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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Prozeßlegitimation; Prozeßleitung; Prozeßordnung; Prozeßstrafen; Prozessuālisch; Prozeßvollmacht

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Prozeßlegitimation - Prozeßvollmacht

bricht bei Berührung äußerst leicht ab, dringt mit dem Gift in die Haut von Mensch und Vieh ein und veranlaßt oft gefährliche Entzündungen. Am Tage ruhen die Raupen in einer Astgabel oder ziemlich tief am Stamm dicht zusammengedrängt, und wenn sie größer geworden sind, auch übereinander sitzend. Sie spinnen ein lockeres Gewebe, das immer mehr verstärkt und durch ihre Häute dicht gemacht wird. Aus diesem Neste wandern sie bei anbrechender Dunkelheit in die Baumkronen und zwar bei kleinen Gesellschaften im Gänsemarsch, bei größern in keilförmiger Anordnung, indem eine vorangeht, der sich dann die folgenden paarweise oder zu dreien und mehrern dicht geordnet anschließen. Zum Fraße löst sich der Zug auf, um am Morgen in derselben Weise zum Nest zurückzukehren, in dem auch die Verpuppung in dicht aneinander liegenden Cocons vor sich geht. Der P., welcher in Mitteleuropa ein beschränktes Vorkommen hat, wird bisweilen den Eichenwaldungen außerordentlich schädlich und wird am besten im Raupenzustande, durch Abbrennen oder Zerquetschen der an Stämmen ruhenden Gesellschaften vernichtet. Der Hauptfeind des P. ist der Kuckuck und der Puppenräuber (s. d.). Eine verwandte, etwas größere Art, der Kiefernprozessionsspinner (Cnethocampa pinivora Tr.), gelegentlich auch Fichtenspinner genannt, findet sich im nordöstl. Deutschland und in den russ. Ostseeprovinzen. Ihre Raupe lebt auf Nadelhölzern, besonders auf Kiefern. In Südeuropa kommt noch ein anderer P., der Pinienprozessionsspinner (Cnethocampa pityocampa F.), an Nadelhölzern vor, der eine ganz ähnliche Lebensweise hat und vielleicht bloß lokale Varietät oder klimatische Rasse der vorigen ist.

Prozeßlegitimation, im Civilprozeß der Nachweis der Vertretungsbefugnis von seiten dessen, welcher als Bevollmächtigter für eine Partei handelnd auftritt. (S. Prozeßvollmacht.)

Prozeßleitung, die Thätigkeit des Richters, welche darauf abzielt, daß der Prozeß seine ordnungsmäßige Erledigung finde. Die Deutsche Civilprozeßordnung hat dem Prozeßgericht oder dessen Vorsitzendem ein umfängliches Prozeßleitungsamt auferlegt. Dasselbe enthält einerseits die Fürsorge für vollständige Erörterung der Sache in der mündlichen Verhandlung, andererseits die formelle Leitung der Verhandlung und Beweisaufnahme sowie die Mitwirkung bei Bestimmung und Anordnung von Terminen und Fristen. (S. Prozeßbetrieb.)

Prozeßordnung, ein umfänglicheres Gesetz, welches die Formen des gerichtlichen Verfahrens oder des Prozesses (s. d.) feststellt. Aus der Verschiedenheit der Justizsachen ergiebt sich der Gegensatz zwischen Strafprozeß (s. d.) und Civilprozeß (s. d.), und demnach auch zwischen Strafprozeßordnungen und Civilprozeßordnungen. Im Deutschen Reich gelten jetzt die Civilprozeßordnung vom 30. Jan. 1877 und die Strafprozeßordnung vom 1. Febr. 1877, beide am 1. Okt. 1879 in Kraft getreten. Das Nähere darüber s. Civilprozeß und Strafprozeß.

