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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Rasin - Raskolniken
Rasitt, Stenka (d. i. Stephan), Timosejewitsäv
Fübrer eines Kosaken- und Volksausstandes 1667
-70 in Rußland, stammte aus dem Wojßko der
Donischen Kosaken und wurde in Tsckerkassk ge-
boren. Infolge der bedrängten Lage des Volks im
Moskauer Reich und in der Ukraine zur Zeit des
Zaren Alexej kamen viele flüchtige besitzlose Leute
und Kosaken am Don zusammen. Sie wäblten R.,
einen Mann von ungewöhnlicher Tbattraft und
Verwegenheit, zum Ataman, der mit ihnen "gegen
die Bojaren" zog. Der.Hauptschauplatz seiner Thä-
tigkeit war längs der Wolga und auf dem Kaspi-
schen Meere; bier hatte er einen Kampf mit der
pers. Flotte zu bestehen. Am schlimmsten war sein
Auftreten in Astrachan, wo er den Woiwoden Pro-
sorowskij, alle Adligen und rcicben Leute, später
der Nachfolger R.s auch den Metropoliten Joseph
ermorden lieh und die Kirchen, Staatskassen u. a.
plünderte, überall in den eingenommenen Orten
wurde die Kosakenverfassung eingeführt, und das
Volk fah in R. feinen Retter und Befreier. Gegen
ihn gesandte Truppen gingen meist naob Ermor-
dung ihrer Befehlshaber zu R. über; erst als er
Zaryzin, Saratow, Samara erobert und vor Sim-
birsk stand, wurde er im Okt. 1670 vom Fürsten
Barjatynskij geschlagen. R. zog sich an den Don
zurück, wurde hier jedoch von den sehhaften Kosaken
gefangen genommen und an Moskau ausgeliefert.
Nach grausamen Folterungen erfolgte daselbst 16.
(6.) Juni 1671 seine Hinrichtung, wobei ibm zuerst
ein Arm, dann ein Bein und zuletzt der Kopf ab-
gehauen wurde. Das Andenken an seinen Tod und
seine Person hat sich in zahlreichen Liedern und
Sagen des großruss. Volks erhalten. - Vgl. Kosto-
marow, Iwnt 8t6nka. I^xina. (Der Aufstand R.s,
Petersb. 1859, und in dessen "iLtoricLLki^ HIono-
Fraüi", Bd. 2).
Rask, Rasmus Kristian, dän. Sprachforscher,
geb. 22. Nov. 1787 zu Broendckilde bei Odense auf
Fünen, begründete seinen Ruhm durch die dänisch
geschriebene, 1818 schwedisch umgearbeitete "An-
leitung zur Kenntnis der island. oder altnord.
Sprache" (Kopenh. 1811); eine kürzere dän. Fassung
("Kortfattet Vejleoning" u. s. w.) erschien 1832
(4. Aufl. 1861). 1807-12 entwarf R. Systeme der
meisten german., slaw. und roman. Sprachen; auch
brachte er die ind. Sprachfamilien in eine ver-
gleichende Übersicht. 1813 ging er nach Island, wo
er eine Sammlung der intereffantesten ^agen an-
legte. Sein 1814 vollendetes .Hauptwerk für kom-
parative Sprachenkuude, die "Untersuchungen über
den Ursprung der altnord. oder isländ. Sprache",
wuroe 1817 gedruckt. In dieser Arbeit stellte R.
zuerst die Gesetze der german. Lautverschiebung auf.
1816 trat er eine Reise nach Asien an. In Stock-
holm, wo er sich zuerst über ein Jahr aufbielt,
gab er die "Edden" (1818) heraus und vollen-
dete seine "Angelsächs. Sprachlehre" (Kopcnh.
1817). Dann hielt er sich längere Zeit in Peters-
burg auf, ging hierauf über Tiflis nach Persien
und Indien, wo ihn neben dem Hindustaniscken
und Sanskrit auch die alte Perscrsprache beschäf-
tigte. Als Frucht diefcr Studien erschien die Ab-
handlung "Über das Alter und die Echtheit der Zcnd-
sprache und des Zcndavesta" (deutsch von Hagen,
Verl. 1826). 1823 nach Kopenbagen zurückgekehrt,
schrieb R. eine "Span. Sprachlehre" und eine "Fries.
