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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Rieselung; Riesen

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Rieselung – Riesen

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Rieselfelder'

Filtrierfähigkeit des Bodens ist am besten bei Sand und sandigem Lehm, so daß von diesen gebildetes Terrain besonders geeignet ist. Doch können auch andere Bodenarten durch Tiefkultur und Drainage für R. brauchbar gemacht werden. Das Klima hat insofern Einfluß, als der Winter die Berieselung erschwert; sehr kalte Gegenden bieten daher der Rieselfelderanlage gewisse Schwierigkeiten. Die Größe der R. bemißt sich in erster Linie nach der Größe der Abwassermenge und nach deren voraussichtlichem Wachstum, ferner nach dem Berieselungssystem und nach der Art der in Aussicht genommenen Bodenkultur.

In England rechnet man, daß zur Reinigung der Abwässer von 1000 Einwohnern 10 Acres Land nötig sind. Nach König soll man für 60–80 Einwohner 1 ha R. verfügbar haben. Thatsächlich erhält 1 ha R. die Abwässer von 270 Einwohnern in Berlin, von 870 in Edinburgh, 750 in Bedford, 307 in Rugby, 300 in Croydon.

In Berlin, das eine vortreffliche Rieselanlage besitzt, betrug 1891 die Gesamtfläche der in Betrieb gesetzten R. 4450 ha; nach völligem Ausbau der Kanalisationsanlage sollen 7614 ha R. benutzt werden. Die jährlich auf die R. Berlins gelangende Wassermenge kommt (einschließlich der Regenmenge) einer Wasserschicht von 2,1 m Höhe (auf die ganze Fläche) gleich.

Die Systeme der Berieselung sind: Oberflächenberieselung, bei welcher mit Hang- oder Rückenbau das Wasser als Schicht über die ganze Fläche fließt; Beetsystem, bei welchem das Wasser zwischen eingerichteten Beeten so geführt wird, daß es nur an die Wurzeln, nicht an die Pflanzen selbst gelangen kann; Überstauung, durch welche große eingedämmte Flächen durch wiederholte Berieselung mit einer kräftigen Schlammschicht überzogen werden; Gersons System, welches das Rieselwasser in gußeisernen, frostfrei gelegten Röhren heranführt und durch kleine Hydranten in angelegte Bassins leitet; Untergrundberieselung, bei welcher das Rieselwasser in ein Drainröhrensystem geleitet wird, aus welchem das Wasser aussickert und mit den Wurzeln der Pflanzen in Berührung kommt.

In Deutschland, wo die Berieselung im Winter wegen des Gefrierens des Bodens zum Teil unterbrochen werden muß, bevorzugt man das Bassinsystem; doch kann man durch Furchung des Riesellandes auch eine kontinuierliche Berieselung während des Winters fortführen. Kultiviert wird auf den R. hauptsächlich Gras, besonders Raygras, aber auch andere Futterpflanzen, Kohl, Rüben, ferner Gemüse und sonstige Gartengewächse, Kartoffeln, ja selbst Getreide und Obst.

Der Betrieb der R. erfordert viel Umsicht und Aufmerksamkeit; die Verteilung des Wassers, die Regelung der Berieselungsintensität, die Wahl der Kulturen, die Verwertung der Erträgnisse erfordert die Arbeitskräfte gut vorgebildeter Landwirte. Diese sind entweder Inspektoren der R., oder die R. werden an Fachleute verpachtet. Den Inspektoren sind sog. Rieselwärter beigegeben, welche nach ganz bestimmten Instruktionen zu arbeiten haben. Die Berieselung selbst geht in folgender Weise vor sich: Aus dem Sammelkanal oder Druckrohr (letzteres ist nötig, wenn die Abwässer auf die R. gepumpt werden) gelangt das Abwasser in Bassins oder Staugräben, setzt dort die Hauptmasse der gröbern Sinkstoffe, die dann von Zeit zu Zeit ausgehoben und als fester ↔ Dünger verwertet werden, ab, wird dann in kleinere Gräben oder Röhren verteilt und schließlich über die R. geleitet. Hier werden die suspendierten Bestandteile mechanisch zum größten Teil abfiltriert, beim Durchsickern des Wassers durch den Boden werden die gelösten Bestandteile teils vom Boden absorbiert, teils von den Wurzeln der Pflanzen aufgenommen, und so vollzieht sich eine vollständige Reinigung des Abwassers. Das gereinigte Abwasser wird in einem Drainnetz gesammelt und durch größere offene Wassergräben den nächsten Wasserläufen zugeführt.

