Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Schweiz (Neuere Geschichte)'
worden; im April fand derselbe Umschwung in Zürich, im Febr. 1846 in Bern statt, das nun als zeitweiliger Vorort an die Spitze der liberalen Partei trat.
Diese Wendung der Dinge erweckte in den ultramontanen Kantonen große Besorgnis. Im Sept. 1845 trat auch Wallis dem
Sonderbunde von 1843 bei, und dieser rüstete zum Widerstand. Die Bestimmungen des Bundesvertrags von 1815 über Sonderbünde
waren so lax, daß der Vorschlag Zürichs auf Auflösung des Sonderbundes auf der Tagsatzung im Sept. 1846 nicht die zum Beschlusse erforderliche Mehrheit
erhielt. Erst nachdem in Genf die herrschende klerikale Partei im Okt. 1846 durch einen Aufstand abgesetzt und auch in St. Gallen eine Änderung des Systems
herbeigeführt worden war, kam 20. Juli 1847 ein gültiger Tagsatzungsbeschluß zu stande, der die Auflösung des Sonderbundes aussprach. An diesen Beschluß
knüpfte sich dann im September ein weiterer für Ausweisung der Jesuiten und Vornahme der Bundesreform.
Nachdem eine Proklamation an das Volk der Sonderbundskantone und die Absendung von Kommissären dahin erfolglos geblieben war, sammelte die Tagsatzung eine
Armee von nahezu 100000 Mann unter dem Oberbefehl Dufours und beschloß 4. Nov. die Vollziehung ihres Dekrets vom 20. Juli durch Waffengewalt
(Sonderbundskrieg). Ihr gegenüber standen unter dem Oberbefehl des Graubündeners Salis-Soglio 37000 Mann der sieben
Sonderbundskantone, die noch durch einen Landsturm von 47000 Mann unterstützt werden sollten. Durch Überschreitung der Grenzen des Kantons Tessin und einige
anfangs glückliche Einfälle in die kath. Freiämter des Aargaus wurden die Feindseligkeiten von den Truppen des Sonderbundes eröffnet. Der Angriff von seiten
der Tagsatzung erfolgte durch das Einrücken eines Teils der eidgenössischen Truppen in den ganz isolierten Kanton Freiburg. Nach einem kurzen Gefecht
kapitulierte die Stadt. Die Jesuiten flohen, die Regierung zerstreute sich, und eine neue ward gebildet. Jetzt wandte sich die Hauptmacht der Eidgenossen
gegen Luzern. Zug unterwarf sich ohne weiteres 21. Nov. Am 23. Nov. kam es in der Nähe von Luzern am Rooter Berge, bei Gislikon, Donau und Meierskappel zum
Gefecht. Die Sonderbundstruppen wurden geschlagen, und Luzern kapitulierte; die Führer des Sonderbundes, die Regierung von Luzern und die Jesuiten flohen.
Bald darauf unterwarfen sich Unterwalden, Uri, Schwyz und Wallis.
Im Verlauf dieser Kämpfe beteiligten sich fortwährend die Großmächte, mit Ausnahme Großbritanniens, an den innern Angelegenheiten der S. auf eine die
Selbständigkeit der Eidgenossenschaft gefährdende Weise. Schon 1846, bei der Umwälzung in Genf, kam es zwischen Österreich und Frankreich zu Verhandlungen
über eine event. Intervention. Da Frankreich nur mit England gemeinschaftlich handeln wollte, so benutzte Palmerston die Gelegenheit, die Entscheidung der
Sache so lange zu verzögern, bis es keinen Sonderbund mehr gab und die Vermittelung von selbst wegfiel. Doch erließen Österreich, Frankreich und Preußen noch
nach Auflösung des Sonderbundes an die S. eine Note vom 18. Jan. 1848 mit der Zumutung, die kaum erst besetzten Sonderbundskantone zu räumen und Veränderungen
in der Bundesakte von 1815 nur mit Einwilligung aller den Bund bildenden Kantone vorzunehmen. Die große europ. Bewegung von 1848 beseitigte jedoch alle
Einmischungen von ↔ außen, so daß die S. ihre polit. Neugestaltung ungestört vollenden konnte. Schon 17. Febr. 1848 begann eine von der
Tagsatzung ernannte Bundesrevisionskommission ihre Arbeiten. Am 15. April konnte der Entwurf der neuen Bundesverfassung veröffentlicht und nach seiner
Durchberatung durch die Tagsatzung 27. Juni zur Volksabstimmung vorgelegt werden. In dieser erklärte sich die Mehrheit der Kantone wie der Bevölkerung zur
Annahme und 12. Sept. erfolgte die feierliche Verkündigung.
