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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Sardinien (Königreich)

verbundenen Gefährdung seines Thrones durch die nationale und freiheitliche Begeisterung im eigenen Lande zu entgehen. Den Rechtsvorwand bildete die Ausdehnung Österreichs bis an das Mittelmeer durch seine Schutzverträge mit den nordital. Herzögen, insbesondere durch den Vertrag vom Dez. 1847 mit Parma-Piacenza, welcher das im Pariser Vertrag vom 10. Juni 1817 vorbehaltene Heimfallrecht an S. schmälere. Schon 26. März zog eine piemont. Brigade in Mailand ein, um Unordnungen und republikanischen Bewegungen zuvorzukommen. Auf dem Vormarsch gegen das Festungsviereck kam es zuerst zu dem glücklichen Gefecht von Goito (8. April), dann zu der blutigen Schlacht von San Lucia bei Verona (6. Mai), in welcher die Truppen Karl Alberts abgewiesen wurden. Der Wendepunkt des Krieges und der Bewegung war damit erreicht. Karl Albert waren weitere rasche Erfolge durch die starke Stellung der Österreicher versagt; um so mehr wandten sich die patriotischen Heißsporne von ihm ab und der republikanischen Partei zu. Indessen erhielt Radetzky durch Welden und Nugent neue Verstärkungen, während die ital. Freischaren zweifelhaften Wert zeigten und der Papst entschieden die Teilnahme am Kriege gegen Österreich ablehnte. Das Treffen von Curtatone (29. Mai) hob die ital. Einschließung Mantuas auf, das zweite Gefecht von Goito (30. Mai) hatte die Übergabe von Peschiera zur Folge, welche aber 11. Juni ausgeglichen wurde durch die Übergabe Vicenzas, die Radetzky erzwang. Der Versuch Österreichs, die Lombardei von Karl Albert zu trennen und zu besondern Verhandlungen zu veranlassen, führte nur dazu, daß die Volksabstimmung vom 28. Mai hier wie in Parma und Modena fast einstimmig den sofortigen Anschluß an das Königreich verlangte, eine Entscheidung, der endlich auch (4. Juli) Venedig (s. Manin) sich anschloß; andererseits aber trugen die mißglückten Verhandlungen auch zur Hebung der Kriegslust in Wien bei. So mußte das Schwert entscheiden. Es entschied glänzend für Österreich bei Custozza (23. bis 25. Juli 1848), von wo Radetzky in raschem Siegeslauf (6. Aug.) vor Mailand rückte. Unentschlossen beim Angriff, hatte Karl Albert sich nach Verlust der Minciolinie, statt auf das rechte Poufer zu entweichen, kopflos auf Mailand zurücktreiben lassen, wo er sich gegen den Feind nicht halten konnte und so nur die Erbitterung der preisgegebenen Stadt auszukosten hatte. Es wurde zu Vigevano 9. Aug. 1848 ein Waffenstillstand geschlossen, durch welchen das Königreich S. sich auf seine alte Grenze zurückzog und auf Unterstützung der Aufstände in der Lombardei, Venedig, Parma-Piacenza und Modena vorläufig verzichtete.

