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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Spanien (Kolonien. Landwirtschaft)

durch hat sich, in Verbindung mit der physischen Verschiedenheit, die in den verschiedenen Gegenden S.s obwaltet, ein entschiedener Provinzialismus gebildet, der hauptsächlich in der Verschiedenheit der Dialekte sich beurkundet, von denen sich der castilische zur Schriftsprache erhoben hat. Neben dieser roman.-german. Hauptmasse der Bevölkerung haben sich noch zwei kleine Völkerüberreste erhalten, die Basken (s. d.) in den nach ihnen benannten Provinzen und einem Teile von Navarra, und die Morisken oder Mudejares (s. Mauxen), die letzten Neste der unvermischten maur. - arab. Bevölkerung, welche nur in den Alpujarras (s. d.) und um Valencia mit eigener Sprache und Sitte leben und deren Zahl auf 60 000 angegeben wird. Außerdem giebt es noch 50 000 teils seßhafte, teils umherschweifende Zigeuner (Altanos). Sie scheren im Sommer die Pferde und Maultiere, besuchen als Händler mit diesen Huftieren und mit Eseln alle Märkte und beschäftigen sich daneben auch mit Wahrsagen, Tanzen u. s. w. Juden findet man nur in den Städten etwa 5000.

Nach der Konfession gehört die Bevölkerung fast gänzlich der röm.-kath. Kirche an. S. zerfällt seit dem Konkordat von 1851 in kirchlicher Beziehung in neun Erzbistümer (Burgos, Santiago de Compostela, Valladolid, Granada, Saragossa, Sevilla, Tarragona, Toledo, Valencia) und 46 Bistümer, wozu noch in den Kolonien die Erzbistümer von Santiago (auf Cuba) und Manila (auf den Philippinen) kommen. An der Spitze steht der Erzbischof von Toledo als Primas des Reichs. Behufs der kirchlichen Verwaltung ist S. mit den Canarien in 62 Diöcesen eingeteilt, die in 18 564 Pfarrsprengel zerfallen. Die span. Hierarchie hat in der neuern Zeit große Umwälzung erfahren, namentlich durch die Aufhebung der Mönchsklöster, die 1835 faktisch, 1841 gesetzlich erfolgte. Während 1787 der gesamte Klerus 188 626 Personen zählte, wobei 61 617 Mönche, 32 500 Nonnen und 2705 Inquisitoren, war 1833 die Zahl auf 175 574 gesunken. 1884 gab es 32 435 Priester, 1684 Mönche und 14 592 Nonnen in 1188 Klöstern. Geistliche Orden sind die von Calatrava, Santiago, Alcantara und San Juan von Jerusalem oder Malta. Bis zur Revolution von 1868 war die Ausübung jeder andern Religion verboten, seitdem ist sie geduldet, nicht frei. Die Zahl der span. Protestanten wird auf 6654 angegeben, ist aber thatsächlich größer.

Kolonien. Die überseeischen Besitzungen (Provincias de ultramar) umfassen in Amerika 128 147 qkm, nämlich Cuba und Portoriko, in Ostasien 299 940 qkm, nämlich die Philippinen mit den Marianen und Karolinen, in Afrika 2000 qkm, nämlich Fernando Po mit Annobon, Corisco u. s. w.