Die S. wandelte sich in einen Bundesstaat um, mit Bundesgericht und Volksvertretung (Nationalrat) und Kantonsvertretung
(Ständerat) in der Bundesversammlung. Beide Körperschaften zusammen ernannten einen Bundesrat von 7 Mitgliedern. Bern wurde Hauptstadt. Centralisiert wurden
Post, Münze, Maß, Gewicht und Zölle, und das Volk erhielt erhebliche Rechte (Rechtsgleichheit, freie Niederlassung, Glaubensfreiheit, Preßfreiheit,
Vereinsrecht, Petitionsrecht, Handels- und Gewerbefreiheit). Das Fürstentum Neuenburg (s. d.) verwandelte
sich nach einem Aufstande der Gegner Preußens in eine Republik.
Der Sieg über die europ. Revolution 1849 führte abermals Tausende polit. Flüchtlinge, besonders Deutsche, Italiener und bald auch Franzosen, auf den Boden der
S. Ihre Anwesenheit gab indessen einigen Nachbarstaaten Anlaß zu Beschwerden. Am ernstlichsten war der Konflikt mit Österreich, das 1853 seinen Geschäftsträger
bei der Eidgenossenschaft abberief, eine Grenzsperre gegen den Kanton Tessin anordnete und alle im Lombardisch-Venetianischen Königreich wohnenden Tessiner,
über 6000, aus dem Kaiserstaat auswies. Der Ausbruch der orient. Wirren bestimmte indes Österreich im Juni 1854, die strenge Grenzsperre gegen Tessin
aufzuheben. Eine gefährlichere Verwicklung erstand der S., als 3. Sept. 1856 im Kanton Neuenburg (s. d. und
Preußen, Bd. 13, S. 413b) die Royalistenpartei das frühere Verhältnis zur Krone
Preußen wiederherzustellen versuchte. Doch folgte eine der S. völlig günstige Lösung.
Im ital. Kriege von 1859 hatte die S. zur Wahrung ihrer Neutralität an ihren Südgrenzen Truppenaufstellungen vorzunehmen und machte gleichzeitig durch
energische Beschlüsse dem Reislaufen ein Ende. Als 1860 Frankreich Savoyen annektierte, verlangte die öffentliche Stimme in der S. die Einverleibung des
Neutralitätsgebietes Faucigny und Chablais; Napoleon III. erkannte zwar die Neutralität dieser Landschaften an, verweigerte aber ihre Abtretung an die S. Eine
Friedenspartei unter Dubs und Alfred Escher stand einer Kriegspartei unter Stämpfli gegenüber. Proteste, welche die Bundesregierung gegen die franz. Annexion
erhob und in London, Berlin und Petersburg bei den sog. Kongreßmächten unterstützen ließ, hatten keine thatsächlichen Erfolge. Der Krieg in Italien 1866
machte wieder eine Truppenaufstellung im Süden nötig und bewirkte durch die außerordentlichen Erfolge des preuß. Zündnadelgewehrs eine sofortige Neubewaffnung
des eidgenössischen Milizheers; zugleich veranlaßte die Neugestaltung Deutschlands die S., auch beim Norddeutschen Bunde und den süddeutschen Staaten einen
ordentlichen Gesandten zu accreditieren. Die J. 1860–74 waren für die S. im ganzen eine Zeit der ruhigen glänzenden Entwicklung in materieller wie in polit.
Hinsicht. Handel und Industrie blühten wieder auf, begün-
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 736.