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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Rom und Römisches Reich (unter den Kaisern)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Rom und Römisches Reich (unter den Kaisern)'

bunicische Gewalt, die ihn, abgesehen von der persönlichen Unverletzlichkeit, zum Vertreter der gesamten Volksrechte gegenüber dem Senat machte. Andererseits hat sich Augustus, so lautet nun sein geschichtlich gewordener Name, mit Bewußtsein bemüht, die republikanischen Institutionen zu erhalten, besonders den in der Revolutionszeit entarteten Senat zu reinigen und zu heben; dieser war und blieb der Träger und die Quelle der wichtigsten kaiserl. Rechte, die er von Person zu Person verlieh. Mit dem Senat teilte Augustus die Verwaltung der Provinzen (27 v.Chr.), wies ihm dafür eine eigene Staatskasse an, bewilligte ihm eine gewisse selbständige Stellung bei der Besetzung der Magistrate und beobachtete ihm gegenüber stets eine taktvolle Ehrerbietung. Man hat deshalb nicht mit Unrecht von dem Principat als einer Doppelherrschaft (Dyarchie) des Kaisers und des Senats gesprochen. Die Volksversammlung dagegen ließ Augustus zwar bestehen, allein sie spielt schon bei ihm eine durchaus untergeordnete Rolle. Daneben war die Herstellung einer geordneten Verwaltung, die Durchführung einer allgemeinen Reichsvermessung und einer geordneten Bevölkerungsaufnahme, die Bestimmung fester Reichsgrenzen, die Regelung des Finanz- und Steuerwesens u.dgl. für die Konsolidierung der Monarchie wie für die Wohlfahrt des Reichs von höchster Bedeutung, und es erhielten sich bis Diocletian die Grundzüge der Augusteischen Verfassung und Verwaltung. Gegenüber den verschiedenen nationalen Bestandteilen des unermeßlich gewordenen Reichs hielt Augustus die Politik fest, daß die röm.-italische Nationalität, gehoben durch hellen. Bildungselemente, die Grundlage in dem Völkergemisch des Reichs bilden solle, die dem Ganzen Halt und Festigkeit gäbe. Die günstigen Verhältnisse nach außen, die nur gegen das Ende seines Lebens durch den furchtbaren dalmatin.-pannonischen Aufstand 6–9 n.Chr. und die Vernichtung der Rheinarmee des Varus 9 n.Chr. einen bösen Stoß erfuhren, und die lange Dauer seiner Regierung dienten, verbunden mit seiner persönlichen Mäßigung, dazu, die von ihm geschaffene Ordnung der Dinge zu einer dauernden zu machen. Die neue Regierung trug schon entschieden den Charakter einer Militärmonarchie. Denn zu ihren wichtigsten Einrichtungen gehörte die Errichtung eines stehenden Heers, während nach republikanischer Verfassung die Heere nach jedem Feldzug aufgelöst wurden. Indessen die Verteilung dieses Heers an den Grenzen des Reichs und die Dienste, welche die in Rom liegenden Truppen, vor allem die von Augustus geschaffenen Polizei- und Feuerwachmannschaften, der Sicherheit der Stadt leisteten, ließen unter ihm jenen militär. Charakter nicht sogleich allzu scharf hervortreten. Im Gegenteil war die Augusteische Regierung für die Ausbildung einer röm. Kunst und Poesie die fruchtbarste, wozu neben den in dem innern Entwicklungsgange des röm. Kulturlebens liegenden Momenten nicht wenig beitrug, daß dem Augustus dieselben Männer, die ihm im Felde und im Rate so große Dienste gethan, Agrippa und Mäcenas, auch bei seinen Verschönerungsplänen und seiner Förderung des litterar. Lebens eifrigst zur Seite standen.