Prozeßstrafen, im Civilprozeß gewisse Nachteile, welche einer Partei dafür auferlegt werden, daß sie ihre prozessualen Rechte in schuldhafter Weise, zur Verschleppung des Prozesses, Schikanierung des Gegners u. s. w. mißbraucht. In den frühern deutschen Prozeßrechten kamen solche P. hauptsächlich wegen frevelhaften Leugnens vor. Die deutschen Reichsjustizgesetze kennen P. nur noch in sehr beschränktem Umfange. Nach §. 47 des Gerichtskostengesetzes kann nämlich in gewissen Fällen (z. B. bei Ablehnung eines Richters, beim Armenrecht, bei Zeugnisweigerung), in welchen an sich keine Gebühr erhoben wird, das Gericht die Erhebung einer solchen von Amts wegen beschließen, wenn das Verfahren nach freier richterlicher Überzeugung mutwillig veranlaßt war. Es kann ferner nach §. 48 desselben Gesetzes das Gericht, wenn außer dem Fall des §. 300 der Civilprozeßordnung durch Verschulden einer Partei oder eines Vertreters derselben die Vertagung einer mündlichen Verhandlung, oder die Anberaumung eines Termins zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung veranlaßt oder durch nachträgliches Vorbringen von Angriffs- und Verteidigungsmitteln, Beweismitteln oder Beweiseinreden, welches zeitiger erfolgen konnte, die Erledigung des Rechtsstreits verzögert worden ist, von Amtes wegen die besondere Erhebung einer Gebühr für die verursachte weitere Verhandlung sowie einer Gebühr für die durch das neue Vorbringen veranlaßte nochmalige Beweisanordnung beschließen.

Prozessuālisch, zu einem Prozeß (s. d.) gehörig, nach den Regeln des Prozesses.

Prozeßvollmacht, im Sinne der Deutschen Civilprozeßordnung eine Vollmacht zur gesamten Prozeßführung, im Gegensatz zu einer Vollmacht für einzelne Prozeßhandlungen. Erstere muß, soweit eine Vertretung durch Anwälte geboten (s. Anwaltsprozeß), erteilt werden, während letztere außerhalb dieses Gebots zulässig ist. Der Prozeßbevollmächtigte hat die Bevollmächtigung durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen und diese zu den Gerichtsakten abzugeben. Eine Privaturkunde muß auf Verlangen des Gegners gerichtlich oder notariell beglaubigt werden. Die P. ermächtigt zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozeßhandlungen, einschließlich der Widerklage, einer Wiederaufnahme und der Zwangsvollstreckung (s. diese Artikel), zur Bestellung eines Vertreters oder Bevollmächtigten für die höhern Instanzen, zur Beseitigung des Rechtsstreites durch Vergleich, Verzicht oder Anerkenntnis, und zum Empfange der vom Gegner erstatteten Kosten. Die P. für den Hauptprozeß gilt auch für eine Hauptintervention, einen Arrest oder eine Einstweilige Verfügung. (S. diese Artikel.) Der gesetzliche Umfang der P. kann mit Wirksamkeit gegenüber dem Gegner nur beschränkt werden in Hinsicht auf die Befugnis zu Vergleich, Verzicht und Anerkenntnis. Die P. kann selbst wiederum in einer umfassendern Vollmacht, z. B. in einer Prokura, enthalten sein. Der Mangel der Vollmacht kann vom Gegner jederzeit gerügt werden, ist auch von Amts wegen vom Gericht zu beachten, soweit nicht Anwaltszwang besteht. Durch nachträgliche Genehmigung wird der Mangel geheilt. Ein auftragloser Geschäftsführer kann gegen oder ohne Sicherheitsleistung für Kosten und Schäden einstweilen zur Prozeßführung zugelassen werden; das Endurteil darf aber erst erfolgen, wenn die zur Nachbringung der Vollmacht gesetzte Frist verstrichen ist. Die Vollmacht wird weder durch den Tod des Vollmachtgebers noch durch eine Änderung bezüglich seiner Prozeßfähigkeit oder gesetzlichen Vertretung aufgehoben. Wohl aber endigt sie durch Kündigung, die jedoch dem Gegner gegenüber erst durch Anzeige vom Erlöschen der Vollmacht, im Anwaltsprozeß erst durch Anzeige der Bestellung eines neuen Anwalts wirksam wird. Vgl. Civilprozeßordnung §§. 74‒85.