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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Rugendas; Rügener Bodden; Rügenwalde; Rügezeugen; Rugĭer

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Rugendas - Rugier

und Nord Perd, besonders bekannt durch die eigenartigen Gebräuche seiner Bewohner. Im NW. liegt die Fischerinsel Hiddensee, etwas südöstlicher die breitere Insel Ummanz (s. d.) und gegen SW. Zudar, eine sehr fruchtbare Halbinsel. Putbus gegenüber liegt die kleine Insel Vilm. R. ist im W. eben, erhebt sich im Innern, und die Nordostküsten bestehen meist aus schroffen, steilen Kreidewänden. (S. Stubbenkammer.) Die bedeutendste Anhöhe im Innern, das «Auge des Landes», ist der Rugard bei der Hauptstadt Bergen (s. d.). Die Insel hat nur kleine Bäche, dagegen mehrere Seen. Der Boden ist, einige Sandstriche und einige Torfmoore abgerechnet, sehr ergiebig und liefert viel Getreide und Raps, namentlich auf Wittow. Sehr wichtig ist auch die Viehzucht, die kerniges Schlachtvieh und Pferde liefert, sowie die Fischerei, namentlich der Heringsfang. Schöne Eichen- und Buchenwaldungen sind vorhanden, jedoch nicht ausreichend für den Holzbedarf. Die Bewohner sind gute Schiffer, Lotsen und Fischer. Neben Bergen sind wichtig Garz, Putbus und Sagard. Bemerkenswerte Dörfer sind Altenkirchen auf Wittow und Saßnitz auf Jasmund; letzteres mit Crampas sowie Binz, Lohme, Göhren und Sellin sind besuchte Seebäder. (S. die Einzelartikel.) Eine Eisenbahn von Altefähr, Stralsund gegenüber, geht über Bergen, wo eine Linie nach Putbus-Lauterbach abzweigt, nach Saßnitz. Verschiedene Dampfschiffslinien vermitteln den Verkehr von Stralsund, Greifswald und Stettin nach R., das seiner landschaftlichen Schönheiten wegen von zahlreichen Reisenden besucht wird.

R. war im Altertum von Germanen (s. Rugier), dann von Slawen bewohnt und wurde 1168 von Waldemar Ⅰ. von Dänemark erobert, der die Einwohner zum Christentum bekehrte. Eingeborene Fürsten führten die Regierung unter dän. Lehnsherrlichkeit. Nach dem Tode Witzlafs Ⅲ. wurde die Insel 1325 mit Pommern vereinigt und kam 1648 an Schweden, wurde 1715 von Preußen und Dänen besetzt, kam aber im Stockholmer Frieden 1720 wieder an Schweden. Als ein Bestandteil von Schwedisch-Pommern wurde sie 1814 an Dänemark, 1815 an Preußen abgetreten. – Vgl. Urkunden zur Geschichte des Fürstentums R. (hg. von Fabricius, 4 Bde., Berl. 1841‒69); Fock, Rügensch-pommersche Geschichten (6 Bde., Lpz. 1861‒72); Edwin Müller, Die Insel R. (15. Aufl., Berl. 1893); Jahn, Volkssagen aus Pommern und R. (2. Aufl., ebd. 1890); Baier, Die Insel R., nach ihrer archäol. Bedeutung (Strals. 1886); Haas, Rügensche Sagen und Märchen (Greifsw. 1891); Credner, R., eine Inselstudie (Stuttg. 1893); Albrecht, Die Insel R. (12. Aufl., Berl. 1894); Karte von Gust. Müller, 1:75000 (Greifsw. 1892).

Rugendas, Georg Philipp, Schlachtenmaler, geb. 27. Nov. 1666 zu Augsburg, studierte besonders die kriegerischen Darstellungen nach Bourguignon u. a. Nachdem er einige Zeit in Wien gelebt, reiste er 1692 nach Venedig und nach Rom, von wo er 1695 nach Augsburg zurückkehrte. Hier wurde er 1710 der erste Direktor der Kunstakademie und starb 10. Aug. 1742. R. ist auch durch seine zahlreichen Radierungen und Schabkunstblätter bekannt; er ätzte z. B. 6 Blatt Capricci (Reiter und Bauern, 1698), 6 Blatt Franzosen vor Augsburg (1703), Karl ⅩⅡ. zu Pferde, die Pferde vor sich hertreibend, Prinz Eugen zu Pferde.– Seine Söhne Georg Philipp R., 1701‒74, Christian R., 1708‒81, und Jeremias Gottlob R. sind ebenfalls als Kupferstecher, besonders in Aquatinta oder getuschter Manier, bekannt.

