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Preßgesetzgebung
werden. - Die preßpolizeilichen Vorschriften über
den Begriff periodische Druckschrift, Namensnennung
von Verleger, Drucker, Redacteur, Aufnahme amt-
licber oder privater Berichtigungen entsprechen im
wesentlichen den deutschen; etwas strenger nur be-
züglich der Ablieferung von Pflichtexemplaren, die
auch auf nichtperiodische Druckschriften bis zu fünf
Druckbogen ausgedehnt ist; ferner kann zwar kein
Verbot der Verbreitung, wie bis 1868, wobl aber
Entziehung des Postdebits auf dem Administrativ-
wege vom Ministerium des Innern gegen aus-
ländische Druckschriften jeder Art verfügt werden;
für das Gebiet des Postzwanges (alle periodischen
Druckschriften) ist damit jede Beförderung, sonst
nur die Beförderung durch die Post verboten. Eine
Beschlagnahme von Preßerzeugnissen ist möglick
durch den Richter auf Klage und Antrag des Privat-
tlägers; auf dem Administrativweg, jedoch vorbe-
haltlich richterlicher Bestätigung, wenn die Vor-
schriften des Preßgesetzes verletzt sind oder ein
öffentliches Interesse die Verfolgung gebietet; hebt
der Richter die Beschlagnahme auf, so ist der erweis-
liche Schadeu aus der Staatskasse zu vergüten.
Außerdem unterliegen alle periodischen, öfter als
zweimal monatlich erscheinenden Preßerzeugnisse, in
denen polit. und Tagesfragen erörtert werden, einer
KautionsMcht zwischen 1000 - 8000 Fl.; der
Kautionsverfall wird als Folge der strafrechtlichen
Verurteilung wegen des Inhalts der Druckschrift
ausgesprochen; der Betrag ist im Urteil festzusetzen
und kann bis zur Gesamtsumme der Kaution steigen.
- Für Prcßdelikte gelten auch nach österr. Recht
einmal die allgemeinen strafrechtlichen Grundsätze
und Vorschriften, sodann ein besonderes System von
Fahrlässigkeitsstrafen, das in verschiedener Weise
den Redacteur, Verleger, Trucker und Verbreiter
umsaßt; die Strafen sind Arrest von 1 bis 6 Mo-
naten und Geldstrafen von 20 bis 200 Fl. Wahr-
heitsgetreue Berichte über parlamentarische Ver-
handlungen sind auch nach österr. Recht straffrei.
Die Aburteilung der Preßdeliktc erfolgt wie in den
süddeutschen Staaten durch die Schwurgerichte; doch
hat in Österreich die Regierung das Recht, die
Schwurgerichte örtlich und auf Zeit ganz einzustellen.
In der Schweiz ist die P. den Kantonen ver-
blieben, jedoch mit der durch die Bundesverfassung
garantierten Maßgabe: daß die kantonale Gesetz-
gebung auf dem Princip der Preftfreiheit beruhen
muh. Hierüber hat der Bundesrat zu wachen, der-
art, daß alle kantonalen Preßgesetze seiner Geneh-
migung bedürfen. Das Censursystem, besonderes
Preßstrafrecht, besondere Preßgerichtsbarkeit, Ver-
bot von Zeitungen sind mit Art. 55 der Bundes-
verfassung unvereinbar, dagegen sind Kaution, Zei-
tungsstempcl, Inseratensteuer, Beschlagnahme auf
Grund strafrechtlicher Vorschriften statthast.
In England war die Presse noch im 17. Jahrb.
sehr beschränkt. Dieselbe stand unter der Aufsicht
der Sternkammer, eines von Heinrich VIII. einge-
setzten. A^sncchnveIevvchts, welches die Zabl der
Buchdrucker und Pressen bestimmte und den Censor
ernannte, obne dessen Genehmigung nichts gedruckt
werden durfte. Die Strafen, womit man einen
mißfälligen Gebrauch der Presse ahndete, konnten
bis zur Barbarei ausarten, und Urteile, die wegen
angeblicher Beleidigung des Königs auf Abschnei-
den der Ohren oder Abhauen der Hand lauteten,
sind wirklich vollstreckt worden. Das Lange Parla-
ment machte 1641 der Sternkammer ein Ende und
nahm dessen Rechte hinsichtlich der Preßpolizei auf
sich. Bis 1694 erneuerte auch das Parlament
mehrmals die Anordnungen, welche die Behörden
mit der Ausübung der Censur beauftragten, er-
klärte sich aber dann gegen die weitere Erneuerung.
