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Service – Servius Tullius
Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Servet'
ihm zu entfliehen; er wollte durch die Schweiz nach Italien reisen. Auf der Durchreise wurde er in Genf auf Calvins Wunsch 13. Aug. 1553 verhaftet. Die
Anklage lautete auf Verleugnung Gottes und Christi. Auf Calvins Drängen wurde S. nach mehrfachem Verhör 27. Okt. 1553 als Ketzer verbrannt. S. war ein
Mann von inniger Frömmigkeit, von größter Begeisterung für das, was er als Wahrheit erkannte, und von imponierendem Charakter. Als Gelehrter besaß er
ausgebreitete Kenntnisse, war bekannt als Entdecker des Lungenkreislaufs und in mehrern Wissenschaften bewandert. – Vgl. Trechsel, Die prot. Antitrinitarier,
Bd. 1: Michael S. und seine Vorgänger (Heidelb. 1839); Brunnemann, Michel Servetus (Berl. 1865); Pünjer,
De Michaelis Serveti doctrina (Jena 1876); Tollin, Das Lehrsystem Michael S.s (3 Bde., Gütersloh 1876–78) sowie die
übrigen zahlreichen Arbeiten Tollins über S.; Amallo y Manget, Historia critica de Miguel de S. (Madr. 1888); Möller,
Lehrbuch der Kirchengeschichte, Bd. 3 (hg. von Kawerau, Freib. i. Br. 1894).
Service (frz., spr. -wihß), s. Servis.
Servieren (lat.), dienen (als Handlungsgehilfe); (die Tafel) anrichten, (die Speisen) auftragen.
Serviette (frz.; ital. salvietta), das Tuch, das man beim Essen zum Schutze der Kleider benutzt.
Den Römern, die im allgemeinen mit den Fingern aßen, war es unentbehrlich. Zu Ausgang des Mittelalters kam es in Italien wieder in Gebrauch und zu Anfang
des 16. Jahrh. in Deutschland. Die Trincierbücher des 17. Jahrh., in denen die S. auch als Fatscheinlein bezeichnet werden, enthalten Anweisungen, den S.
durch kunstreiches Zusammenfalten die Gestalt von Fächern, Schiffen, Festungen, Fischen, Vögeln, Hunden, Löwen u.s.w. zu geben, um Tafeln damit zu
schmücken. – Vgl. L. Fritzsche, Illustriertes Serviettenalbum (Frankf. a.M. 1894); Ch. Wagner, Der festlich gedeckte Tisch (8. Aufl., Berl. 1894).
Servigny (spr. -winnjih), Dorf im Kanton Vigy, Landkreis Metz des Bezirks Lothringen, 6 km nordöstlich
von Metz, zwischen den nach Busenweiler und Saarlouis führenden Straßen auf einem Höhenrücken gelegen, hat (1890) 301 kath. E. und war 1870 ein
Stützpunkt der deutschen Einschließungslinie im Bereich des preuß. 1. Armeekorps und der Schauplatz blutiger Kämpfe am 14. Aug. (Schlacht bei
Colombey-Nouilly, s. d.) sowie 31. Aug. und 1. Sept. 1870 (Schlacht bei Noisseville, s. d.).
Servīle (d. h. knechtisch Gesinnte, vom lat. servus), diejenigen, die aus Furcht
oder Eigennutz gegen Höhergestellte und Mächtige einen solchen Diensteifer beweisen, wie es sich mit der Würde des freien Mannes nicht verträgt. Ins polit.
Leben wurde der Ausdruck erst 1814 in Spanien eingeführt, wo man diejenigen S. nannte, die die unwürdige Politik Ferdinands VII. unterstützten.
Servilismus, Servilität, Knechtssinn, Kriecherei.
Servīs (frz. service), Dienst, Bedienung, Trinkgeld für Bedienung;
zusammengehörendes Tafel-, Tischgeschirr (Kaffee-, Theeservice u.s.w.); im Militärwesen die Geldvergütung, welche den Personen des Soldatenstandes zur
Selbstbeschaffung des Unterkommens für sich (Personalservis), ihre Pferde (Stallservis), ihre Bureaus (Bureauservis) gewährt wird. Im Fall der Unterbringung in
Naturalquartieren erhalten die Quartiergeber den S. gezahlt; nur im Kriege wird in der Regel kein S. bewilligt.
