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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Scheinerscher Versuch - Scheintod
Scheinerscher Versuch, nach dem Jesuiten
Scheiner (s. d.) benannter Versuch, der darin be-
steht, daß man vor das Auge ein Kartenblatt hält,
in dem sich zwei kleine Offnungen befinden, deren
Abstand kleiner ist als die Pupillenweite, und
durch die Dsfnungcn einen feineu Punkt betrachtet.
Nur dann, wenn das Auge auf die Entfernung des
Punktes eingestellt ist, erscheint der Punkt einfach;
ist dagegen das Auge auf eine größere oder kleinere
Entfernung eingestellt, so bilden sich auf der Netz-
haut zwei gesonderte kleine Zerstreuungskreise und
der Punkt erscheint doppelt.
Scheinfeld. 1) Bezirksamt im bayr. Reg.-Bez
Mittelfranken, hat 394,23 ^m und (1890) 19 826
(9488 männl., 10338 weibl.) E. in 55 Gemeinden
mit 148 Ortschaften, darunter 2 Städte. - 2) Be-
zirksstadt im Bezirksamt S., im Steigerwald, links
an der Scheine, Sitz eines Amtsgerichts (Landgericht
Fürth), hat (1890) 990, als Gemeinde 1169 E., dar-
unter 142 Evangelische und 112 Israeliten, Post,
Telegraph, ein franz. Miuoritenkloster und bedeu-
tende Viehmärkte. Nordöstlich von S. liegt das
Schloß Schwarzenberg, das Stammschloß der
Fürsten SchWarzenberg.
Scheinfrucht, s. Frucht (botanisch).
Scheingelenk, s. Gelenk (Bd. 7, S. 729 k).
Scheingeschäst, das in der Form eines Rechts-
geschäfts Erklärte, während der oder die Erklären-
den den Inhalt ihrer Erklärung nicht wollen. Der
Schein kann zur Täuschung (Simulation) oder zur
Umgehung gewählt sein; zur Tüusckung namentlich
dritter Personen, wie wenn ein Schuldner seine
Grundstücke, um sie den Gläubigern zu entziehen,
zum Schein an dritte Personen verkauft und über
den Kaufpreis quittiert, oder zum Schein Hypo-
theken eintragen läßt, während er dem angeblichen
Gläubiger gar nichts schuldet; oder wenn jemand
zu unzüchtigen Zwecken einer Frauensperson eine
Trauung vorspiegelt. Es gilt die Regel, daß eine
gegenüber einem andern abzugebende Willens-
erklärung, die mit dessen Einverständnis nur zum
Schein abgegeben wird, nichtig ist (Deutscher Ent-
wurf eines Bürgert. Gesetzb. §. 92; Sachs. Vürgerl.
Gesetzb. §. 828). Dritten gegenüber, zu deren
Nachteil die simulierten Verträge abgeschlossell sind,
können sich die Kontrahenten nicht allein nicht auf
den Schein berufen, sondern sie haften dem ab-
sichtlich Getäuschten auf Schadenerfatz (Österr.
Bürgerl. Gesetzb. §. 869; Preuß. Allg. Landr. 1,14,
§. 210). Wenn umgekehrt ein Dritter in gutem
Glauben mit dem, welcher dem Scheine nach er-
worben hat, kontrahiert, so können sich die Kontra-
henten diesem Dritten gegenüber nicht darauf, das
S. gelte nicht, berufen.
Ist aber das S. zur Umgehung gewisser Schwie-
rigkeiten, welche dem Abschluß des beabsichtigten
Geschäfts entgegenstanden, geschlossen, wird also
durch das S. ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt,
wird z. V. statt einer Schenkung ein Kauf zu einem
Preife weit unter dem Werte geschlossen, so bestimmt
sich die Gültigkeit nach den für das verdeckte Rechts-
geschäft geltenden Vorschriften (Deutscher Entwurf
§. 92; Eächf. Bürgerl. Gesetzb. §. 829; Österr.
Bürgerl. Gesetzb. §. 916). Das kann zur Aufrecht-
haltung des beabsichtigten Rechtsgeschäfts führen;
so wenn der Gläubiger, statt auf feine Forderung zu
verzichten, quittiert, als wäre ihm der geschuldete
Betrag gezahlt. In der Rechtsgeschichte bilden we-
gen der angewendeten Formen S. dieser Art eine
große Rolle (s. N^uoipatjo). Ist das verdeckte
Geschäft verboten (z. B. Wucher) oder an eine be-
stimmte, im S. nicht beobachtete Form geknüpft
(wie die Schenkung), so bleibt der ganze Akt nichtig.