So trat gleichsam von selbst das System in Kraft,
wonach es durchaus keine Beschränkung des Druckes
und der Verbreitung von Schriften giebt und bloß
die Urheber von Schmähschriften (Libellen) als Stö-
rer des öffentlichen Friedens auf erhobene Anklage
und nach einem verurteilenden Wahrfpruche der
Jury bestraft werden können. Doch kommen felbst
solche Anklagen nur selten vor, denn es hat in
England die Ansicht festen Fuß gefaßt, daß die
öffentliche Meinung, sich selbst überlassen, am besten
Wahres vom Falschen scheide, Unwürdiges verwerfe
und dem durch die Presse ungerecht Verletzten auf
demselben Wege vollgültige Genugthuung verfchaffe.
Nordamerika befolgt gleiche Grundsätze.
In Frankreich ward die Außerungs- und
Preßfreiheit durch die Konstitutionen von 1791 und
1793 verkündet. Nachdem aber schon das Gesetz
vom 27. Germinal des I. IV die Aufforderungen
zum Hochverrat, zur Wiederherstellung des Königs-
tums und zu Mord und Plünderung mit dem Tode
bedrobt hatte, unterwarf bereits wieder das Gefetz
vom 19. Fructidor des I.V (6. Sept. 1797) die Zei-
tungen polizeilicher Aufsicht, und der Konsularbe-
sckluß des I. VIII (1800), welcher das Erfordernis
öffentlicher Ermächtigung zur Herausgabe von polit.
! Zeitschriften einfübrte, leitete nur das System von
! Maßregeln ein, mit deren Hilfe Napoleon I. die Presfe
i in völliger Abhängigkeit erhielt. In der konstitu-
! tionellen Charte von 1814 war die Preßfreiheit
wiederhergestellt, und die Ordonnanzen von 1830,
welche sie vernichten und die Censur von neuem
einführen follten, stürzten sogar den Thron der
ältern Vourbonen. Nach der Iulirevolution trat
wieder ein gesicherter Rechtszustand für die Presse
ein. Geschworenengerichte entschieden über deren
Mißbrauch nach den allgemeinen Strafgesetzen; für
Angriffe auf den König und die Kammern bestanden
besondere strafrechtliche Bestimmungen. Infolge
des Fiescbischen Attentats auf König Ludwig Phi-
lipp (28. Juli 1835) ergingen jedoch die sog. Sep-
tembergesetze, welche die Strafen für Preßvergehen
bedeutend schärften und deren Zuerkennung in allen
schwerern Fällen dem Pairshof übertrugen. Die Un-
gebundenbeit der Presse nach der Februarrevolution
von 1848 sollte nur kurzen Bestand haben. Infolge
der Iuniemeute und des über Paris verhängten
Belagerungszustandes suspendierte Cavaignac als
Diktator der Republik eine große Anzahl polit.
Tagesblätter, und die Gesetze vom 27. Juli 1849
und 16. Juli 1850 kehrten fast zu allen Behelfen
vorbeugender Strenge zurück. Noch weiter ging
Napoleons III. Dekret vom 17. Febr. 1852, das
die Presse der Gnade der Verwaltung überlieferte.
Dieses Dekret wurde geändert durch die Gesetze vom
11. Mai 1868, 15. April 1871 und 29. Dez. 1876.
j Das neueste Gesetz vom 29. Juli 1881, welches end-
i lich ein vollständiges Gesetz für die periodische wie
nichtperiodische Presse brachte und an die Stelle
von zahlreichen und zerstreuten Texten einen ein-
beitlichen setzte, ist aus parlamentarischer Initia-
tive hervorgegangen und sehr freisinnig. Bezüglich
der Zeitungen und periodischen Druckschriften besteht
keine Notwendigkeit vorgängiger Genehmigung,
keine Kautionspslicht, keine Pflicht der Unterzeich-