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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Schiffahrt

und wenigen Rahesegeln. Überhaupt machte der Schiffbau im Mittelalter keine erwähnenswerten Fortschritte. Von wesentlichem Einfluß auf die S. war die Anfertigung der reduzierten Seekarten durch Gerhard Mercator (s. d.) und die Einführung des Logs (s. d.), das zum erstenmal in Bournes "Regiment for the sea" 1577 beschrieben ist. Pedro Nuñez und Gemma Frisius machten sich um die nautische Astronomie verdient durch Einführung von Methoden der Längen- und Breitenbestimmung. Mit der Entdeckung Amerikas und des Seewegs nach Indien, mit den Fortschritten in der Schiffsführungskunst und der dadurch erhöhten Sicherheit der S. nahm der Seehandel lebhaften Aufschwung. In Portugal hatte die Regierung den Seeverkehr mit China, Japan und Siam monopolisiert; Brasilien wurde zur Deportiertenkolonie. Besonders aber hob der ostind. Handel im 16. Jahrh. die Handelsmarine; Lissabon war nächst Amsterdam der Mittelpunkt des ganzen Seeverkehrs. Die S. verfiel, als Portugal mit Spanien vereinigt und 1594 den Holländern der Hafen von Lissabon verschlossen wurde. Spaniens Seeverkehr beschränkte sich hauptsächlich auf den für die Gold- und Silberbergwerke Amerikas nötigen Sklavenhandel. Auch der Besitz der Philippinen konnte den Niedergang der spanischen S. nicht hindern. Seit dem 15. Jahrh. strebten die Holländer mächtig empor, machten zunächst der Hansa im Norden erfolgreiche Konkurrenz, namentlich im Fischfang, und wandten sich dann zur See gegen die Spanier. Die 1602 gegründete große Ostindisch-Holländische Handelscompagnie und Schiffahrtsgesellschaft brachte das Seewesen Hollands auf die höchste Stufe. Ihre Schiffbauwerften lieferten fast für alle Nationen Schiffe, groß und kräftig gebaut, von kuffartiger Form. Mitte des 17. Jahrh. besaß Holland etwa 15000 Handelsschiffe, darunter 2000 Heringsfischerfahrzeuge und etwa 200 Robben- und Walfischfänger. Die S. Englands entwickelte sich spät. Erst Heinrich VIII. gab ihr die Grundlage durch Einrichtung von Seeämtern und Kommissionen zur Ausbildung von Steuerleuten und Lotsen, durch Regelung der Küstenbeleuchtung und Bau von Hafen- und Werftanlagen. Noch mehr that Elisabeth zur Hebung der Seegröße Englands. Drakes und Cavendishs Weltumsegelung und das Ende der Armada (s. d.) hoben das Nationalgefühl und sicherten England die Herrschaft über die Meere. Durch Cromwells Navigationsakte (s. d.) wurde England die erste Seehandelsmacht, nachdem es aus dem Kampfe mit Holland siegreich hervorgegangen war. 1661 wurde die Englisch-Ostindische Compagnie gegründet, die sich später zu einer bedeutenden Kolonialmacht entwickelte. Frankreichs Seewesen gewinnt erst im 17. Jahrh. mit Colbert (s. d.) Bedeutung. Er verfügte regelrechte Aushebung der Küstenbevölkerung, legte Kriegshäfen und Werften an, zahlte den Reedern für neugebaute Schiffe Prämien und schuf die berühmte Marineordnung von 1681, die bald den übrigen Staaten als Muster diente. Eine franz. Gesellschaft für Ostindien gedieh nur wenig, dagegen brachte der Erwerb der westind. "Zuckerinseln" einigen Seehandel in Gang. In Deutschland wurde seit dem Niedergang der Hansa die S. fast nur durch Hamburg ausgeübt, dessen Seeverkehr sich auf Spanien, Portugal, Island und Grönland beschränkte. Die in Flotten segelnden Kauffahrer wurden