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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Spanien (Geschichte 1833-68)

Carlos 18. Mai 1845 auf seine Thronansprüche verzichtet hatte und dessen Kandidatur die nordischen Höfe unterstützten. Gleichzeitig spann Maria Christina mit Ludwig Philipp eine Intrigue, die einem Sohne desselben, dem Herzog von Montpensier, durch Vermählung mit der Infantin Maria Luisa, Schwester Isabellas, bei der Zeugungsunfähigkeit des für Isabella bestimmten Franz de Assisi, die Aussicht auf den span. Thron verschaffen sollte. Narvaez, der diesem Plane nicht geneigt war, ward durch Palastintriguen gestürzt und mußte im April 1846 S. verlassen, um einem Kabinett Isturiz-Mon-Pidal Platz zu machen. Am 10. Okt. wurde die Doppelvermählung des Infanten Don Franz de Assisi mit der Königin und des Herzogs von Montpensier mit der Infantin Maria Luisa vollzogen. In S. war diese Familienverbindung mit dem franz. Königshause und die event. Aussicht auf eine franz. Thronfolge keiner Partei genehm. Im Auslande erschien sie als ein Triumph der franz. Politik, der namentlich in England Erbitterung erregte; aber durch die Februarrevolution von 1848 verlor sie jede polit. Bedeutung.

Zwischen der Königin und ihrem Gemahl trat bald offene Entzweiung ein. Isabella suchte sich dem Einfluß ihrer Mutter und der Moderados zu entziehen und wandte ihre Gunst dem jungen General Serrano zu, der sich unter den vorgeschrittenen Progressisten gegen Espartero hervorgethan hatte. Serrano setzte es durch, daß eine allgemeine Amnestie verkündet, Espartero zurückberufen und zum Senator ernannt wurde. Auf das Ministerium Isturiz folgte im Jan. 1847 ein Kabinett unter dem Herzog von Sotomayor, dann im März unter Pacheco, im Sept. unter Salamanca. Doch schon 3. Okt. 1847 wurde das Kabinett Salamanca plötzlich entlassen und durch ein Ministerium ersetzt, an dessen Spitze Narvaez trat. Unter seiner energischen Leitung wurde das zerrüttete Regiment der Moderados wiederhergestellt und Serrano als Generalkapitän nach Granada entfernt. Maria Christina, die sich nach Frankreich zurückgezogen hatte, wurde nach Madrid zurückberufen. Auf die Nachricht vom Sturze Ludwig Philipps in Frankreich (1848) brach 26. März ein republikanischer Aufruhr in Madrid aus; Narvaez unterdrückte ihn mit Energie und verhängte den Belagerungszustand. Als zu Madrid in der Nacht vom 6. zum 7. Mai und zu Sevilla Soldatenemeuten ausbrachen, wurden auch diese rasch unterdrückt. Narvaez setzte es durch, daß Österreich und Preußen Isabella endlich als Königin anerkannten, gab dem engl. Gesandten, von dem es hieß, er habe sich im Auftrag Palmerstons gegen Narvaez verschworen, seine Pässe und sandte zum Zweck der Restauration des Papstes im Frühjahr 1849 ein span. Hilfskorps nach Rom. Erst im Mai 1850 wurden die diplomat. Beziehungen mit England wieder angeknüpft. Die Karlisten unter Cabrera hatten im Sommer 1848 den kleinen Krieg in Catalonien wieder begonnen; aber der Versuch, den Grafen Montemolin auf den Kriegsschauplatz zu bringen, scheiterte. Der Prätendent ward unterwegs von der franz. Polizei angehalten, und Cabrera sah sich genötigt, auf franz. Gebiet zu flüchten (April 1849). Nun erließ die Regierung im Juni 1849 eine allgemeine Amnestie und gab so vielen Karlisten Anlaß, zurückzukehren und sich der Königin zu unterwerfen. Zugleich setzte das Ministerium die Herabsetzung des Zolltarifs durch, was zur Förderung der nationalen Wohlfahrt wesentlich beitrug. Eine mehrjährige Spannung zwischen S. und den Vereinigten Staaten von Amerika trat ein, als der Führer einer Flibustierunternehmung, General Lopez, der im Mai 1850 auf Cuba gelandet war, um die Insel zum Anschluß an die Union zu bringen, gefangen genommen und in Habana 1. Sept. 1851 hingerichtet wurde.

