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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Schleie - Schleiermacher
berg in Holstein, studierte die Rechte und trat dann
als Mitglied der Generalzollkammer in den dän.
Staatsdienst. S. verließ 1848 Kopenhagen und
stellte sich der provisorischen Negierung zur Ver-
fügung. Vom Mai bis Dez. 1848 war er Bevoll-
mächtigter der provisorischen Regierung in Berlin
und nahm an der Leitung der auswärtigen und ande-
rer Angelegenheiten der Herzogtümer teil. Mit dem
Rücktritt dcr Statthalterschaft verlieh er, von der
dän. Amnestie ausgeschlossen, die Herzogtümer und
lebte teils in Freiburg i. Br., teils auf Reisen, bis
er 1853 für Bremen als Ministcrrcsident nach den
Vereinigten Staaten von Amerika ging. 1856 ging
er für die drei Hanfestädte, die ihn zu ibrem Ge-
sandten in Washington ernannten, zum Abschluß
eines Handels-und Schisfahrtsvertrags nach Mexiko.
Jan. 1865 wurde er als hanseatischer Ministerresi-
dcnt nach London versetzt, legte aber diese Stellung
beim Ausbruch des Krieges 1. Juli 1866 nieder.
Zwei Jahre (1868-70) rechtsgelehrter Senator in
Altona, war er 1867-74 Abgeordneter zum Nord-
deutschen bez. Deutschen Reichstag, wo er dcr libe-
ralen Reichspartei angehörte, und zog sich dann
wieder nach Freiburg zurück, wo er 25. Febr. 1895
starb. Von seinen zahlreichen Schriften sind be-
merkenswert: "Aktenstücke zur neuesten scklesw.-bol-
stein.Geschickte" (anonym, 3 Hefte, Lpz.1851-52),
"Zum Verständnis der deutschen Frage" (Stuttg.
1867), "Zur Frage der Besteuerung des Tabaks"
(Lpz. 1878), "Reiseerinncrungen aus den Vereinig-
ten Staaten von Amerika" (Neuyork1873), "Iugend-
erinnerungen eines Schlcswig-Holstcincrs" (3 Bde.,
Wiesb. 1886-91).
Schleie (Sch leihe, I'iiic^), eine zur Familie der
Karpfen gehörende Fischgattung, zeichnet sich durch
schr kleine Schuppen, zwei kurze Bartfäden und durch
den Mangel der Knochenstrahlen in der Rückenflosse
ans. Die gemeine S. (linca vn^ai-is Oltr.), die
oben braungrün, unten gelblich gcfa'rbt ist, eine ab-
gestutzte Schwanzflosse hat, 30-60 cm lang und bis
zu 11<F schwer wird, gehört zu den verbreitetsten Fi-
schen Deutschlands, kommt in allen Gewässern mit
schlammigem Grunde vor und laicht im Frühsommcr.
Die goldig gefärbte und schwarz gefleckte Varietät
heißt Goldschleie' das Fleisch ist wohlschmeckend.
Schleier,inderVotanik,s.Farne(Bd.6,S.581^).
Schleiereule (8ti-ix ttammea ^., s. Tafel:
Eulen, Fig. 2), eine unserer häufigsten Eulen, die
32 cm lang ist, 90 cm klaftert und ein graues und
rostgclbes, mit dnnklern und Hellern Binden und
Flecken verziertes weiches Gefieder hat, das um die
Augen herum zum sog. Schleier entwickelt ist. Die
sehr intelligenten S. gehören zu den nützlichsten Vö-
geln, ein Individuum vertilgt oft in einer Nacht
fünfzehn Mäuse und mehr. Sie bewohnt hauptsäch-
lich Türme und verfallene Gebäude.
Schleierhuhn, foviel wie Haubenhuhn (s. d.).
Schleierlehn, s. Kunkellehn.
Schleiermacher, Friedr. Ernst Daniel, prot.