durch Convoifregatten gegen Seeräuber und Kaper gedeckt. Über die kurbrandenburgische S. s. Deutsches Heerwesen (Bd. 5, S. 71 a). Großen Schaden that der S. während des 17. und 18. Jahrh. die Kaperei; entschlossene Handelskapitäne erhielten von ihren Regierungen Kaperbriefe, unter deren Deckung ihr rücksichtsloses Prisenmachen meist in Seeraub ausartete (s. Kaper). Trotz der vielen Seekriege nahm aber die S. stetig zu; es traten auch Dänemark, Schweden und Norwegen mit Erfolg in die Reihe der Seestaaten ein, während Rußland es trotz Peters d. Gr. Bemühungen zu keiner nennenswerten Handelsmarine brachte. Dem 18. Jahrh. waren große entscheidende Erfindungen zu Gunsten der S. vorbehalten, nämlich die der Reflexionsinstrumente, des Sextanten (s. d.) und der Chronometer (s. d.); gleichzeitig erschienen die Mondtafeln zur Bestimmung der Länge durch Monddistanzen (s. d.). Die furchtbaren europ. Kriege in den ersten Jahren des 19. Jahrh. kamen dem Emporblühen der S. des jungen nordamerikanischen Freistaates sehr zu gute.

Während England und Frankreich sich um den Ruhm der Erfindung der Dampfmaschine stritten, bewiesen die Amerikaner durch die Reise des Raddampfers Savannah (s. Dampfschiffahrt) das nötige Verständnis für diese Erfindung, die zur Entwicklung der S. in großartigstem Maße beitragen sollte. Die Erfindung der Schiffsschraube (s. Propellerschraube) wurde für Seedampfer bald allgemein eingeführt. Die S. hob sich nun überall so, daß die Wälder nicht mehr genug Holz liefern konnten; es mußte deshalb der Holzschiffbau zunächst durch den gemischten und später durch den Eisen- und Stahlbau ersetzt werden. Hiermit wurde die Berücksichtigung der örtlichen Ablenkung des Kompasses, der Deviation (s. d.), zur Notwendigkeit. Die Einführung der Dampfkraft mehrte die Unglücksfälle durch Zusammenstöße der Schiffe; so mußten Regeln für das Straßenrecht auf See (s. d.) und Führen der Positionslaternen (s. d.) gegeben werden. Anfangs wurden diese nur von England eingeführt, 1858 aber international angenommen; Okt. bis Dez. 1889 beschäftigte sich eine internationale Konferenz in Washington mit Verbesserungsvorschlägen. Ein internationales Signalbuch (s. d.), Semaphor- und Nebelsignalstationen sowie ausgedehnte Küstenbeleuchtung und Betonnung (s. d.) wurden ins Leben gerufen. Die Hydrographie und maritime Meteorologie trug dazu bei, die Gefahren der S. durch Sturmwarnungen und Regeln für das Manövrieren im Orkan zu mindern und durch Segelanweisungen (s. d.) die Möglichkeit schneller Reisen zu geben. Auch der Segelschiffbau hob sich, um den wegen des Kohlenverbrauchs teuren Dampfern Konkurrenz zu machen; die sog. Theeklipper (s. Klipperschiffe) erreichten das Maximum der Segelgeschwindigkeit. Die Vollendung des Sueskanals (1869) vergrößerte den Dampferverkehr Europas nach Ostasien und Indien und hob die bis dahin unbedeutende S. der Mittelmeerländer. Die Segelschiffahrt dient heutzutage fast nur dem Transport von Rohstoffen, während ausgedehnte Dampferlinien den Personenverkehr und Transport wertvoller Ladung, an deren schneller Beförderung viel gelegen, ganz an sich genommen haben. Ihren Höhepunkt aber hat die heutige S. in den Schnelldampfern (s. d.) erreicht. Neben der engl. Cunard Steam Ship Company (s. d.) zeichnet sich hier auch der Norddeutsche Lloyd (s. d.), die größte deutsche Dampfergesellschaft, und in neuester