Narvaez, der Königin und ihrer Mutter unbequem, wurde 10. Jan. 1851 entlassen. Ein Ministerium unter Bravo-Murillo (s. d.) trat an die Stelle. Am 15. Okt. erfolgte der Abschluß des Konkordats, der nur durch weitgehende Nachgiebigkeit an den röm. Stuhl und die Geistlichkeit erreicht ward. Als zum 1. Dez. 1852 die Cortes wieder einberufen wurden, fiel bei der Präsidentenwahl der Kandidat der Regierung gegen Martinez de la Rosa durch. Das Ministerium antwortete 2. Dez. mit der Auflösung und ließ tags darauf den Entwurf zu einer Verfassungsrevision veröffentlichen. Demnach sollte der Senat aus erblichen und lebenslänglichen Pairs bestehen; die Deputiertenkammer sollte an Zahl reduziert, der Census sehr erhöht, das Budget ein für allemal bewilligt werden und nur durch Zustimmung aller drei Faktoren der Gesetzgebung eine Abänderung desselben stattfinden können. Gegenüber diesen absolutistischen Tendenzen verbanden sich alle Parteien; diesem allgemeinen Widerstande gegenüber trat das Ministerium Bravo-Murillo 11. Dez. 1852 zurück. Das neue Kabinett unter Roncalis Vorsitz huldigte derselben Richtung. Die Session der Cortes im März 1853 war eine der stürmischsten, die S.s parlamentarische Geschichte kennt. Die Verfassungsrevision, ein neuer Schuldentilgungsplan und die Wahlbeeinflussungen bildeten die Hauptpunkte der Anklagen, womit die vereinigte Opposition das vorige wie das neue Kabinett angriff. Zugleich wurden im Senat die Mittel besprochen, womit Maria Christina, ihr Gemahl und der Bankier Salamanca sich bereicherten. Diese Vorgänge bewogen das Ministerium Roncali, 8. April die Cortes zu vertagen und seine Entlassung anzubieten. Zunächst folgte das Ministerium Lersundi, im Sept. 1853 das unter Graf San-Luis. In der Session vom Nov. 1853 erneuerte sich der parlamentarische Konflikt, die Cortes wurden abermals vertagt. Angesehene Generale, wie O'Donnell und Manuel de la Concha, wurden verbannt, Jose de la Concha und andere Offiziere abgesetzt, oppositionelle Senatoren ihrer Ämter enthoben. Moderados und Progressisten vereinigten sich jetzt zu der sog. Liberalen Union; ein militär. Pronunciamento, an dessen Spitze sich der General O'Donnell (s. d.) stellte, bewirkte die Absetzung des verfassungsfeindlichen Ministeriums San-Luis, die Entfernung der Königin-Mutter Maria Christina, die Wiederherstellung der Konstitution von 1837 und die Wiederbewaffnung der Nationalmiliz. Bald erklärten sich die wichtigsten Städte mit ihren Besatzungen, zuerst Barcelona, für die Bewegung. In Madrid kam es 18. und 19. Juli zu einem erbitterten Barrikadenkampfe, bei dem der Palast Maria Christinas und die Ministerhotels vom Volke demoliert und verbrannt wurden; selbst das königl. Residenzschloß ward bedroht. Um den Sturm zu beschwören, berief Isabella II. Espartero zum Ministerpräsidenten. Am 29. Juli traf Espartero in Madrid ein und bildete ein Kabinett, in dem O'Donnell das Kriegsministerium erhielt. Maria Christina wurde