Theolog, geb. 21. Nov. 1768 zu Vreslau, wo
sein Vater reform. Feldprcdiger war, wurde auf
dem Pädagogium dcr Vrüdergemeine in Nieskv,
dann im thcol. Seminar zu Varby im strengsten
Geiste herrnhutischer Frömmigkeit erzogen und be-
zog 1787 die Universität Halle, um die rationa-
listische Richtung kennen zu lernen. Nachdem er kurze
Zeit Erzieber und Lehrer gewesen war, wurde er
1794 HilfsPrediger in Landsberg a. d. Warthe,
1796 Prediger am Charite'krankenhause in Berlin,
1802 Hofprediger in Stolpe, 1804 Professor in
Halle; nach Auflöfung der Universität (1806) kehrte
er nach Berlin zurück, wo er durch Schrift und
Wort den nationalen Geist im Volk lebendig zu
erhalten bemübt war und 1809 Prediger an der
Dreifaltigkeitskirche, 1810 Professor an der wesent-
lich nach seinen Ratschlägen begründeten Univer-
sität wurde. Seine Vorlesungen erstreckten sich all-
müblich auf die meisten Gebiete der Theologie und
Philosoplüe. Er war Mitglied und seit 1814
Sekretär der Akademie der Wissenschaften und einige
Zeit Referent im Ministerium der geistlichen An-
gelegenheiten. Mit Eifer wirkte S. für die 1817
begründete Union (s. d.) der evang. Kirche. Er prä-
sidierte 1817 der Synode in Berlin und war uner-
müdlich, wennauch erfolglos, für die Einführung
einer freiern Kirchenvcrfassung bemüht. Dagegen
war er Gegner dcr neuen Agende, gegen die die
"Theol. Bedenken über das liturgische Reckt evang.
Landesherren" (Berl.1824) gerichtet sind(s.Agenden-
streit). S. starb 12. Febr. 1834 zu Berlin.
In seiner ersten Periode trieb S. mit Vorliebe
pbilos. Studien, fühlte sich abcrauch, im Verkehr
mit den beiden Schlegel, mit Henriette Herz u. a.
von den romantischen Ideen mächtig angezogen.
Als Romantiker charakterisieren ihn auch seine
ersten felbftändigen Schriften, "Über die Religion.
Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern"
(zuerst anonym, Verl. 1799 u. ö.; hg. mit Einlei-
tung von Schwarz, 2. Aufl., Lpz. 1880; kritifche
Ausgabe von Pünjer, Braunschw. 1879), die "Ver-
trauten Briefe über F. Schlegels Lucinde" (anonym,
Lübeck 1801) und die "Monologen" (hg. mit Ein-
leitung von Schwarz, Lpz. 1869), mit denen er den
Morgen des neuen Jahrhunderts begrüßte. Auch
einige Aufsätze im "Athenäum" und die ersten
Arbeiten zur Übersetzung des Plato, die er an-
fangs mit Fr. Schlegel, gemeinfam beabsichtigte,
später aber allein zu stände brachte (5 Bde., Verl.
1804-10; 2. Aufl., 6 Bde., 1817 - 28), gehören
in dicfe Zeit. Die "Reden über die Religion", um
derentwillen er ein "fpinozistifcher Prediger" ge-
nannt wurde, können als der Anfangspunkt der
gesamten neuern Theologie bezeichnet werden; in
ibnen machte er ebenso gegen das dogmatische Kir-
ckentum wie gegen die nüchtern-verstandesmäßige
Aufklärung Front und grub zugleich die tiefste
Wurzel der Religion im menschlichen Gemütsleben
wieder auf und befchricb sie als ein Innewerden
und Empfinden des Ewigen und Unendlichen mit-
ten in der Zeitlichkeit und dem endlichen Menschen-
leben. Spater kehrte er sich von den Überschweng-
lichkeiten der Romantik ab und gewann sür das ge-
schichtliche Christentum ein tieferes Verständnis.
An die schon früber erschienenen Schriften: "Grund-
linien einer Kritik der bisherigen Sittenlehre" (Berl.
1803; 2. Aufl. 1834), "Die Weihnachtsfeier. Ein
Gespräch" (Halle 1806; 4. Aufl., Verl. 1850) und
die kritiscke Untersuchung "Über den sog. ersten
Brief des Paulus an den Timotheus" (Berl. 1807),
sckloß sich die den Gang der neuern Theologie vor-
zcichnendc "KurzeDarstellung des theol. Studiums"
(ebd. 18l1; 2. Aufl. 1830) an.
Das eigentliche Grundwert der neuern prot. Theo-
logie ist "Der chriftl. Glaube, nach den Grundsätzen
der evang. Kirche im Zufammenhange dargestellt"
(2Vdc.,Verl.1821-22; ncue Ausg.,4Vde., Gotha
1889, in der "Bibliothek theol. Klassiker"). Hier
führt S. die Religion auf das Gefühl der Abhän-