Scheinkauf, s. Scheingeschäft.
Scheintod (^Lpti^xia), der Zustand eines orga-
nischen Wesens, in dem die Erscheinungen des Lebens
nicht mehr bemerkt werden und dennoch der Lebcns-
prozeß selbst noch nicht völlig erloschen ist, namentlich
Füuluis noch nicht eintritt. Die Symptome des S.
beim Menschen sind: das Gehirn und das übrige Ner-
vensystem, das Herz, die Lungen, das Gefäßsystem
scheinen ihre Funktionen eingestellt zu haben, indem
das Bewußtsein und die Empfänglichkeit der Sinne
erloschen sind, die Muskeln keine Bewegungen mehr
vollbringen, Atem, Herz- und Pulsschlag nicht mehr
wahrnehmbar sind. Doch sind nach Bouchuts Unter-
suchungen stets noch die Herztöne, wenigstens der
zweite, hörbar; erst wenn diese erlöschen, ist der
Tod sicher. Ein wertvolles Erkennungszeichen des
S. ist die elektrische Erregbarkeit der Muskeln; beim
Scheintoten bleibt dieselbe erhalten, während sie beim
Toten 1^/2 bis 3 Stunden nach dem Tode erlischt,
auch die Totenstarre (Tod) bleibt aus.
Die innere Ursache des S. ist zunächst Stillstand
des Herzens, und dieser kann eintreten: bei scheintot
Neugeborenen, nach Verblutungen, nach langem
Hungern und heftigen Krampfanfällen (Epilepsie,
Eklampsie, Starrsucht), nach heftigen Gehirner-
schütterungen, bei vom Blitz Getroffenen, bei Schlag-
flüssigen, Erfrorenen, Erdrosselten und Ertrunke-
nen; ferner bei manchen narkotischen Vergiftungen
(Opium, Belladonna, Chloroform, Blausäure u. a.)
sowie beim Einatmen irrespirabler Gasartcn. Auch
kann der S. ein somnambulistischer Zustand sein.
Vor eingetretener Fäulnis läßt sich oft durch Zu-
sammenstellen aller andern Zeichen des Todes mit
dem bekannten Verlauf der Krankheit (z. B. Schwind-
sucht) mit völliger Gewißheit aussprechen, daß kein
Wiedererwachen möglich sei. Sichere Vorbeugungs-
maßregeln gegen das Lebendigbegrabenwerdensind:
das Verbot der zu frühen Beerdigung (nicht früher
als 72 Stunden nach dem Tode), Überwachung der
Leichen, obligatorische Leichenschau durch Sachver-
ständige und obligatorische Leichenöffnung.
Belebungsversuche macht man, indem man
entweder den auf dem Gesicht liegenden Verunglück-
ten langsam und allmählich, ungefähr 15 mal in
der Minute, auf die Seite und ein wenig darüber
hinaus und dann schnell wieder auf das Gesicht zu-
rückwälzt und, während er auf dem Gesicht liegt,
einen gleichmäßigen Druck auf feinen Rücken und
die Seitenflächen der Brust ausübt (Methode
von Marshall-Hall), oder indem man ihn auf
den Rücken legt, feine Schultern durch ein unter-
gelegtes Kiffen unterstützt, seine Zunge nach vorn
zieht und vor den Lippen festhält und nun durch
abwechselndes langsames Erheben der Arme bis
über den Kopf und darauf folgendes Wiederan-
drücken gegen die Brustwand eine rhythmische Er-
weiterung und Verengerung des Brustkorbes be-
wirkt (Methode von Sylvest er). Immer muß
man diese Bewegungen längere Zeit fortfetzen, da
nicht selten erst nach halbstündigen, ja feldst mehr-
stündigen Manipulationen eine Wiederbelebung
erfolgt. Daneben sind starke Riech- und Niesmittel,
kräftige Hautreize (Besprengen mit kaltem Wasser,
Reiben und Bürsten des ganzen Körpers, Einwickeln
der Füße in Senfteige) und reizende Klystiere zu