Wie die organischen Stoffe, Stickstoff, Phosphorsäure und Kali vom Boden in beträchtlichen Mengen absorbiert werden, so werden auch die Bakterien, welche das Abwasser von Städten in unzählbaren Mengen enthält, fast völlig aus diesem entfernt. Diese letztere Reinigung der Abwässer ist mit Rücksicht auf die Möglichkeit der Verbreitung von Krankheitskeimen durch die städtischen Abwässer besonders hoch anzuschlagen.

Die Anlage von R. ist nicht überall möglich, außerdem auch sehr kostspielig. Auch ist die Rentabilität der R. hinsichtlich der landwirtschaftlichen Produkte sehr gering, namentlich zu Anfang. In annähernden Zahlen haben die seit 1882 eingerichteten R. Berlins 1886 zum erstenmal einen Überschuß von 0,5 Proz. des Anlagekapitals gegeben, der seitdem langsam wächst.

Vom hygieinischen Standpunkte sind die R. mit Rücksicht auf die durch sie ermöglichte rasche Beseitigung aller Schmutzstoffe aus den Städten, deren Unschädlichmachung sowie die Verhütung der nachteiligen Flußverunreinigungen sehr zu empfehlen. Nachteile sind nicht bekannt. Die Bewohner der R. sind, wie aus den Statistiken der engl. Städte und namentlich Berlins hervorgeht, in keiner Weise gefährdet. Höchstens werden sie durch den Geruch der sich an der Oberfläche absetzenden und faulenden Sinkstoffe und des Inhalts der größeren Staubassins im Sommer zeitweise etwas belästigt. Ausgedehntere R. besitzen außer Berlin Breslau, Danzig, Zürich, Paris sowie zahlreiche engl. Städte.

Rieselung, ein Bewässerungssystem, s. Bewässerung (Bd. 2, S. 932b).

Riesen, Individuen, die das gewöhnliche Körpermaß überschreiten. Nach den Untersuchungen von Langer ist der Riesenwuchs nur eine Fortsetzung des normalen Aufbaues des Leibes, die vorzugsweise vom 10. bis 20. Jahre eintritt und dadurch Mißverhältnisse erzeugt, daß zu dieser Zeit einzelne Körperteile ihr Wachstum schon großenteils eingestellt haben, während andere weiter wachsen. Man kann nach Langer unter den R. eine schlanke und eine untersetzte Form unterscheiden. Das Verhältnis zwischen Ober- und Unterkörper ist nicht gestört; dagegen haben alle R. Schädel und Hirn relativ klein, sehr große Kiefer, kleine Stirn und Augengegend, aufgewulstete Lippen und Nasenflügel, sehr breite Schultern, Brust und Hüften und verhältnismäßig schwache Muskulatur.

Neben diesen außergewöhnlich großen Menschen (bis zu 2,5 m Länge) stehen die R. in den Mythen und Sagen aller Völker. Die griech. Mythologie personifizierte gewaltige Naturkräfte in den riesigen Giganten, Titanen, Kyklopen, im Ägäon, Antäus u. a. Bedeutsam erscheinen sie ferner in der german. Mythologie und vorzugsweise in der nordischen. Diese läßt aus dem schmelzenden Eise des Chaos einen R. Ymir (den Rauschenden, Tosen-

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 866.