Johann Lorenz R., der Urenkel Georg Philipps, geb. 1775, gest. 19. Dez. 1826 als Professor der Kunstschule und Direktor der Zeichenschule in Augsburg, ist bekannt durch seine Schlachtenstücke, Scenen aus der neuern Kriegsgeschichte, in Tuschmanier.

Dessen Sohn, Johann Moritz R., geb. 29. März 1802 zu Augsburg, bildete sich unter Leitung des Tiermalers Albr. Adam und unter Quaglio seit 1815 für die Genremalerei aus. Er ist als Künstler unbedeutend. R. reiste 1821‒25 in Brasilien (zum Teil mit Langsdorf), 1827‒29 in Italien, 1831‒46 durch ganz Südamerika. Dann lebte er zu München, später zu Weilheim, wo er 29. Mai 1858 starb. Das große Werk «Malerische Reisen in Brasilien» (Par. 1827‒35) war das Ergebnis seiner ersten, über 3000 Studien, bestehend in Bleistiftzeichnungen, Aquarellen und Ölskizzen, das seiner zweiten südamerik. Reise. Der bayr. Staat kaufte diese Sammlung für eine Leibrente, die er dem Künstler zahlte. Auf Veranlassung A. von Humboldts malte er auch für den König von Preußen zwei größere Folgen transatlantischer Darstellungen.

Rügener Bodden, s. Bodden.

Rügenwalde, Stadt im Kreis Schlawe des preuß. Reg.-Bez. Köslin, rechts an der Wipper, die 2 km unterhalb, nachdem sie links noch die Grabow aufgenommen, in die Ostsee mündet, an der Linie R.-Zollbrück-Bütow (82,2 km) der Preuß. Staatsbahnen, Sitz eines Amtsgerichts (Landgericht Stolp), eines Hauptzollamtes, einer Reichsbanknebenstelle und mehrerer Konsuln, hat (1890) 5296 E., darunter 27 Katholiken und 102 Israeliten, Post zweiter Klasse, Telegraph, Schloß, Irrenanstalt; bedeutende Fabrikation von Wurstwaren (Fleischwurst), Fischerei, Reederei und lebhaften Handel mit frischen und geräucherten Aalen, Lachsen und Gänsebrüsten (Rügenwalder Spickgänse), Leinwand, Getreide und Holz. Der Hafen Rügenwaldermünde mit Seebad, links an der Wipper, wurde 1772 wiederhergestellt und neuerdings erweitert. – R. kam 1273 vorübergehend an Brandenburg, gehörte um 1300 zu Polen, fiel dann an Pommern und war seit 1365 Hansestadt.

Rügezeugen, s. Rüge.

Rugĭer oder Rugen, ein zur got. Gruppe der Ostgermanen gehöriger Stamm, im 1. Jahrh. n. Chr. in Pommern ansässig, wo die Insel Rügen noch seinen Namen bewahrt hat. Die Ulmerugi, d. h. die Holm- oder Inselrugier der got. Stammsage, versetzen einige ebendahin, andere aber auf Inseln des norweg. Rogaland. Sie zogen wohl im 2. Jahrh. wie die Goten nach Süden, gerieten hier im 4. Jahrh. unter die Herrschaft der Hunnen und erscheinen im 5. Jahrh. nach dem Zerfall des Hunnenreichs als mächtiges Volk an der mittlern Donau, großenteils auch in Noricum. Hier behaupteten sie sich, bis Odoaker ihren König Fava (Fewa) 487 der Herrschaft beraubte und 488 auch das Volk aus seinem Sitze trieb. Das Land, nach ihnen noch eine Zeit lang Rugiland genannt, wurde zunächst von den Langobarden in Besitz genommen. Ein Teil der R. verlor sich allmählich unter Skiren, Herulern und Langobarden, ein anderer zog 489 mit den Ostgoten gegen Odoaker nach Italien, wo er dann neben den Goten als ein abgesonderter Stamm lebte und endlich