Die Landwirtschaft leidet unter den gedrückten Preisen durch fremde Konkurrenz, aber auch unter dem großen Steuerdruck, der Korruption der Beamtenwelt und der Zerrüttung im Staatshaushalt. Dies alles und ungenügende Löhne treibt die Arbeiter zur Auswanderung, so daß viele kulturfähige Ländereien unbenutzt liegen. Die Bodenbearbeitung ist vielfach noch sehr mangelhaft. Von den 50 Mill. ha des Landes war 1889 etwa die Hälfte benutzt und unter Kultur, die andere Hälfte kahles Gebirge, Ödland und Steppen. Dem Getreide- und Gemüsebau dienten 13 040 512 ha oder etwa 26½ Proz., dem Weinbau 1 376 855 ha oder 2½ Proz., Olivenhaine umfaßten 860 000 ha = 1,7 Proz., Wiesen (nur im regenreichen Norden) 187 424 ha, Weiden 6 676 220 ha = 13 Proz., Hoch- und Buschwald 4 385 722 ha = 8,7 Proz., Dreschtennen und Wege 28 946 ha. Das Kulturland im weitesten Sinne, also auch Wald und Weide, zerfällt in trockne Ländereien (Campos secanos) und bewässerte Ländereien (Campos regadios) oder Huertas und Vegas. Die Secanos umfassen 26 814 869 ha oder 53 Proz. des ganzen Areals, die Regadios 1 152 052 ha oder 2¼ Proz. Zu den Secanos gehören die Wälder, Weiden, Wiesen, Weinberge, Kastanien- und Olivenhaine, Mandel- und Feigenbaumpflanzungen und die auf die Küstenprovinzen am Mittelmeer beschränkte Kultur des Johannisbrotbaums (die Algarobales), der Feldbau auf Weizen, Gerste und Hülsenfrüchte, der Safranbau der Mancha, der Bau der Kartoffeln, Bataten und Kürbisgewächse. Das bewässerte Land erzeugt in den regenarmen warmen Gebieten am Mittelmeer Reis und Mais, Bohnen und Erdnüsse, Gemüse mancherlei Art und Futterkräuter, Zwiebeln, Hanf, Orangen, Datteln und selbst Zuckerrohr und Bananen. In den Huertas und Vegas von Valencia, Murcia, Granada und Malaga findet man die sorgfältigste und intensivste Landwirtschaft, die man kennt und die jährlich auf demselben Lande 2-4 Ernten erzielt. Hohen Ruf hat die Fruchtbarkeit des andalus. Tieflandes von alters her. Das vorherrschende Getreide ist in ganz S. der Weizen, den man besonders auf den fruchtbaren Hochflächen beider Castilien, Aragons und Navarras, Leons, Estremaduras und im andalus. Tiefland baut. 1890-95 wurden geerntet 26,8, 25, 26,3, 30,5, 38,6 und 28,6 Mill. hl. In den Thälern des gebirgigen und regenreichen Nordens ist Mais das wichtigste Getreide, in den rauhen Gebirgsgegenden der Roggen. Zu Pferdefutter baut man Gerste und auf dem trocknen Kalksteinboden der Mittelmeerprovinzen viel Johannisbrot. Dem Reisbau dienen in den Huertas von Valencia 24 237 ha, in Tarragona (Ebrodelta) 3309 ha, in Murcia, Alicante und Castellon 883 ha, zusammen 28 429 ha. Von Hülsenfrüchten baut man neben dem Wintergetreide (Weizen, Roggen und Gerste) Erbsen und Saubohnen, im Sommer aber die beliebten Kichererbsen (Garbanzos), ferner in den Regadios viele Abarten Buschbohnen sowie in Valencia Erdnüsse (Cacahuetes), deren Kultur 1797 eingeführt wurde. Die Garbanzos, das beliebteste trockne Gemüse, und die als Schweine- und Pferdefutter verwandten Saubohnen reichen ungeachtet ihres umfangreichen Anbaues für den Bedarf nicht aus; auch genügt die Weizenernte nur in günstigen Jahren. Aie Kartoffeln kultiviert man zwar überall, aber fast nirgends in gröherm Umfange, da im warmen Süden die Batate, im kühlen Norden und den Gebirgen die Kastanien teilweise Ersatz bieten. Die beliebteste und für wärmere Klimate geeignetste Kleeart ist der Luzernenklee, der namentlich auch auf den Regadios als Futterkraut angebaut wird. Die auffallendste und schönste Gemüsepflanze der Huertas ist der süße Spanische Pfeffer, Pimiento comun dulce (Capsicum annuum L. var. dulce). Er wird im Hochsommer und Herbst neben Tomaten, Melonen, Zwiebeln und andern Feldfrüchten auch ausgeführt, zumal nach England. Der Ölbaum wird in der ganzen Südhälfte kultiviert, am meisten aber in Niederandalusien, wo zwischen Cordova und Andujar wahre Olivenwälder sich längs des Fußes der Sierra Morena und des Guadalquivir hinziehen. Die jährliche Ölproduktion