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Socialismus
Berufszweigen Überfluß, in andern Mangel an Kandidaten herausstellt, so soll die socialistische Centralbehörde durch Abkommandierungen einen Ausgleich herbeiführen. Die besonders unangenehmen Arbeiten sollen abwechselnd von allen Menschen verrichtet werden. - Jeder erhält für die gleiche Arbeitszeit die gleiche Anzahl Arbeitsnoten; diese verdrängen völlig das Geld, da jeder dafür aus den Staatsmagazinen die gewünschten, nach Arbeitszeit bewerteten Gegenstände entnehmen kann.
Der S. bedeutet indessen nicht allein eine tief in das Wirtschaftsleben eingreifende Neuerung, auch wichtige andere Lebensverhältnisse werden durch ihn berührt; vor allem muß hier die Stellung des S. zur Religion, zur Ehe und zum Vaterland in Betracht gezogen werden. Was die Stellung des S. zur Religion betrifft, so läßt sich nicht etwa behaupten, daß der S. an sich religionsfeindlich, atheistisch sei, es hat sehr religiöse Socialisten gegeben, z. B. den franz. Socialisten Saint-Simon. Doch hat der moderne marxistische S. allerdings eine ausgeprägte antireligiöse Richtung. Nach Marx' Kommunistischem Manifest sind auch die religiösen Einrichtungen nur die Konsequenzen der wirtschaftlichen Einrichtungen; die christl. Religion ist die dem Privateigentum entsprechende religiöse Ideologie; sie soll bezwecken, den Armen mit der Hoffnung auf ein besseres Jenseits zu trösten, wenn es ihm auf Erden schlecht geht. Mit der Beseitigung des Privateigentums verschwinde auch die Religion von selbst. Das neueste Programm der deutschen socialdemokratischen Partei drückt sich etwas gemäßigter aus; dort wird die Religion als Privatsache erklärt; jedenfalls dürfe nie aus öffentlichen Mitteln etwas für religiöse Zwecke gegeben werden. - In der Frage der Regulierung der Geschlechtsverhältnisse sind ebenfalls die Socialisten nicht einig; es hat Socialisten gegeben, die sehr warm für die Ehe und für das Familienleben eingetreten sind, z. B. Proudhon. Auch hier ist der moderne marxistische S. anderer Ansicht; er vertritt die radikale und vom socialistischen Standpunkt aus konsequentere Anschauung, daß das Ehe- und Familienleben nicht in die socialistische Gesellschaft passe. Solange es Privateigentum gäbe, sei auch die Monogamie und Einzelfamilie die nötige Ergänzung dazu; nach dem Fallen des Privateigentums müsse auch diese Einrichtung verschwinden. Der S. will nicht gänzliche Beseitigung der Ehe, sondern nur die Form des geschlechtlichen Zusammenlebens, wonach die Paare wieder auseinander gehen sollen, wenn sich Abneigung herausstellt, also eine Art Wechselehe. In der That würde auch die Monogamie und das Familienleben schlecht zu der wirtschaftlichen Grundlage des socialistischen Staates passen, der allen den gleichen Arbeitsertrag gewährt ohne Rücksicht auf die Anzahl ihrer Kinder; auch verlangt häufig die socialistische Centralbehörde eine männliche Arbeitskraft an einem bestimmten Platz, wo aber gerade für seine Frau und seine Kinder kein Raum vorhanden ist; die ganze Einrichtung des socialistischen Staates läßt überdies für die Bethätigung des häuslichen Lebens gar keinen Spielraum; in Centralnahrungsbereitungsanstalten soll gekocht, in Centralreinigungsanstalten die Wäsche gewaschen und getrocknet werden; ferner existieren Centralheizungs- und andere Einrichtungen; die Kinder sollen in Centralerziehungsanstalten untergebracht werden. - Was schließlich die Stellung des S. zum Vaterland betrifft, so ist der S. nicht durchweg international gesinnt; es hat sehr nationale Socialisten gegeben, z. B. Karl Rodbertus und Ferdinand Lassalle, die beide mit Hilfe des preuß. Staates oder des Deutschen Reichs auf nationalem Boden die sociale Frage lösen wollten; der moderne marxistische S. dagegen ist international. Im Kommunistischen Manifest heißt es, daß die Arbeiter kein Vaterland hätten, daß mit dem Gegensatz der Klassen im Innern auch die feindliche Stelluug der Nationen gegeneinander fortfalle, daß die moderne industrielle Arbeit, die moderne Unterjochung unter das Kapital dieselbe sei in England, in Frankreich, in Amerika, in Deutschland; so müsse auch die socialistische Bewegung einen durchaus internationalen Charakter haben.
Geschichte. Der S. ist keine moderne Erscheinung; vielmehr hat es schon seit den ältesten Zeiten immer Bestrebungen und Theorien gegeben, die gegen das Privateigentum gerichtet waren und an seine Stelle das Gemeineigentum setzen wollten; aber erst Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrh. ist der S. zu einem wissenschaftlichen System ausgebildet worden. Plato entwirft bereits in seinem "Staat" das Bild eines kommunistischen Gemeinwesens, in dem für die regierenden Klassen das Privateigentum aufgehoben, Weibergemeinschaft und staatliche Kindererziehung eingeführt ist.
Als einer der wichtigsten Vorläufer des modernen S. und besonders der neuern Utopien ist der engl. Kanzler Thomas Morus zu nennen, der Verfasser der 1516 erschienenen Utopie: "De optimo reipublicae statu deque nova insula Utopia"; diese Schrift ist deshalb wichtig, weil sie nicht nur ein vollständiges Idealbild einer kommunistischen Gesellschaftsordnung entwirft, sondern besonders auch, weil der Verfasser zu dieser Schilderung durch die "sociale Frage" seiner Zeit gedrängt wurde, die aus der massenhaften Verdrängung der kleinen Grundbesitzer und der Latifundienbildung entsprang. Außer dieser Utopie sind bis auf die neueste Zeit zahreiche ^[richtig: zahlreiche] ähnliche Werke erschienen. (S. Staatsromane.)
Namentlich aber zur Zeit vor und während der großen Französischen Revolution entstanden eine ganze Reihe von Ideen, die von großem Einfluß auf die Ausgestaltung des modernen S. wurden. Zwar trug die große Französische Revolution einen vorwiegend polit. Charakter an sich, im Gegensatz zu der Februarrevolution von 1848, die eine sociale Revolution war; aber dennoch weist jene Zeit auch mannigfache sociale Bewegungen und Theorien auf und am Ausgang der eigentlich revolutionären Periode kam es zu einer ausgebreiteten kommunistischen Verschwörung, deren Zweck war, die kommunistischen Theorien in die Praxis zu überführen. Wenn auch die socialistischen Theorien jener Zeit noch nicht dem S. im modern wissenschaftlichen Sinne zugerechnet werden können, so zeichnen sie sich durch die tiefere rechtsphilos. Begründung aus; die meisten franz. Socialisten bekämpfen das Eigentum als dem Naturrecht widersprechend. Hier ist an erster Stelle Jean Jacques Rousseau zu nennen, der, wenn auch nicht Socialist, doch durch seine Lehren auf die nachfolgenden socialistischen Systeme von größtem Einfluß gewesen ist. 1754 erschien die Abhandlung Rousseaus "Über den Ursprung und die Gründe der Ungleichheit unter den Menschen, und ob sie durch das Naturgesetz geheiligt sei?". Dort findet sich auch die berühmte Stelle: "Der erste, der einen Platz einfriedigte und sich einfallen ließ, zu sagen: das ist mein, und Leute fand, die einfältig genug waren, ihm dies