Der Waffenstillstand führte zunächst einen Wechsel in den Ministerien mit sich; 26. Juli waren an Stelle Balbos, Sclopis' und Buoncompagnis Casati (s. d.), das bisherige Haupt der provisorischen Regierung in Mailand, der Venetianer Paleocapa und der Piacentiner Gioia eingetreten; diese und mit ihnen Gioberti und Pareto zogen sich schon 7. Aug. zurück und an ihre Stelle traten 20. Aug. Revel, Perrone, Dabormida, Pinelli und Buoncompagni unter dem Vorsitz C. Alfieris. England und Frankreich suchten die Waffenruhe zu benutzen, um Österreich wenigstens zur Abtretung der Lombardei zu vermögen; aber es wußte die unbequemen Mittler hinzuhalten, bis es mit der Niederwerfung des zweiten Wiener Aufstandes (Oktober bis Nov. 1848) und dem siegreichen Vordringen in Ungarn (Anfang 1849) wieder Kraft gewonnen hatte. Indessen waren Toscana und der Kirchenstaat der Republik verfallen, S. konnte also von ihnen keine nennenswerte Unterstützung mehr erwarten. Außerdem hatte die lange Kriegsbereitschaft die Finanzen zerrüttet; üble Kammerverhandlungen, Kammerauflösungen, Neuwahlen und Kabinettswechsel vermehrten die Verwirrung; den 15. Dez. wiederberufenen Gioberti ließ Karl Albert, dem er zu bedeutend war, schon 20./21. Febr. 1849 wieder fallen. Das neue Kabinett unbekannter Mittelmäßigkeiten verminderte die Zuversicht. Dennoch kündigte der von England und Frankreich schließlich im Stich gelassene Karl Albert, getrieben von der demokratischen Kammer und der Gärung im Lande, den Österreichern mit verzweifeltem Entschluß 12. März 1849 die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten an, als diese ihrer Zusage entgegen die Anhänger von S. in der Lombardei hart bedrückten. Der Pole Chrzanowski (s. d.) wurde mit dem Oberbefehl betraut über die 85000 Mann starke piemont. Feldarmee, die den 70000 Radetzkys unter erprobten Führern und mit sehr überlegenem Geschütz gegenüber stand. So folgte der Eröffnung des Kampfes der Schlag von Mortara (21. März), dann die blutige Niederlage von Novara (23. März).

Victor Emanuel II. (s. d.), zu dessen Gunsten sein Vater Karl Albert noch in der Nacht auf dem Schlachtfelde abgedankt hatte, erreichte zuerst einen Waffenstillstand 26. März, auf den hin Genua sich erhob, und nach mühevollen Verhandlungen, welche der neue Ministerpräsident M. d'Azeglio (s. d.) zum guten Ende führte, 6. Aug. 1849 den Frieden von Mailand, durch welchen das Königreich seine alten Grenzen erhielt und die Kriegsentschädigung von den ursprünglich verlangten 230 Mill. Frs. aus 75 Mill. ermäßigt wurde. Die schweigende Zustimmung der Kammer konnte erst nach einer 20. Nov. angeordneten Auflösung und Neuwahl 9. Jan. 1850 erwirkt werden. Über die geschichtlichen Ereignisse in S. 1849-61, die Febr. 1861 die Einigung des Landes mit ganz Italien zu einem Königreich durch Victor Emanuel II. (Gesetz vom 17. März 1861) herbeiführten, s. Italien (Bd. 9, S. 767-769). (S. auch Cavour.)

Vgl. außer der Litteratur bei Savoyen Relazioni diplomatiche della monarchia di Savoia 1559-1814 (hg. von Manno, Ferrero und Vayra, Tur. 1886 fg.); Gallenga, Storia di Piemonte (2 Bde., ebd. 1856); Manno, Storia della Sardegna (3 Bde., ebd. 1825); Mimaut, Histoire de la Sardaigne (2 Bde., Par. 1825); Brosserio, Storia di Piemonte (5 Bde., Tur. 1852 fg.); ders., Storia del parlamento subalpino (6 Bde., ebd. 1856-68); Ricotti, Storia della monarchia piemontese (6 Bde., Flor. 1861 fg.); N. Bianchi, Storia della monarchia piemontese 1773-1861 (geht nur bis 1814; Bd. 1-4, Tur. 1877-85); Galliani d'Agliano, Memorie storiche sulla guerra di Piemonte 1741-47 (ebd. 1840); Beauchamp, Histoire de la révolution du Piémont (2 Tle., Par. 1821-23); Santa Rosa, De la révolution piémontaise (ebd.1822); Pinelli e Trompeo, Gli atti del primo parlamento subalpino (Tur. 1856); Manno, La concessione dello statuto (Pisa 1885); Memorie e osservazioni sulla guerra dell'indipendenza d'Italia (Tur. 1849); Bericht des österr. Generalstabs über den Feldzug von 1848 (2 Bde., Wien 1850); V. Bertolotti, Storia del esercito sardo e dei suoi alleati nelle campagne