Servīten, Diener der heiligen Jungfrau (lat.
Servi beatae Mariae virginis), Brüder vom ↔
Ave Maria und Brüder vom Leiden Christi oder von
Monte-Senario, die Mönche eines geistlichen Ordens, der 1233 zu Florenz von Kaufleuten zur Verehrung der Jungfrau
Maria durch strenge ascetische Übungen gestiftet wurde. 1236 ließen sich die Mönche auf Monte-Senario nieder, nahmen die Regel der Augustiner an und
erhielten vom Papst Alexander IV. die Bestätigung (1255). Durch ihren General Benizi (gest. 1284 oder 1286) verbreitete sich der Orden nach Frankreich, in die
Niederlande und nach Deutschland und erhielt vom Papst Martin V. die Privilegien der Bettelorden. Der Bruder Bernhardin von Ricciolini erneuerte die alte
Strenge des Ordens (1593); seine Anhänger hießen Einsiedlerserviten. Diese und die minder strengen S. haben ihre
wichtigsten Sitze in Italien, in Deutschland haben sie nur noch in Bayern ein Haus. Zu den berühmtesten Männern des Ordens gehört
Paolo Sarpi (s. d.). – Der Orden der Servitinnen, nach ihrer schwarzen Kleidung auch
Schwarze Schwestern genannt, entstand zu Lebzeiten Benizis, verbreitete sich in denselben Ländern wie die S., existiert
aber nur noch in wenigen Klöstern. – Vgl. Soulier, Vie de Bénizi, propagateur de l'ordre des Servites de Marie (Par. 1885);
Histoire de l'Ordre des Servites (1233–1310), par un ami des Servites (2 Bde., ebd. 1890).
Serviteur (frz., spr. -töhr), Diener.
Servitĭen (lat.), gewisse Gebühren der Bischöfe an den Papst, besonders für die von letzterm erteilte
Konfirmation. (S. Annaten.)
Servĭus Tullius, der als sechster röm. König 578–534 v. Chr. regiert haben soll, war nach der gewöhnlichen
Sage der Sohn eines Gottes und einer Sklavin des Tarquinius Priscus, Ocrisia, und von früh auf durch Wunderzeichen verherrlicht. Nach etrusk. Chroniken
dagegen wäre er ein Etrusker gewesen, der mit seinem heimischen Namen Mastarna geheißen und mit einer Schar
Landsleute in Rom sich festgesetzt hätte. Zum Eidam des Tarquinius erhoben, wurde er nach dessen Tode König mit Hilfe der Gemahlin des Verstorbenen,
Tanaquil. Seiner Regierung wurden glückliche Kriege mit den Vejentern, hauptsächlich aber eine großartige Verfassungsreform zugeschrieben, die aus
Patriciern und Plebejern ein einheitliches, nach lokalen Tribus geteiltes und danach wieder in bestimmte Steuer- und Heeresklassen (Centurien) gegliedertes
Volk schuf. Doch wird bezweifelt, daß diese Einteilung schon in die Königszeit gehört. Sicher fällt dagegen noch in diese die ebenfalls dem S. T. zugeschriebene
Herstellung einer noch in den Resten erhaltenen gewaltigen Stadtmauer (Servianische Mauer, s.
Rom, Bd. 13, S. 941a.). Endlich wird der der Diana auf dem Aventin in Rom als ein zweites gemeinsames
Heiligtum des Latinischen Bundes geweihte Tempel als das Werk des S. T. bezeichnet. Außerdem soll S. T. nach der Tradition geprägtes Barrengeld eingeführt
haben. S. T. hatte, wie erzählt wird, seine beiden Töchter mit den Söhnen des Tarquinius Priscus verheiratet. Die eine, des Aruns Gattin, trat in ein
ehebrecherisches Verhältnis zu dessen Bruder Lucius und heiratete ihn, nachdem er seine Gattin und sie ihren Gemahl gemordet. Dann reizte sie ihren neuen
Gemahl zur Verschwörung gegen ihren Vater. S.T. wurde erschlagen. Über die blutige Leiche fuhr die entartete Tochter mit ihrem Wagen. – Vgl. Gardthausen,
Mastarna oder S. T. (Lpz. 1882).