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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Reichstag
in die rhein. (14 Städte) und schwäb. (37 Städte)
Bank teilte. Die Reichsstadt, wo der R. gebalten
wurde, hatte das Direktorium und jede Reichsstadt
eine Stimme auf dem R.
Regelmäßig entschied in späterer Zeit die Stim-
menmehrheit, nicht aber in Religions- und solchen
Sachen, welche Rechte der einzelnen Reichsstände be-
trafen. (S. t^0rpii8 6vanF6iicuin.) Jedes der drei
reichsständischen Kollegien faßte seine Beschlüsse be-
sonders. Hierauf suchte man durch Relation und Kor-
relation die Beschlüsse der Kollegien in Übereinstim-
mung zu bringen, und wenn dies geschehen, wurde
der so zu stände gebrachte Beschluß dem Kaiser als
Reichsgutachten (collciuLnin imperii) übergeben.
Ein solches war also nicht vorhanden, wenn auch nur
ein Kollegium nicht zugestimmt hatte. Erhielt es
durch ein kaiserl. Ratifikations- oder Vestätigungs-
dekret Gesetzeskraft, so hieß es Reichsschluh oder
Reichskonklusum. Den Begriff sämtlicher Be-
schlüsse eines R. nannte man Reichs abschied
(s. d.) oder Reich srezeß. Der Kaiser konnte die
Ratifikation ganz oder teilweife versagen, aber an
dem Inhalt nichts ändern, auch die fehlende Zustim-
mung eines der drei Kollegien nicht ergänzen. Nach
erfolgter Unterschrift der Reichsbeschlüsse wurden
dieselben bekannt gemacht und den Reichsgerichten
znr Einregistrierung und Nachachtung mitgeteilt.
Manche Angelegenheiten wurden auch durch or-
dentliche oder außerordentliche Reichsdcputationen
beitlich (Einkammersystem) organisiert ist. Der
R. besteht aus 397 Mitgliedern, welche in einzel-
staatlich abgegrenzten Wahlkreisen, die auf Gesetz
beruhen, gewählt werden. - Auf durchschnitt-
lich 100000 E. (nach der Volkszählung von 1807)
entfällt ein Abgeordneter. Danach wählt Preußen
230, Bayern 48, Sachsen 23, Württemberg 17,
Elsaß-Lothringen 15, Baden 14, Hessen 9, Mecklen-
burg-Schwerin 6, Sachsen-Weimar, Oldenburg,
Brannschweig, Hamburg je 3, Sachsen-Meiningen,
Sachsen-Coburg-Gotha, Anhalt je 2, die übrigen
11 Staaten je einen Vertreter. Der R. tritt all-
jährlich zusammen und wird vom Kaiser berufen.
Die Legislaturperiode dauerte früher 3 Jahre, ist
aber durch Gesetz vom 19. März 1888 auf 5 Jahre
verlängert worden. Die Beschlußfassung erfolgt
durch absolute Stimmenmehrheit. Beschlußfähig ist
der R., wenn mindestens die Hälfte seiner Mit-
glieder, also mindestens 199, anwesend sind. Die
Mitglieder des N. sind Vertreter des gesamten Volks
und an Instruktionen nicht gebunden. Sie erhalten
keine Diäten und genießen das Privileg der Redefrei-
heit (s. d.). Auch darf kein Mitglied des R. ohne dessen
Genehmigung während der Sitzungsperiode zur
Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, außer
wenn er bei Ausübung der That oder am nächsten
Tage ergriffen wird. Die Neichstagsabgeordneten
gruppieren sich in verschiedene Fraktionen (s. d.),
deren zur Zeit (1895) 10 im R. bestehen.
Zusammensetzung des Reichstags bei Beginn der Legislaturperioden:
Namen der Parteien
1871
1874
1877
1878
1881
1884
1887
1890
50
22
40
59
50
78
80
73
38
33
38
57
28
28
41
20
29
3
-
-
-
-
-
-
110
155
141
109
47
51
99
42
44
49
35
20
40 00
07
32
00
57
91
93
94
100
99
98
100
13
14
14
14
18
10
13
10
2
9
12
9
12
24
11
35
-
1
4
3
9
7
-
10
4
4
4
10
10
11
4
11
-
15
15
15
15
15
15
10
1
1
1
1
2
1
1
1
-
-
-
-
_
-
1
5
-
-
-
-
-
-
2
2
(Deutsch-) Konservative Partei.....
Deutsche Neichspartci (Freikonservativ)
Liberale Reichspartei
Nationallibcrale Partei................z 110
Liberale Vereinigung l f^/'^, / Freisinnige
Fortschrittspartei j ^mug. ^
Vereinigung
Vultspa'rtt'i'
Centrum.
Polen............
Socialdemokraten......
Volkspartei.........
Welsen...........
Elsaß-Lothringer......
Dänen ...........
Dentschsociale Reformpartei
Unbestimmt.........
72
28
53
13
24
90
19
44
11
7
8
1
10
(s. d.) besorgt. Die Reichsversammlung hatte das
Recht, Gesetze zu geben, aufzuheben und auszulegen,
Krieg und Frieden zu beschließen, Gesandte anzu-
nehmen und zu schicken, Bündnisse und Verträge zu
schließen u. s. w. In Rücksicht der zu unternebmen-
den Reichskriege, worüber die Beratschlagung durch
ein kaiserl. Kommissionsdekret vorgeschlagen wer-
den mnßte, entschied Mehrheit der Stimmen' auch
die Stände, welche in einen beschlossenen Reichs-
krieg nicht gewilligt hatten, mußten nach Maßgabe
der Reichsmatrikcln ihre Kontingente stellen. Seit
1603 blieb der R. zu Regcnsbnrg permanent. Jetzt
erschienen die Fürsten überhaupt nicht mehr in Per-
son, sondern ließen sich durch Gesandte vertreten.
In dem heutigen Deutschen Reiche ist R. der
Name der gemeinsamen Repräsentation des deut-
schen Volks, welche hervorgeht aus allgemeinen,
geheimen, direkten Wahlen (s. Wahlrecht) und ein-
Während der Legislaturperiode kann die Auf-
lösung des R. durch den Kaiser unter Zustimmung
des Bundesrats erfolgen; die Neuwahlen müssen
innerhalb 00, die Einberufung innerhalb 90 Tagen
vom Zeitpunkt der Auflösung an erfolgen. Ohne
Zustimmung des R. darf die Vertagung desselben
die Frist von 30 Tagen nicht überschreiten und
während dcrsclben Session nicht wiederholt werden.
Der R. übt mit dem Bundesrat (s. d.) gemeinsam
das Recht der Gesetzgebung aus und hat dabei das
Recht der Initiative. (Über die Art der Beratung
eines Gesetzes im N. s. Gesetzentwurf.) Der jähr-
lich aufzustellende Neichshaushaltsetat sowie die
Aufnahme von Reichsanleihen unterliegen feiner
Genehmigung. Ebenso bedürfen Verträge mit frem-
den Staaten, die sich auf Gegenstände beziehen, die
der Reichsgesetzgebung unterworfen sind, wie z. B.
Handelsverträge, seiner Zustimmung. Außerdem