckt
und zum erstenmal herausgegeben und ins Deutsche
übersetzt von Schlözer 1767. Ausgabe von Kala-
tschow (einleitende Erklärungen, Mosk. 1846 und
Text 1847). Bearbeitet wurde die P. r. von Ewers,
"Das älteste Recht der Russen" (Dorpat und Hamb.
1826). Eine umfassende Bearbeitung ist in neuester
Zeit von Mrotschek-Drosdowskij begonnen worden.
Prawodi, s. Provadia.
Prawoslalvnhje (russ., d. i. Rechtgläubige), die
Mitglieder der russ. Staatskirche, im Gegensatz zu
den Raskolniken (s. d.).
Praxeas, ein Monarchianer (s. d.) von der Rich-
tung, die behauptete, daß in Christus die Gottheit
des Vaters selbst Mensch geworden sei und gelitteil
babe, zugleich ein eifriger Gegner der Montanisten.
P. stammte aus Kleinasien, wo er in einer Verfol-
gung ^01^68801- (s. d.) wurde, und verbreitete seine
Lehre um 190 in Rom. Die Schrift Tertullians
gegen ihn ist lange nach P. geschrieben und in Wahr-
heit gegen den Bischof Callistus von Rom gerichtet.
Praxedis, die Heilige, und ihre Schwester, die
beil. Pudentiana, der ^age nach Töchter des röm.
Senators Pudens, den Petrus bekehrt haben soll.
Praxis (grch.), die Ausübung einer Kunst,
Lehre u. s. w. (im Gegensatz zur Theorie), Fertig-
keit , das erfahrungsmäßig Übliche, auch Geschäfts-
kreis und Thätigkeit eines Nechtsanwaltes, Arztes.
Praxiteles, griech. Bildhauer, ein Sohn des
Bildbauers Kephisodotos (s. d.) aus dem attischen Gau
Eiresidä, ist im 4. Jahrh. v. Chr. mit seinem etwas
ältern Zeitgenossen Skopas (s. d.) der Hauptvertreter
der jüngern attischen Bildhauerschule. Bewundert
wurde im Altertum die Anmut seiner Werke und
seine Kunst, den Marmor auf das feinste zu be-
bandeln. (S. Griechische Kunst, Bd. 8, S. 354d.)
Im Original erhalten ist die 1877 bei den Aus-
grabungen in Olympia gefundene, jetzt im Museum
daselbst befindliche Statue des Hermes (s. die Tafel:
Hermes, Bd. 9, S. 76), deren Ergänzung (in Gips,
von Schaper) nach der Gruppe auf einem pompeja-
nischen Wandgemälde vorgenommen werden konnte
(abgebildet im "Jahrbuch des Deutschen Archäologi-
schen Instituts", II, 1887, Taf. 6); ferner Relief-
platten mit der Darstellung des Wettstreites zwischen
Apollon und Marsyas, die an der Basis einer in
Mantinea aufgestellten Göttergruppe des P. ange-
bracht waren (jetzt im Centralmuseum in Athen).
Andere Werke von ihm kennt man nur durch Nach-
bildungen in späterer Zeit; so seinen jugendlichen
Apollon Sauroktonos (s. Tertfig. 2 beim Artikel
! Apollon), die Aphrodite von Knidos (s. Tertfig. 1
! beim Artikel Aphrodite), die Figur eines einschen-
kenden Satyrs und eines andern, der sich an einen
Baumstamm lehnt. - Vgl. Friederichs, P. und die
Niobegruppe (Lpz. 1855); Treu, Hermes mit dem
Dionysosknaben (Berl. 1878); Kekule', über den
Kopf des Praxitclischen Hermes (Stuttg. 1881).
?r2.^or-'boolr, s. Oommon I'i-^er.
Prazak (spr. präschahk), Alois, Freiherr von,
österr. Staatsmann, geb. 21. Febr. 1820 zu Un-
garisch-Hradisch in Mähren, studierte in Olnmtz
Rechtswissenschaft, begann in Brunn die Anwalts-
praxis, wurde 1848 in den mähr. Landtag und
in den Reichstag gewählt und trat der föderalisti-
schen Partei bei. 1861 trat er an die Spitze der
von ihm organisierten czech. Partei Mährens, die
er bis 1864 im Reichsrat vertrat, huldigte dann der
czech. Abstinenzpolitik, trat aber, wenn auch unter
Wahrung der staatsrechtlichen Stellung seiner Par-
tei, 1874 wieder in den Reichsrat und schloß sich
anfangs der Rechtspartei unter Hohenwart an.
1879 wiedergewählt, wurde er zuerst als Minister
ohne Portefeuille in das Kabinett Taaffe berufen,