Diesem glänzenden Eingange der Monarchie, die aber an einer staatsrechtlichen Unsicherheit und dem Mangel einer Thronfolgeordnung krankte, folgte 14–37 n.Chr., da kein passender Vertreter des ↔ Julischen Hauses da war, Augustus' Stiefsohn Tiberius, der schon in Augustus' letzter Zeit sein bester und getreuester Helfer gewesen war; er hat die Verfassung des Principats im einzelnen vollendet. Die im Anfange seiner Regierung ausbrechenden Militäraufstände in Pannonien und am Rhein wurden unterdrückt, die Niederlage des Varus durch Germanicus gerächt. Die Provinzen erfreuten sich der Fürsorge des Kaisers, die Verwaltung nahm einen vortrefflichen Gang. Die Getreideversorgung der Hauptstadt wurde musterhaft eingerichtet, der Tiber reguliert, die Gardetruppe der Prätorianer nach Rom zusammengezogen. Daß Tiberius im J. 14 die Magistratswahlen der Volksversammlung entzog und dem Senat übertrug, war bei der Zusammensetzung der Volksversammlung eine weise, wohlbedachte Maßregel, außerdem eine Konsequenz des Principats. Andererseits hat Tiberius auch die Person und die Rechte des Princeps scharf herausgehoben und betont und einen bewußten Vernichtungskampf geführt gegen den alten republikanischen Adel, der sich seinen Plänen widersetzte. Unter ihm kommt der Begriff der Majestätsbeleidigung und des Majestätsverbrechens im modernen persönlichen Sinne auf, während sie bisher nur an der Majestät des röm. Volks gehaftet hatten. Dadurch kam es zu zahlreichen Majestätsprozessen und Hinrichtungen. Die Regierungen der Nachfolger des Tiberius, Caligula oder, wie sein eigentlicher Name war, Gajus Cäsar, 37–41, Claudius, 41–54, und Nero, 54–68, weisen weder im Innern noch im Äußern durchgreifende Veränderungen oder hervorragende Ereignisse auf, nur daß unter Claudius Mauretanien einverleibt wurde und die Unterwerfung Britanniens begann; auch im Innern leistete seine Herrschaft Vortreffliches. Dagegen gleichen sich die Regierungen des Gajus Cäsar und Nero einigermaßen in einem maßlosen, sich selbst vergötternden Despotentum. Mit Nero starb das julisch-claudische Kaiserhaus aus.

Von den vier Prätendenten, die nun nacheinander in Rom und den Provinzen auftraten, fielen Galba durch Otho, Otho durch Vitellius, Vitellius durch Vespasians Feldherrn noch im Laufe des J. 69. Dagegen gelang es dem aus einer schlichten Ritterfamilie stammenden Flavius Vespasianus, den Thron zu gewinnen und zu behaupten (69–79). Seine sparsame und tüchtige Verwaltung erlöste das Reich aus der finanziellen Unordnung, in die es die vorhergehenden Kaiser gestürzt hatten, auch sonst schaffte er Ordnung; nicht minder wichtig war, daß er die besten Elemente aus den Landstädten Italiens und aus den Provinzen in den Senat zog und damit frisches Blut in den obersten Stand des Reichs brachte. Sein Sohn Titus warf unterdessen den Aufstand in Judäa, den Vespasian eben noch selbst bekämpft hatte, vollends nieder und eroberte 70 Jerusalem. Zu gleicher Zeit wurde die Empörung des Batavers Civilis (s. d.) am Niederrhein bezwungen. Auch Vespasian suchte wie Augustus eine Dynastie zu gründen. Ihm folgte zunächst sein ältester Sohn Titus, 79–81, der während seiner kurzen Regierung das Regiment des Vaters fortführte, dann als der letzte Flavier sein jüngerer Sohn Domitian (81–96). Dessen unstetes, launenhaftes Wesen artete schließlich wieder zum rohen Despotismus aus. Die Reichsverwaltung war unter ihm aber nicht schlecht; auch ist der Grenzschutz von ihm ganz wirksam ausgeübt worden. Die An-

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 956.