Sprachlehre" (1824-25), gab seinen "Versuch einer
wissenschaftlichen dän. Rechtschreibungslehre" (1826)
Brockhaus' Konversations-Lcxilon. 14. Aufl. XIII.
und eine dän. Grammatik in cngl. Sprache (1830
u. 1846) und eine "Engl. Formenlehre" (1832)
heraus und arbeitete zugleich an einem Werke über
den malabarischen Sprachstamm. Außerdem beschäf-
tigte er sich mit einem got. Wörterbuch sowie mit
einer Untersuchung der Verwandtschaft zwischen den
lappischen und den nordasiat. Sprachen. Seine Thä-
tigkeit als Vorstand der von ibm 1816 gegründeten
Isländischen Litteraturgesellschaft und der 1825 ge-
stifteten königl. Gesellschaft für nordische Altertums-
kunde, an deren Ausgaben altnord. Texte er sich be-
teiligte, war umfassend. Er starb 14. Nov. 1832
als Professor der orient. Sprachen in Kopenhagen.
Nach seinem Tode ersckien die Sammlung seiner
Abbandlungen (3 Bde., Kopenh. 1834-38). - Vgl.
L. Wimmer, Rasmus Kristian R. (Kopenh. 1887).
Nasköl (russ.), das Schisma, s. Raskolniken.
Naskölniken (russ. r^koiniki), soviel wie
Sckismatiker, Ketzer. Die ältesten Abweichungen
von der Kirche in Rußland bezogen sich auf dogmati-
sche Lehren. Dabin gehören die Strigolniken,
im 14. Iabrh. von Karp Strigolnik gegründet (sie
verwarfen jede Kierarckie u. a.). Über die neuern
Abweichungen solcker Art von der Kirche in Ruß-
land s. Russische Sekten. Der eigentliche Raskol
hat eine andere Bedeutung.
Schon um die Wende des 15. und 16. Jahrh,
wurde in der russ. Kirche die Frage erwogen, ob
die alten Texte der Kirchenbücher nicht im Laufe
der Zeit von den Abschreibern stark entstellt seien.
Zar Wassilij Iwanowitsch berief den Mönch Mari-
mus vom Atboskloster, diese Frage zu entscheiden.
Marimus wies in den überlieferten Bibeltexten
und Kirchenbüchern eine Menge Fehlernach, wo-
für er auf Betreiben der entrüsteten russ. Geistlich-
keit) 525 in ein Kloster gefperrt wurde. Doch wurde
noch 1551 auf einem Konzil zu Moskau dieselbe
Frage verhandelt. Michael Romanow beauftragte
den Archimandriten Dionysius 1617 mit der Revi-
sion der Texte, konnte ihn aber selbst nicht vor dem
Gefängnis schützen. Es blieb alles beim alten.
Der wirkliche Raskol beginnt erst im 17. Jahrh,
mit der Verbesserung der liturgischen Bücher durch
den Patriarchen Nikon (s. d.) und hat neben der kirch-
lichen auch eine polit. und sociale Bedeutung. Auf
einem Konzil zu Moskau 1666 wurden die von
Nikon eingeführten Verbesserungen von vielen nicht
anerkannt, und die R. hielten sich auch ferner an
die alten Bücker und Gebräuche, weshalb sie sich
auch Altrituale (Staroobrjadzy) oder Altgläu-
bige (Starowj erzy) nannten, während man
unter Rechtgläubigen oder Orthodoxen (Prawo-
slawnyje) die Anhänger der Staatskirche versteht.
Zugleich verwarfen sie aber auch die polit. Cen-
tralisation, ja oft fogar die Gewalt des Zaren
felbft, die Bureaukratie, die Rekrutenaushebungcn
u. a., insbesondere die Reformen Peters d. Gr. An
den Aufständen von Rasin und Pugatschew waren
die R. stark beteiligt. Sie hatten daher heftige Ver-
folgungen von der Regierung und der Kirche zu
erdulden, breiteten sich aber gleichwohl über alle Pro-
vinzen Rußlands, wie auch in Polen und Sibirien
aus. Vudilowitfch (in "8tati^ti(-63i(^H tadlic^",
Petersb.^l875)berecknet sie auf3074000, doch sollen
sie in der That 8, nach andern sogar 14 Mill. zählen.
Schon Ende des 17. Jahrh, spalteten sich die R. in
zwei Hauptzweige, die noch bestehen: in solche, welche
ihre Priester von den Bischöfen der Staatskirche
weihen lassen (Popowzy, Popowschtschina)
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